Hunderttausende erhalten nicht den vollen Hartz IV-Regelsatz

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Hunderttausende Haushalte, die von Hartz IV oder Sozialhilfe Leistungen abhängig sind, erhalten noch nicht einmal den vollen, derzeit gültigen, Regelsatz. Vielfach müssen Betroffene nämlich aus den Regelleistungen Wohnkosten zahlen, Kürzungen aufgrund von Ersatz- und Erstattungsansprüchen hinnehmen und steigende Stromkosten ausgleichen.

Ausgangslage: Zu geringe Regelleistungen bei Hartz IV

Wie die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbandes im Rahmen einer Studie feststellte, sind die derzeitigen Regelleistungen nicht ausreichend, um Armutsfest leben zu können.

Zusätzlich steigen die Kosten für Grundnahrungsmittel und Energie. Auch die anvisierte Erhöhung zum Jahreswechsel wird daran kaum etwas ändern, da auch dann die Regelleistungen die Preissteigerungen nicht abfangen können.

Zusätzliche Probleme durch Regelsatzkürzungen

Das bedeutet, dass die Regelleistungen im Hinblick auf die derzeitige Inflation sowieso nicht ausreichend sind. Hunderttausende Haushalte haben allerdings zusätzliche Probleme, weil noch nicht einmal der volle Regelbedarf ausgezahlt wird.

Es werden nicht die tatsächlichen Wohnkosten gezahlt

Bei bundesweit rund 400.000 Haushalten, die im Leistungsbezug sind, werden die tatsächlichen Wohnkosten nicht gezahlt.

Somit müssen die Betroffenen im Schnitt 91 Euro pro Haushalt für die Wohnkosten zusätzlich aufkommen. Allein in Berlin beträgt die durchschnittliche Nichtübernahme der Wohnkosten 144,31 Euro, in Bayern sind es 113,10 EUR pro gekürzten Haushalt je Monat.

Grundlage für die Kürzungen bei den Unterkunfts- und Heizkosten lassen sich in in § 22 Abs. 1 S. 2 + 3 SGB II sowie im § 35 Abs. 2 SGB XII finden.

Kürzungen durch Darlehen und Erstattungs- bzw. Ersatzansprüche

Die betroffenen Haushalte sind dann dazu gezwungen, Darlehen beispielsweise bei Nachforderungen der Nebenkosten beim Jobcenter zu beantragen oder müssen Erstattungs- und Ersatzansprüche erdulden.

Hierfür werden die laufenden Regelleistungen nach § 42a Abs. 2 SGB II/§ 43 Abs. 2 SGB II um 10 oder 30 Prozent monatlich gekürzt. Das bedeutet dann 44,90 EUR bis 134,70 EUR weniger Geld im Monat.

Wenn seitens der Betroffenen die Beträge aus unterschiedlichen Gründen nicht gezahlt werden können, werden die “Schulden” an die jeweiligen Forderungseinzugsstellen weitergegeben. Das führt zu weiteren Kosten für die Schuldner in Form von Mahn- und Vollstreckungskosten.

Galoppierende Strompreise erzeugen Regelsatzkürzungen

Bei galoppierenden Stromkosten geraten vielfach Hartz-IV-Haushalte Zahlungsschwierigkeiten. Hartz-IV-Beziehende müssen die Kosten für Strom aus den Regelleistungen zahlen. Für einen Single Haushalt sind hierfür 36,43 EUR (Regelbedarfsstufe 1) vorgesehen.

Durch die Energiekrise, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde, steigen die Stromkosten massiv an. Zusätzlich kündigen die Stromanbieter die bisherigen Verträge. Dadurch rutschen die Betroffenen in teure Ersatz- bzw. Neukundentarife.

In einem offenen Brief wies sogar die Landesarbeitsgemeinschaft der Jobcenter in NRW, dass es aufgrund der Preissteigerungen zu einem “nie gekannten Ausmaß von Energiearmut” kommen wird.

Weil aber der Anteil für Stromkosten in den Regelleistungen die Preissteigerungen nicht im Geringsten berücksichtigt und auch die Einmalzahlung aus dem Entlastungspaket 2 an der Situation kaum etwas verändert, geraten die Betroffenen in schwere Nöte.

Sozialberatung fordert Sofortmaßnahmen

Angesichts der Unterdeckung der Regelleistungen aufgrund der genannten Punkte, fordert die Sozialberatungsstelle “Tacheles e.V.” ein umgehendes Aussetzen der Forderungen seites der Jobcenter bei den Ersatz- und Erstattungsansprüchen von mindestens zwei Jahren.

Ferner sollten die tatsächlichen Unterkunftskosten im Rahmen eines Moratoriums gezahlt werden, damit die Differenz nicht mehr zusätzlich aus den Regelleistungen gezahlt werden müssen.

Stromkosten sollten zu den Unterkunftskosten gehören

Darüber hinaus sollte der Regelbedarfspunkt Haushaltsenergie aus den Regelbedarfen herausgenommen und den Unterkunftskosten zugeordnet werden.

Denn das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahre 2014 geurteilt, dass in Situationen von starken Preissteigerungen sofortige Abhilfe schaffen müsse, damit das Existenzminimum nicht unterschritten wird.
Mit einer Zuordnung der Stromkosten zu den Unterkunftskosten käme der Gesetzgeber dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach und würden für einen Armutsschutz sorgen, da die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe übernommen werden müssen, sofern diese Angemessen sind. Dadurch könnte auch der Mehrbedarfszuschlag für Warmwasser wegfallen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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