Hartz IV: Rassistische Diskriminierung ist in den Jobcentern auf der Tagesordnung

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Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat heute anlรคsslich der Internationalen Woche gegen Rassismus die Auswertung einer Umfrage bei 400 Beratungsstellen zu den Schwierigkeiten von EU-Bรผrgern bei der Durchsetzung von Leistungsansprรผchen bei den Jobcentern verรถffentlicht. Mit erschreckenden Ergebnissen.

Zugang zu Sozialleistungen ist nicht diskriminierungsfrei gewรคhrleistet

In der Auswertung der Bundesarbeitsgemeinschaft, der Verbรคnde wie der Paritรคtische Gesamtverband, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland angehรถren, รผber den Zeitraum Juni 2019 bis Juni 2020 zeigt, dass eine deutliche Ungleichbehandlung gegenรผber auslรคndischen EU-Bรผrgern in den Jobcentern gang und gรคbe ist.

  • Die Hรคlfte der Beratungsstellen berichtet, dass (vor allem osteuropรคische) EU-Bรผrger bereits im Eingangsbereich abgewiesen werden โ€“ oftmals ohne Begrรผndung oder mit Verweis auf fehlende Deutschkenntnisse.
  • EU-Bรผrger werden mit besonders hohen formalen Anforderungen konfrontiert, die bei deutschen Anspruchstellern nicht angewandt werden.
  • Aufstockungen werden trotz Erwerbstรคtigkeit verweigert, Frauen in Mutterschutz oder Elternzeit wird der Arbeitnehmerstatus abgesprochen, insbesondere unverheiratete Eltern sind hiervon betroffen. Hintergrund ist eine interne Arbeitshilfe der Bundesagentur fรผr Arbeit zur โ€žBekรคmpfung von bandenmรครŸigem Leistungsmissbrauch im spezifischen Zusammenhang mit der EU-Freizรผgigkeitโ€œ, in der in einer frรผheren Fassung sogar explizit Angehรถrige bestimmter Nationalitรคten oder ethnischer Gruppen als besonders verdรคchtig gebrandmarkt worden waren.
  • Die Hรคlfte der Beratungsstellen berichtet, dass ergรคnzende SGB II-Leistungen bei Betroffenen im Niedriglohnsektor abgelehnt wurden.
  • Fast 60 Prozent der Einrichtungen berichten, dass verweigerte Sozialleistungen die Betroffenen in die Obdachlosigkeit gefรผhrt haben. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, sinken die Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt drastisch, unter anderem auch, weil der Zugang zu Integrations- und Sprachkursen massiv erschwert wird.

Verbรคnde kritisieren rechtswidrige Diskriminierung โ€“ Bundesagentur weist Kritik ab

โ€žDiese Erkenntnisse sind alarmierend. Es darf nicht sein, dass Bรผrgerinnen und Bรผrger der EU daran gehindert werden, ihnen nach dem Gesetz und dem EU-Recht zustehende Leistungen zu beantragenโ€œ, sagte der BAGFW-Vizeprรคsident Jens Schubert (AWO). Ulrich Schneider, Hauptgeschรคftsfรผhrer des Paritรคtischen Gesamtverbands, warnte vor strukturellem Rassismus in den Jobcentern.

Wรคhrenddessen wies die Bundesagentur die Kritik zurรผck. Es haben 2020 lediglich 17 Beschwerden wegen Diskriminierung und gleichzeitig etwa 500 Fรคlle von bandenmรครŸigem Leistungsmissbrauch gegeben. So wichtig die Ahndung von tatsรคchlichem Leistungsbetrug auch sein mag, so unwahrscheinlich ist eine hohe Beschwerdezahl gegen ein restriktives und diskriminierendes System, auf welches die Betroffenen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

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