Hartz IV Bezieher ohne Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die Jobcenter gleichen regelmäßig sensible Daten mit anderen Behörden ab. Das passiert automatisiert und ohne konkreten Verdachtsmoment. Ein Hartz IV Bezieher aus Bochum hatte vor dem Bundessozialgericht in Kassel geklagt, weil die Hartz IV-Behörde viermal pro Jahr seine Daten mit dem Bundeszentralamt für Steuern. Der Kläger sieht einen massiven Eingriff in das Recht der informationellen Selbstbestimmung. Das sieht das Bundessozialgericht ebenso. Dennoch sei dieser Eingriff verfassungskonform und gerechtfertigt, so die Richter (Az.: B 4 AS 39/14 R).
Das Bundessozialgericht hatte heute zu entscheiden, wie sehr die Jobcenter sensible Daten von Hartz IV Betroffenen mit anderen Behörden abgleichen dürfen. Die Bundesagentur für Arbeit sagt, dass dadurch Kapitalerträge entdeckt werden, die zuvor eventuell nicht ordnungsgemäß angegeben wurden. Das bedeutet, dass alle Hartz IV Bezieher unter einen Generalverdacht gestellt werden. Doch das Bundessozialgericht sieht das anders. Die Regelung sei "geeignet, erforderlich und angemessen", entschied das Gericht. Der Datenabgleich diene einer Vermeidung des Hartz IV Leistungsmissbrauchs und somit dem Gemeinwohl.
Der Kläger berichtete, dass das Jobcenter Bochum vier mal pro Jahr einen solchen Abgleich vornimmt. Die Jobcenter wollen so Lohnzahlungen oder Zinserträge entdecken. Der Rechtsanwalt sagte, ein solches Vorgehen ohne Verdacht sei unverhältnismäßig. Diese Regelung verdächtig alle Hartz IV-Bezieher pauschal, ohne dass ihnen etwas vorzuwerfen wäre.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat die Revision des Klägers gegen die negativen Entscheidungen der Vorinstanzen zurückgewiesen. Er ist davon ausgegangen, dass die Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Normenklarheit genügen, weil der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der Ermächtigung ausreichend bestimmt festgelegt sind. Datenabgleiche mit dem Bundeszentralamt für Steuern auf der Grundlage des § 52 Abs 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit der Grundsicherungs-Datenabgleichsverordnung verstoßen auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dienen der Vermeidung des Leistungsmissbrauchs und damit einem Gemeinwohlbelang, dem eine erhebliche Bedeutung zukommt. Der Abgleich ist auch geeignet, erforderlich und angemessen, um die beschriebenen Zwecke zu erreichen. Den Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung steht ein nur begrenzter Einblick in die persönliche Sphäre des SGB II-Berechtigten gegenüber, weil lediglich einzelne Daten zur Einkommens- und Vermögenssituation des Leistungsberechtigten abgeglichen und – mit Ausnahme des jahresbezogenen Abgleichs zum 1. Oktober – nur im vorangegangenen Kalendervierteljahr an das Bundeszentralamt übermittelte Daten einbezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber muss nicht allein auf die Angaben von Sozialleistungsbeziehern abstellen, sondern kann ein verhältnismäßig ausgestaltetes Überprüfungsverfahren vorsehen. (sb)
Bild: Martin Bergien / pixelio.de
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