Weitreichende Folgen: Bürgergeld-Bescheide in diesem Jahr nicht bestandskräftig

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Alle Bürgergeld-Bescheide der Jobcenter sind (soweit ersichtlich) in Bezug auf die Belehrung falsch. Das hat zur Folge, dass die Widerspruchsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr beträgt.

Sollte also ein Bescheid des Jobcenters Mängel aufweisen, haben Leistungsbezieher das Recht, diesem zu widersprechen.

In einem früheren Beitrag hatte ich darauf hingewiesen, dass die Jobcenter in 2024 in vielen Bescheiden eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung beifügen und somit sich die Widerspruchsfrist bei Bürgergeldbescheiden auf 1 Jahr verlängert.

Sozialgericht Berlin: Keine bestandskräftigen Bescheide dieses Jahr

Jetzt hat das Sozialgericht Berlin wie folgt entschieden ( Beschluss vom 11.10.2024 – Az: S 142 AS 2627/24 – ), dass alle Bescheide der Jobcenter (soweit ersichtlich) in Bezug auf die Belehrung falsch sind, so ausdrücklich auch der Rechtsanwalt und Sozialrechtsexperte Kay Füßlein aus Berlin.

Widerspruchsfrist 1 Jahr

Rechtsanwalt Füßlein führt weiter aus, dass das zur Folge hat, dass die Widerspruchsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr beträgt.

Insbesondere wenn Bescheide ergehen, deren Konsequenzen erst später als Monat eintreten (zB Versagungsbescheide oder Mietabsenkungen), blieb bislang nur der Weg einen Überprüfungsantrag zu stellen und bis zu sechs Monate auf die Entscheidung abzuwarten.

Auch sind weitere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen bestandskräftige Bescheide (also jede, die nicht fristgerecht angefochten worden sind) sehr eingeschränkt (zB bei Eilverfahren vor dem Sozialgericht).

Nunmehr hat das Sozialgericht Berlin in einem Beschluss bestätigt, dass die augenblickliche Belehrung unzutreffend ist:

(…) entgegen der Auffassung des Beklagten war die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 6.2.2024 unrichtig, so dass nicht die Monatsfrist des§ 84 Abs. 1 S. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG galt. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 6.2.2024 berücksichtigt nicht die seit 1.1.2024 geltende Neuregelung des § 36a SGB I (…)

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Anmerkung Detlef Brock

Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 6.2.2024 berücksichtigt nicht die seit 1.1.2024 geltende Neuregelung des § 36a SGB 1. Denn bis 31.12.2023 galt, dass gemäß § 36a Abs. 2 S. 2 SGB I der elektronischen Form, die die Schriftform ersetzt, ein elektronisches Dokument genügt, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.

Aufgrund der Neuregelung des § 36a Abs. 2a SGB I gilt ab 1.1.2024 nach dessen Nr. 2 lit a), dass die Schriftform auch ersetzt werden kann durch Übermittlung einer von dem Erklärenden elektronisch signierten Erklärung an die Behörde aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA).

Die Neuregelung hat mithin zur Folge, dass die Schriftform durch eine einfach signierte Erklärung aus dem beA ersetzt werden kann; mithin wird insoweit auf die qualifizierte elektronische Signatur verzichtet (vgl. dazu etwa Müller in RdNr. 3, 151, 176).

Über die Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs per einfach signierter elektronischer Erklärung aus dem beA belehrt die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids vom 6.2.2024 nicht.

Denn in der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es:dies ist die falsche Rechtsbehelfsbelehrung – (Anmerkung Detlef Brock ).

Für die Erhebung des Widerspruchs stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
(…)
2.3 Durch Übermittelung mittels elektronischen Dokuments, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, über ein EGVP Postfach oder das besondere Anwaltspostfach (beA) an das im SAFE-Verzeichnis (sichere Verzeichnisdienste) gelistete besondere Behördenpostfach (beBPo) der im Briefkopf genannten Stelle. Dafür wird ein EGVP-Postfach beziehungsweise ein besonderes Anwaltspostfach benötigt.

So muss eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung seitens des Jobcenters aussehen

Ein in der Nummer 2.3. geregeltes Altemativerhältnis wie vom Jobcenter angenommen hätte vielmehr lauten müssen:

Durch Übermittelung mittels elektronischen Dokuments, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder durch Übermittlung einer von dem Erklärenden elektronisch signierten Erklärung über das besondere Anwaltspostfach (beA) an das im SAFE-Verzeichnis (sichere Verzeichnisdienste) gelistete besondere Behördenpostfach (beBPo) der im Briefkopf genannten Stelle.