Mieterhöhung: Das dürfen Vermieter nicht einfach durchdrücken

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Ein Erhöhungsschreiben wirkt oft wie eine Formalität: neuer Betrag, Verweis auf Mietspiegel, Frist zur Zustimmung. Genau diese Routine ist das Problem, denn bei der Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB darf der Vermieter nicht „einfach erhöhen“, sondern kann nur Ihre Zustimmung verlangen – und viele Schreiben sind entweder zu früh, zu hoch oder so begründet, dass man es kaum nachprüfen kann, während sie zugleich Druck erzeugen.

Damit Sie nicht aus Unsicherheit zustimmen, folgt ein Prüfsystem, das zuerst die harten Grenzen (Zeit und Kappungsgrenze) klärt, dann die Begründungsfallen sichtbar macht und am Ende ein Raster liefert, mit dem Sie das konkrete Schreiben in kurzer Zeit einordnen.

Zuerst sauber einordnen: Vergleichsmiete ist nicht Modernisierung, nicht Betriebskosten, nicht Index/Staffel

Dieser Artikel betrifft ausschließlich die Erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Entscheidend ist dabei das Wort Zustimmung: Ohne Zustimmung – ausdrücklich oder durch eindeutiges Verhalten – entsteht keine wirksame neue Miethöhe.

Genau deshalb arbeiten manche Schreiben mit Formulierungen, die wie ein Zahlungsbefehl klingen, obwohl es rechtlich um ein Zustimmungsverlangen geht.

Sperrfrist und 15-Monats-Logik: Die häufigste Stelle, an der Vermieter „zu früh“ sind

Viele Schreiben scheitern nicht am Mietspiegel, sondern am Kalender. Die Mechanik ist zweistufig.

Erstens darf ein neues Erhöhungsverlangen grundsätzlich frühestens ein Jahr nach der letzten wirksamen Erhöhung nach diesem Verfahren gestellt werden. Zweitens gilt: Selbst wenn Sie zustimmen, schulden Sie die erhöhte Miete erst ab Beginn des dritten Kalendermonats nach Zugang des Schreibens.

Aus beidem ergibt sich die Praxisformel: Die Miete muss in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert sein.

Wichtig: Es zählt nicht das Datum oben rechts im Schreiben, sondern der Zugang bei Ihnen und der Zeitpunkt, zu dem die letzte Erhöhung tatsächlich wirksam geworden ist.

Kappungsgrenze: Selbst wenn der Mietspiegel mehr hergeben würde, darf nicht beliebig erhöht werden

Die Kappungsgrenze begrenzt nicht die „Marktmiete“, sondern den Erhöhungsrahmen innerhalb von drei Jahren. Grundsätzlich sind innerhalb von drei Jahren höchstens 20 Prozent Erhöhung zulässig; in vielen Städten und Gemeinden gilt per Landesverordnung nur 15 Prozent.

Praktisch prüfen Sie das so, dass keine Rechentricks mehr greifen: Sie stellen die Nettokaltmiete, die Sie vor drei Jahren gezahlt haben, der verlangten Nettokaltmiete gegenüber. Ein einfaches Beispiel entlarvt viel:

Wenn die Nettokaltmiete vor drei Jahren 700 Euro war, liegt die Grenze bei 20 Prozent bei 840 Euro, in einem 15-Prozent-Gebiet bei 805 Euro. Alles darüber ist in dieser Höhe nicht durchsetzbar, selbst wenn im Mietspiegel ein höherer Wert steht.

Begründung: Mietspiegel ist kein Zauberwort, Vergleichswohnungen sind kein Gerücht

Ein Erhöhungsverlangen muss so begründet sein, dass Sie es nachvollziehen und prüfen können. Als Begründungsmittel kommen insbesondere Mietspiegel, Mietdatenbank, Gutachten oder Vergleichswohnungen in Betracht; bei Vergleichswohnungen müssen es mindestens drei sein.

Bei Mietspiegeln ist der häufigste Schwachpunkt die fehlende Zuordnung: Prüffähig wird das Schreiben erst, wenn Sie aus dem Text erkennen können, in welches Mietspiegelfeld die Wohnung eingeordnet wird und warum, also insbesondere nach Baujahr, Lage, Wohnungsgröße und den angesetzten Merkmalen, Zu- und Abschlägen.

Auch der Spannenoberwert ist angreifbar, wenn er nur gesetzt, aber nicht begründet wird. Wer automatisch am oberen Rand ansetzt, ohne die Merkmale sauber herzuleiten, ersetzt Begründung durch Behauptung.

Bei Vergleichswohnungen kippt es regelmäßig an der Prüfbarkeit: Adressen allein sind selten genug. Damit Sie vergleichen können, müssen die Eckdaten nachvollziehbar sein – insbesondere Größe, Baujahr, Ausstattung, Lage, Miethöhe und ob es sich um eine vergleichbare Nettokaltmiete handelt.

Der gefährlichste Trick: Zustimmung „durch Zahlung“ – konkludent und oft unbemerkt

Der größte Praxisfehler passiert nicht im Paragraphendschungel, sondern beim Online-Banking: Wer die verlangte Miete wiederholt und vorbehaltlos überweist, kann je nach Umständen durch schlüssiges Verhalten zustimmen.

Genau deshalb ist es riskant, bei einem streitigen Schreiben „erst mal“ den höheren Betrag zu zahlen, während man noch prüft.

Wenn Sie noch prüfen, halten Sie den bisherigen Betrag stabil oder zahlen – wenn es sich nicht anders lösen lässt – ausdrücklich unter Vorbehalt, damit aus Druck keine Zustimmung wird.

Fristen, die wirklich zählen: Überlegungsfrist, Klagefrist, Sonderkündigungsrecht

Hier ist Präzision wichtiger als Beruhigung.

Sie können bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang entscheiden, ob Sie zustimmen. Stimmen Sie nicht zu, kann der Vermieter innerhalb weiterer drei Monate auf Zustimmung klagen.

Lässt er diese Frist verstreichen, kann er dieses konkrete Erhöhungsverlangen in der Regel nicht mehr durchsetzen und müsste – wenn er weiter erhöhen will – ein neues Erhöhungsverlangen stellen.

Wer ohnehin ausziehen will, hat in dieser Konstellation ein Sonderkündigungsrecht: Sie können bis zum Ende der Zustimmungsfrist zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen; dann tritt die Erhöhung nicht ein.

Prüfraster für das Erhöhungsschreiben

Prüffeld Prüfung und Warnsignal
Einordnung Prüfung: Steht klar, dass es um Zustimmung zur Erhöhung bis zur Vergleichsmiete geht? Warnsignal: Vermischung mit Modernisierung/Betriebskosten oder „ab sofort zahlen“.
Zugang gesichert Prüfung: Zugangstag notieren, Umschlag aufbewahren. Warnsignal: Briefdatum wird als „Stichtag“ verkauft, Zugang bleibt unklar.
Sperrfrist Prüfung: Letzte wirksame Erhöhung ermitteln; Schreiben darf regelmäßig nicht „zu früh“ kommen. Warnsignal: Erhöhung soll eintreten, bevor die 15-Monats-Logik aufgeht.
Wirksamkeitsdatum Prüfung: Bei Zustimmung: erhöhte Miete ab drittem Kalendermonat nach Zugang. Warnsignal:Schreiben setzt Zahlung im Folgemonat oder rückwirkend an.
Kappungsgrenze Prüfung: Nettokaltmiete von vor drei Jahren vs. verlangte Nettokaltmiete rechnen; 20 % oder 15 %. Warnsignal: Prozentrechnung auf Warmmiete oder Ignorieren der 15-%-Gebiete.
Begründungsmittel Prüfung: Mietspiegel/Gutachten/Datenbank/Vergleichswohnungen klar benannt? Warnsignal:„Marktüblich“ ohne belastbares Begründungsmittel.
Mietspiegel-Zuordnung Prüfung: Mietspiegelfeld, Merkmale sowie Zu-/Abschläge sind aus dem Schreiben nachvollziehbar. Warnsignal: Oberwert ohne Herleitung, Merkmale fehlen.
Vergleichswohnungen Prüfung: Mindestens drei, mit Eckdaten (Größe, Baujahr, Lage, Ausstattung, Nettokaltmiete). Warnsignal: Nur Adressen/Behauptungen, keine Vergleichbarkeit.
Konkludenz-Risiko Prüfung: Nicht wiederholt vorbehaltlos die neue Miete zahlen, wenn Sie noch prüfen. Warnsignal: „Bitte ab nächstem Monat überweisen“ als Druckpassage.
Formfehler vs. Höhe Prüfung: Ist das Verlangen selbst prüfbar oder nur der Betrag streitig? Warnsignal: Schreiben ist so unklar, dass Prüfung faktisch unmöglich wird.

Drei kurze Praxisfälle, die zeigen, wie es kippt

Fall 1: Zu früh angesetzt, aber „bitte sofort zahlen“. Das Schreiben kommt im März, die letzte Erhöhung wurde erst im Juni des Vorjahres wirksam, trotzdem soll ab April gezahlt werden. Konsequenz: Nicht überweisen, sondern erst die Zeitachse prüfen und den Zugang dokumentieren.

Fall 2: Kappungsgrenze ignoriert, Mietspiegel vorgeschoben. Die verlangte Erhöhung liegt binnen drei Jahren bei knapp 19 Prozent, obwohl vor Ort 15 Prozent gelten. Konsequenz: Kappungsgrenze berechnen, Absenkungsgebiet prüfen, nicht von „Mietspiegel“ einschüchtern lassen.

Fall 3: Mietspiegel genannt, aber die Wohnung bleibt „unsichtbar“. Der Vermieter schreibt „laut Mietspiegel“, nennt aber weder Mietspiegelfeld noch Merkmale und begründet nicht, warum der Oberwert verlangt wird. Konsequenz: Begründung als nicht prüffähig zurückweisen und eine nachvollziehbare Herleitung verlangen.

FAQ

Was, wenn ich gar nicht reagiere?
Die Miete erhöht sich nicht automatisch „per Schweigen“. Nach Ablauf der Überlegungsfrist kann der Vermieter aber, wenn er es ernst meint, innerhalb der Klagefrist auf Zustimmung klagen. Bleibt auch das aus, muss er für eine weitere Erhöhung neu ansetzen.

Kann ich durch Zahlung zustimmen, ohne es zu merken?
Ja. Wer wiederholt vorbehaltlos den höheren Betrag zahlt, kann je nach Umständen durch schlüssiges Verhalten zustimmen. Genau deshalb ist es riskant, während der Prüfung „erst mal“ den erhöhten Betrag zu überweisen.

Darf der Vermieter kündigen, wenn ich nicht zustimme?
Die Nichtzustimmung ist typischerweise kein Kündigungsgrund. Kündigungen richten sich nach anderen Voraussetzungen und müssen eigenständig begründet werden.

Wie erkenne ich schnell, ob 15 Prozent statt 20 Prozent gilt?
Das hängt davon ab, ob Ihre Gemeinde in einer landesrechtlichen Kappungsgrenzen-Verordnung für angespannte Wohnungsmärkte liegt. Wer hier falsch rechnet, stimmt schnell einer Erhöhung zu, die rechtlich gedeckelt wäre.