Hartz IV: Keine Alg II-Kürzung wg Krankenhausessen

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Keine Arbeitslosengeld II (ALG II)-Kürzung wegen Krankenhausessen. Tacheles e.V. rät Widerspruch einzulegen!

Durch die gestrige Entscheidung des Bundessozialgerichts fühlt sich der Erwerbslosen- und Sozialverein Tacheles e.V. in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Er ruft Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) auf, bei einer Kürzung der Leistungen aufgrund eines Krankenhausaufenthalts sofort Widerspruch einzulegen. Bei Altfällen kann die Leistung über einen Überprüfungsantrag zurückgefordert werden.

In der Entscheidung vom 18.06.2008 (Az. B 14 AS 22/07 R) erklärte der 14. Senat des Bundessozialgerichts die Anrechnung der Krankenhausverpflegung an das Alg II für rechtswidrig. Demnach ist weder die Anpassung der (starren) Regelleistung an eine verringerte Bedarfslage noch die Anrechnung der Vollverpflegung einer stationären Einrichtung als Einkommen erlaubt. Der Klägerin, die für die Zeit eines Krankenhausaufenthalts Anfang 2006 die Alg II-Leistung um 35% gekürzt bekam, wurde nun durch das höchste Sozialgericht der volle Leistungssatz zugesprochen.

„Dieses Urteil stärkt die Position der Leistungsbezieher und entspricht auch der Lebenswirklichkeit. Dass ein Aufenthalt im Krankenhaus für Kranke und ihre Bedarfsgemeinschaft eine Ersparnis darstellt, die eine Kürzung rechtfertigt, stößt bei Betroffenen auf Unverständnis und Empörung“, erklärt Harald Thomé vom Verein Tacheles. Nicht nur die mehrheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte, auch der Petitionsausschuss des Bundestages hatte im vergangenen Jahr die Abkehr von dieser unglücklichen und unzulässigen Regelung gefordert. Nicht nachzuvollziehen ist daher, dass Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) noch im Dezember 2007 eine Verordnung erließ, die eine Anrechnung der Krankenhauskost unter „Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit“ erneut vorsieht.

„Damit hat er die von der Fachwelt geäußerten grundsätzlichen Bedenken gegen die Anrechnung bei Krankenhaus- und Kuraufenthalten mit einem Handstreich vom Tisch gefegt“, stellt Thomé fest. Die neue Regelung enthält zudem eine Reihe handwerklicher und rechtlicher Fehler, die in der Praxis absurde Folgen haben und je nachdem, ob ein stationärer Aufenthalt am Monatsanfang oder in der Monatsmitte beginnt, zur Ungleichbehandlung von Betroffenen führen.

„Auch die neue Verordnung von Herrn Scholz ist rechtswidrig, da das Ministerium nicht ohne Beteiligung des Parlaments festlegen kann, was beim Alg II als Einkommen zählt“, fasst der Vertreter von Tacheles die Kritik zusammen. „Außerdem verstößt sie gegen den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Gleichbehandlung.“ Auch in der Praxis ist die Neuregelung derart sperrig, dass die Alg II-Behörden sie meist nur fehlerhaft umsetzen, wie bereits zahlreiche Erfahrungen aus der Sozialberatung belegen.
Nicht zuletzt diese Gründe mögen die Richter am Bundessozialgericht bewogen haben, „erhebliche Bedenken“ zu äußern, dass die neue Regelung zur Anrechnung von Krankenhauskost überhaupt rechtmäßig ist. Obwohl er in der Klage aus dem Jahr 2006 noch nicht über die neue Alg II-Verordnung zu entscheiden hatte, hat der 14. Senat bereits eine deutliche Ansage an das Arbeitsministerium und die Arbeitslosengeld II-Behörden vor Ort gemacht.

Das aktuelle Urteil nimmt der Erwerbslosenverein Tacheles zum Anlass, Betroffene zum Widerspruch aufzurufen, wenn die Leistung wegen des Krankenhausaufenthalts weiterhin gekürzt werden. „Aus Mitteleinspargründen ist es wahrscheinlich, dass einige ARGEn/Jobcenter die BSG Entscheidung nicht sofort umsetzen. Bei Altfällen hat die ARGE/Jobcenter zu Unrecht gekürztes oder zurückgefordertes Geld an die Betroffenen zurückzuzahlen. Hier ist es ratsam einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen. Die Behörde muss dann gekürzte ALG II – Leistungen bis zu 4 Jahre rückwirkend nachzahlen. Wegen vorgeblicher Überzahlung von der ARGE/Jobcenter zurückgeforderte Gelder sind selbstverständlich ebenfalls an den Betroffenen wieder zurückzuzahlen. Allerdings, geschenkt wird den Betroffenen nichts“, so Thomé weiter, „es müssen Überprüfungsanträge gestellt werden und ggf. Beratungsstellen/ Anwälte hinzugezogen werden“. (Frank Jäger, Tacheles e.V., 19.06.2008)

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