Hartz IV: Immer beachten bei einer Eingliederungsvereinbarung

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Wer Hartz IV beantragt und bezieht, wird seitens des Jobcenters mit einer Eingliederungsvereinbarung konfrontiert. Diese sollte niemals unbedacht einfach unterschrieben werden. Stattdessen ergeben sich Möglichkeiten, die Vereinbarung für sich selbst zu nutzen. Das muss allerdings verhandelt werden. Wir zeigen, worauf es ankommt.

Um die “Eingliederung” zu unterstützen, gibt es die Eingliederungsvereinbarung. Im Unterschied zum Verwaltungsakt ist hier das Jobcenter – also der Sachbearbeiter – “gezwungen”, mit dem Hartz-IV-Bezieher in Verhandlung zu treten.

Damit liegt Verwaltungshandeln offen zu Tage – leider nur theoretisch. Denn der Hilfebedürftige verfügt in der Regel über eins nicht, worüber der Sachbearbeiter verfügt. Und das ist rechtliches Wissen um die Materie.

Jobcenter unternehmen Profiling

Grundlage allen Handelns ist die Kenntnis der Ausgangssituation. Deshalb steht zu Beginn der Arbeit des Vermittlers das Profiling.

Hier werden alle Stärken und Schwächen des Hartz-IV- Beziehers qualifiziert ermittelt. Der Betroffene arbeitet daran aktiv mit. Da der Vermittler in der Regel für solch eine Tätigkeit nicht ausgebildet ist, werden dafür auch Leistungen von Dritten herangezogen.

Im Einzelnen geht es darum, Ihre Verfasstheit in den Bereichen Qualifikation, Leistungsfähigkeit, Motivation und die sog. Rahmenbedingungen Ihrer Person und die Arbeitsmarkt-/Ausbildungsmarktbedingungen möglichst genau zu beschreiben.

Merke: Ohne qualifiziertes Profiling ist hier schon Ende der Fahnenstange. Das Jobcenter kann keine begründeten Entscheidungen mehr treffen. Jede Eingliederungsvereinbarung ohne vorliegendes Profiling ist unbegründet. Der Kampf um das qualifizierte Profiling ist der erste Kampf, den man bestehen muss.

Tipp 2

Das Profiling hat es an den Tag gebracht. Der Vermittler ordnet Sie gemäß des sog. 4-Phasenmodells Profillagen zu. Zur Zeit sind dies:

1. Integrationsnahe Profillagen

Marktprofil – Integration wahrscheinlich innerhalb von 6 Monaten;: Aktivierungsprofil – Qualifikation wird am Arbeitsmarkt nachgefragt Integration s.o.; einziges Problem: Motivation.

Förderprofil – Integration wahrscheinlich innerhalb von 12 Monaten; einziges Problem: Qualifikation ODER Leistungsfähigkeit ODER Rahmenbedingungen.

2. Komplexe Profillagen (also im Klartext: NICHT- integrationsnahe Profillagen)

Entwicklungsprofil – Integration wahrscheinlich in mehr als 12 Monaten; Probleme bei: (Qualifikation ODER Leistungsfähigkeit ODER Rahmenbedingungen) UND (weiteres Problemfeld ODER verstärktes Problemaufkommen im Schwerpunkt).

Stabilisierungsprofil – Integration wahrscheinlich innerhalb von 12 Monaten;

Probleme bei: Leistungsfähigkeit UND (mindestens in zwei weiteren Bereichen ODER verstärktes Problemaufkommen im Schwerpunkt).

Unterstützungsprofil – Integration innerhalb von 12 Monaten unwahrscheinlich.

Probleme bei: Rahmenbedingungen UND ( mindestens in zwei weiteren Bereichen ODER verstärktes Problemaufkommen im Schwerpunkt).

Ins Auge fällt die prinzipielle Ausrichtung der Integration auf einen Zielberuf/Zieltätigkeit oder aber die Integration in geförderte Beschäftigung. Der Vermittler hat eine Berechnungshilfe Arbeitsmarktchancen! Fragen Sie nach Ihren Werten für ihren Beruf in ihrer Region/Ihrem Land!

Hinweis:

Frühere Einteilung nach Betreuungsstufen:

* I – integriert
* IN – integrationsnah
* IK – integrationskritisch
* IG – integrationsgefährdet
* IF – integrationsfern

Merke:
Fordern Sie Ihre Profillage und die errechnete Arbeitsmarktchance vom Vermittler ab. Er hat das im Computer stehen. So gewährleisten Sie, dass Sie die spätere Förderleistung in der Eingliederungsvereinbarung auf Sinn prüfen können. Der Kampf um Kenntnis der Profillage ist der zweite Kampf, den Sie bestehen müssen. Das alles war noch Vorgeplänkel. Zur richtigen Schlacht kommt es erst jetzt.

Tipp 3:

Was den schlechtesten Baumeister vor der Biene auszeichnet ist, dass er ein Bild von der Wabe im Kopf hat, bevor er sie in Wachs baut. Da die Veränderung eines Menschen seine Zeit braucht, die in der Regel länger ist, als sechs Monate, hat die Bundesagentur für Arbeit die Argen angehalten, für jeden Leistungsberechtigten ein Betreuungskonzept zu erstellen.

In diesem Konzept soll die Entwicklung des Betroffenen gedanklich vorweg genommen werden. Dieses Konzept bildet den Rahmen für alle folgenden Eingliederungsvereinbarungen. Natürlich kann dieses Konzept im Laufe seiner Abarbeitung präzisiert werden. Es hat ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Hilfebedürftigen zu entstehen.

Merke: Ohne Eingliederungskonzept ist jede Eingliederungsvereinbarung willkürlich und unbegründet. Denn solch eine Eingliederungsvereinbarung geht am Bedarf des Hilfebedürftigen vorbei. Der Kampf um das richtige Betreuungskonzept/ Integrationskonzept ist der dritte Kampf, den Sie bestehen müssen.

Tipp 4:

Was ist in Eingliederungsvereinbarungen nicht weiter hilft:

Wir unterbreiten Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. Dieses Angebot ist unbestimmt und außerdem nicht einforderbar. Die Stellenvermittlung gehört zu den Pflichtaufgaben und muss deshalb auch nicht durch Vertrag gesondert geregelt werden.

Ich merke Sie für …..(Arb.Gel./ Qualifiz./ usw.usf) vor. Dieses “Vormerken” ist unbestimmt, weil keine konkrete Leistung daraus resultieren muss, kann also nicht Vertragsgegenstand sein. Wir unterstützen Sie durch Übernahme der Bewerbungskosten auf vorherige Antragstellung…Bewerbungskosten KÖNNEN bis…übernommen werden.

Diese “Leistung” ist Bestandteil des SGB III. Um sie in Anspruch zu nehmen, bedarf es ebenfalls keines gesonderten Vertrages, sondern nur des Antrages des Hilfebedürftigen.

Außerdem ist das eine Kann-Bestimmung. Das heißt: wiederum nicht einforderbar. Die Kostenübernahme verringert auch nicht die Hilfebedürftigkeit, da es sich um eine Aufwandsentschädigung handelt, die erst greift, wenn durch Bewerbungskosten die Hilfebedürftigkeit erst einmal erhöht wird.

“Wir unterstützen Sie durch Übernahme der Fahrkosten zu Vorsstellungsgesprächen auf vorherige Antragstellung…”
Auch diese “Leistung” ist eine Leistung aus dem SGB II. Sie steht damit allen Arbeitssuchenden prinzipiell offen und muss nicht gesondert vereinbart werden. Auch diese Leistung ist eine Aufwandsentschädigung.

“Wir schlagen ihnen eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der XXX-Gesellschaft vor.”
Dieser Vorschlag ist unbestimmt. Bei Ein-Euro-Jobs müssen die Rahmenbedingungen genau beschrieben sein. Ein Verweisen an einen Träger mit dem Hinweis, dass dieser dann alles weitere festlege, ist rechtswidrig.

Achtung!
Wenn solcherart “Hilfen” die einzigen sind, kann die Eingliederungsvereinbarung als erledigt zu den Akten gelegt werden – als corpus delicti für spätere Rechtsstreitigkeiten.

Solch ein Schreiben niemals unterschreiben, sondern schriftlich Ablehnungsgründe benennen! Der Inhalt der Eingliederungsvereinbarung wird ausgehandelt. Das ist die schwierigste Phase für den Hilfebedürftigen. Eine qualifizierte Eingliederungsvereinbarung muss begründet sein. Das kann sie nur sein, wenn Profiling und Eingliederungskonzept vorliegen.

Auch das Ziel der Eingliederungsvereinbarung muss sich aus dem Stand der Abarbeitung des Eingliederungskonzeptes ergeben. Weiter dürfen nur Hilfeleistungen angeboten werden, die konkret sind und über die der Sachbearbeiter selbständig entscheiden kann.

Die Eingliederungsvereinbarung muss einen Bezug zum Profiling erkennen lassen: Einerseits den Hartz-IV-Betroffenen in “Stabilisierungsbedarf” einzustufen, ihm andrerseits nur finanzielle Unterstützung bei Bewerbung und Fahrtkosten zuzugestehen ist z. B. widersinnig.

Die Eingliederungsvereinbarung darf nicht länger als sechs Monate gelten. Eine Ausnahme davon ergibt sich nur bei Eingliederungsmaßnahmen, die ihrerseits länger als sechs Monate währen. Erfahrungsgemäß sind in einer Eingliederungsvereinbarung die Leistungen an Sie wesentlich unkonkreter gehalten, als die Forderungen an Sie.

Merke:
Mit der Einforderung von konkreten Leistungen für sich selbst entscheiden Sie, ob Sie von der Arge tatsächliche Hilfe bekommen oder ob da bloß ein Vermittler seinen Papierkrieg pflegt.

Um das gewissenhaft zu prüfen, unterschreiben Sie niemals sofort die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung, sondern nehmen sie diese mit nach Hause. Dort können Sie Vertraute zu Rate ziehen oder sich an unsere Hartz-IV-Info wenden.

Der Kampf um die richtigen Inhalte der Eingliederungsvereinbarung ist der vierte und schwierigste Kampf, den Sie bestehen müssen.

Tipp 5:

Nach Ablauf der ersten Eingliederungsvereinbarung wird festgestellt, ob die Ziele der EGV erreicht wurden oder nicht. Wenn das nicht der Fall ist, dann sind die Ursachen zu analysieren und das als Ausgangspunkt für die neue Eingliederungsvereinbarung in dieser festzuhalten. Für die neue Eingliederungsvereinbarung gilt wieder Tipp Nr. 4.

Merke:
Jede abgelaufene Eingliederungsvereinbarung endet mit einem Ergebnis. Ist das Ergebnis das gewünschte, ist im Integrationskonzept weiter zu gehen.

Ist das Ziel der EGV nicht erreicht, ist auch das Integrationskonzept zu überprüfen. Der Kampf um die Auswertung der Eingliederungsvereinbarung, gleichzeitig Kampf für die Fortschreibung sinnvoller Hilfen durch die Arge, ist der fünfte Kampf, den Sie bestehen müssen. (Quelle: Gegenwind e.V.) Vergessen Sie nie! Die Pflichten der Arge an Ihnen – das sind Ihre Rechte!

Sollten die hier angeführten Inhalte nicht Ausgangspunkt Ihrer Eingliederungsvereinbarung sein, so haben Sie damit gleichzeitig die Ablehnungsgründe, die sie dem Jobcenter schriftlich zukommen lassen müssen. Sollte trotzdem ein ersetzender Verwaltungsakt entstehen, können sie dagegen Widerspruch einlegen.

Ermutigung:

Wenn Sie sich schon entschieden haben, sich gegen widerrechtliche Praktiken der Jobcenter beim Entstehen der Eingliederungsvereinbarung zur Wehr zu setzen – und nur dafür ist dieser Text – dann sollten Sie möglichst mit einem Beistand zum Jobcenter.

Hilfe suchen

Wichtig ist, dass der Beistand Ahnung von der Materie hat. Wer niemanden kennt, wendet sich am Besten an eine unabhängige Beratungsstelle oder an unser Forum.