Hohe Hartz-IV-Rückforderung wegen bewusst verschwiegenen Vermögens
11.08.2017
Geben Hartz-IV-Bezieher vorsätzlich jahrelang ein über den Freibeträgen liegendes Vermögen nicht beim Jobcenter an, müssen sie sämtliche seitdem erhaltene Leistungen wieder zurückzahlen. Da wegen des Vermögens nie Hilfebedürftigkeit bestanden hat, sei Arbeitslosengeld II auch nie rechtmäßig gewährt worden, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 29. Juni 2017 (Az.: L 7 AS 395/16). Das Jobcenter müsse die Rückforderungen auch nicht auf das Vermögen begrenzen, das über der Freibetragsgrenze liegt, so die Essener Richter.
Im konkreten Fall erhielt der Kläger von Juni 2006 bis Ende 2013 Hartz-IV-Leistungen, teilweise auch als Aufstocker. Bei seiner Erstantragstellung wurde er konkret nach Vermögen gefragt. Er gab zwar an, dass er über ein Auto verfügte, verschwieg aber bewusst ein Sparbuch mit 12.693 Euro. Zeitweise befanden sich später darauf bis zu knapp 19.000 Euro.
Als das Jobcenter nach einer Anfrage beim Bundeszentralamt für Steuern von Zinseinkünften erfuhr, wurde das verschwiegene Vermögen entdeckt.
In einer Anhörung gab der Hartz-IV-Bezieher an, dass er wegen Existenzängsten das Geld nicht angegeben habe. Er müsse Kredite zurückzahlen und benötige Geld für immer wieder anfallende Reparaturen am Auto sowie für die Anschaffung neuer Haushaltsgeräte.
Das Jobcenter stellte daraufhin fest, dass der Hartz-IV-Bezieher wegen seines vorsätzlich verschwiegenen Vermögens nie hilfebedürftig war und daher durchgehend rechtswidrig Hartz-IV-Leistungen erhalten hatte. Die Behörde nahm daraufhin sämtliche ergangenen Bescheide wieder zurück und forderte die Rückerstattung sämtlicher bislang gezahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 31.233 Euro.
LSG Essen: Jobcenter durfte sämtliche Bescheide zurücknehmen
Dies hielt der Kläger für viel zu hoch. Hätte er sein Vermögen sofort angegeben und dieses für seinen Lebensunterhalt verwandt, wäre dieses bis auf die Freibetragsgrenze innerhalb von 4,37 Monaten aufgebraucht worden. Danach hätte er dann Anspruch auf Arbeitslosengeld II gehabt. Müsste er die Gesamtforderung zahlen, würde er in die Verschuldung getrieben. Angesichts der Höhe der Gesamtforderung benötige er 23 Jahre, um den Erstattungsbetrag durch Aufrechnung zu begleichen.
Angemessen sei eine Forderung von 3.461 Euro. Dieser Betrag habe bei seiner Hartz-IV-Erstantragstellung über der Freibetragsgrenze gelegen. Schließlich müssten seine laufenden Kredite mit seinem Vermögen gegengerechnet werden.
Vor dem Sozialgericht Düsseldorf hatte der Kläger noch Erfolg. Bei der Rücknahme der Hartz-IV-Bescheide müsse geprüft werden, ob und wie lange einzusetzendes Vermögen zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätte.
Doch da machte das LSG nicht mit. Zu Recht habe das Jobcenter sämtliche seit 2006 ergangenen Bescheide zurückgenommen und entsprechend sämtliche Hartz-IV-Leistungen zurückgefordert. Denn der Kläger sei wegen seines über der Freibetragsgrenze liegenden und bewusst verschwiegenen Vermögens den gesamten Zeitraum über nicht hilfebedürftig gewesen. Vorhandene Schulden seien bei der Berücksichtigung des Vermögens unbeachtlich.
Nach den geltenden Bestimmungen und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe vorrangig einzusetzendes Vermögen einer Leistungsbewilligung entgegen. Dies sei auch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. „Denn anderenfalls würde der redliche Antragsteller, der sein Vermögen ordnungsgemäß angibt, sich aber einer Verwertung verweigert und deshalb dauerhaft keine Grundsicherungsleistungen erhält, schlechter gestellt als derjenige, der sein Vermögen vorsätzlich verschweigt“, heißt es in dem Urteil.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zum BSG in Kassel zugelassen.
Ähnlich hatte bereits auch das LSG Baden-Württemberg am 22. Juli 2011 entschieden (Az.: L 12 AS 4994/10; JurAgentur-Meldung vom 6. August 2011). Auch danach sind Rückforderungen des Jobcenters nicht auf die Höhe des verschwiegenen Vermögens begrenzt. fle/mwo/fle
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