Hartz IV: Warum ein Kürzungsmoratorium jetzt wichtig ist

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Die Inflation in Deutschland ist noch einmal auf 7,9 Prozent angewachsen. Weitere Anstiege werden on führenden Wirtschaftsökonomen erwartet. Dafür sind die Regelleistungen deutlich zu niedrig bemessen. Das Einmalzahlungs- und Sofortzuschlagsgesetz wird die Situation kaum verbessern.

Inflationsrate steigt weiter an

Die Regelleistungen bei Hartz IV und Sozialhilfe sind nach Ansicht der Initiatie Tacheles e.V. deutlich zu niedrig bemessen. Die Regelsätze im SGB II stellen schon eine längere Zeit nicht mehr das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum dar.

So hat das Bundesamt für Statistik eine Inflationsrate von aktuell von 7,9 Prozent ermittelt. Die Teuerungsrate lag im April 2022 noch bei 7,4 Prozent.

Nach Ansicht der Erwerbslosenberatungsstelle Tacheles e.V. “versucht die Bundesregierung diese Unterdeckung mit den 200 EUR aufs Jahr, aus Einmalzahlungs- und Sofortzuschlagsgesetz, also 16,66 EUR im Monat, zu kompensieren”. Damit solle “die Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen” kaschiert werden.

Angekündigte Regelsatzerhöhung

Die Situation werde auch nicht verbessert, wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine abgeänderte Berechnungsgrundlage der Regelleistungen bei Hartz IV ankündigt. Heil wolle der Bundesregierung in einem Gesetzesentwurf vorschlagen, 30 statt der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage für die Ermittlung der Regelleistungen verwenden. Dadurch sollen die Regelleistungen um 40 bis 50 Euro höher ausfallen.

“Was Hubertus Heil in Bezug auf die Regelleistungen ankündigt, ist nichts anderes als die Umsetzung der sowieso fälligen Regelleistungserhöhungen durch die explodierenden Preise und die Inflationsrate”, kritisiert Erwerbslosenberater Harald Thomé on Tacheles.

Jobcenter-Chefs schlugen Alarm

Mit der Einmalzahlung sind die in diesem Jahr die Preissteigerungen in keinem Fall gedeckt. “Nicht ohne Grund wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Jobcenterleiter in NRW Alarm geschlagen oder hat der Sozialdezernent der Stadt Essen eine Anhebung der Regelleistungen von 100 EUR pro Monat gefordert.”

Auch Sozialverbände, Betroffenenorganisationen, Gewerkschaften bis zum Kinderschutzbund schlagen Alarm und fordern, dass es eine deutliche Berücksichtigung dieser Preissteigerungsraten geben muss. Die “16,66 EUR faktische Regelsatzanhebung ist auf jeden Fall absolut unzureichend und ein Witz.”

Unterdeckung weil zustehende Leistungen nicht voll gezahlt werden

Hinzu kommt, dass einem erheblichen Teil der Leistungsberechtigten noch nicht einmal alle eigentlich zustehenden Leistungen gezahlt werden.

Rund 450.000 Haushalte bekommen etwa 87 EUR monatlich nicht an Unterkunftskosten gezahlt, in einzelnen Kommunen beträgt die Unterdeckung weit mehr, so beim Jobcenter Ebersberg durchschnittlich 234,84 EUR im Monat, in München 213,13 EUR und in Dachau 198,47 EUR. Es werden nämlich pro gekürztem Haushalt an Kosten der Unterkunft bei den Betroffenen nicht anerkannt.

Heizkosten werden oft nicht in voller Höhe gezahlt

In rund 100.000 Haushalten werden zudem nicht die vollen Heizkosten übernommen. Zusätzlich finden 100.000-fach Aufrechnungen von Darlehen und Erstattungs- und Ersatzleistungen von bis zu 30 % des Regelsatzes, also bis 134,70 EUR, statt.

Existenzminimum wird unterschritten

Es zeigt sich, dass in vielen Fällen noch nicht einmal das „Existenzminimum“ zur Auszahlung gebracht wird. “Durch diese Nichtberücksichtigung tatsächlicher Kosten, Aufrechnung und Geltendmachung sonstiger Forderungen wird die Existenz nicht mehr vertretbar drastisch unterschritten”, mahnt daher Thomé.

Betroffenenorganisation fordert Kürzungsmoratorium

Aus diesem Grund fordert Tacheles von der Bundesregierung ein Kürzungsmoratorium. Es dürften keine Kürzungen der Unterkunft und Heizung mehr stattfinden. Zudem sollte “eine Aussetzung aller Aufrechnungen von Darlehen und keine Aufrechnungen von Ersatz- und Erstattungsansprüchen mehr stattfinden”.

Das Moratorium müsse auch bei der Geltendmachung von Forderungen über die Forderungseinzugsstellen der Bundesagentur für Arbeit und der Einzugsstellen der kommunalen Jobcenter ausgeweitet werden.

“Dieses umfassende Kürzungsmoratorium muss sofort einsetzen und sollte mindestens bis Ende 2023 gelten. Das geht nur durch Gesetzesänderung, daher ist hier und heute die Politik gefragt”, mahnt Thomé.

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