Sozialhilfe: Gericht rügt darlehensweise Gewährung von Umzugskosten – es ist grundgesetzwidrig

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Gericht rügt – Darlehensweise Gewährung von Umzugskosten ist ein Eingriff in Art. 11 Grundgesetz

Sozialhilfeträger müssen bei erforderlichem Umzug grundsätzlich zuschussweise Umzugskosten bewilligen (§ 35 SGB XII). Denn im Bereich der Umzugskosten ist ausdrücklich keine darlehensweise Leistung vorgesehen.

Die Argumentation des Sozialamtes, dass keine sozialhilferechtliche Notwendigkeit bestanden habe, in die Wohnung außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Sozialamtes umzuziehen und somit der Umzug über diese weite Strecke mit sozialhilferechtlich unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei, die nicht übernommen werden könnten, ist nicht zu folgen, denn diese Auffassung ist rechtswidrig und entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage.

Die Übernahme von Umzugskosten als Zuschuss – nur für einen Umzug innerhalb des Kreisgebietes – stellt einen unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht aller Leistungsempfänger dar.

Eingriff in Art. 11 Grundgesetz

Mit wegweisendem, rechtskräftigem Urteil hat das SG Aurich ( S 13 SO 3/17 ) festgestellt, dass die Auffassung des Sozialhilfeträgers, das der Umzug an den Zielort in einem anderen Landkreis mit unverhältnismäßigen Mehrkosten im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII verbunden wäre, grundgesetzwidrig ist.

Bei Annahme der Notwendigkeit des Umzuges, die zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ist eine zuschussweise Übernahme der angemessenen Umzugskosten erforderlich.

Der Argumentation des Hilfebedürftigen folgte das Gericht

Dass die Beschränkung der Umzugskostenübernahme ein unzumutbarer Eingriff in die Regelung des Artikel 11 des Grundgesetzes (GG) der individuellen Freizügigkeit darstelle, überzeugt die Kammer.

Denn die Übernahme von Umzugskosten als Zuschuss nur für einen Umzug innerhalb des Kreisgebietes stellte einen unmittelbaren Eingriff in dieses Grundrecht des Klägers dar.

Der Kläger könnte bei durchgreifender Argumentation des Sozialamtes ohne unmittelbar staatlich angeordnete Hindernisse nicht außerhalb des einmal bewohnten Kreisgebietes umziehen.

Dies stellte aber nach Auffassung der Richter – eine unzumutbare Benachteiligung eines Leistungsbeziehers dar

Insbesondere stellt die vom Sozialamt angeführte Norm des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII keine einfach gesetzliche Rechtfertigung eines solchen Grundrechtseingriffes dar. Diese Regelung ist nicht vor dem Hintergrund des beschränkten Gesetzesvorbehalts des Art. 11 Abs. 2 GG ergangen.

Die vom Sozialamt zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.03.1999 – 5 B 65.98 ) kann der Bewertung des Gerichts daher nicht entgegengehalten werden, da sie zu einer abweichenden Rechtslage im Bereich des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ergangen ist.

Weiterer Verstoß des Sozialamtes gegen die Regelung des § 35 Abs. 2 SGB XII

Im Bereich der Umzugskosten ist – ausdrücklich keine darlehensweise Leistung vorgesehen. Alleine bezüglich einer Mietkaution ist geregelt, dass diese als Darlehen erbracht werden sollen. Diese Regelung gilt nicht für Umzugskosten.

Auch in anderen Regelungen findet sich für die hier in Streit stehenden Umzugskosten keine Ermächtigungsgrundlage zur darlehensweisen Bewilligung. Insbesondere sind weder § 37 SGB XII noch § 91 SGB XII anwendbar.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten von Tacheles e. V.

Auch beim Bezug von Bürgergeld gilt, dass bei erforderlichem Umzug das Jobcenter die Umzugskosten zuschussweise erbringen muss.