Hartz IV: Ab jetzt wieder Sanktionen

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Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Sanktionen gegen Hartz IV Bezieher vorrübergehend eingestellt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat nunmehr eine neue Weisung an die Jobcenter herausgegeben, nach der nunmehr Leistungskürzungen aufgrund von Verstößen wieder eingeführt werden sollen. Sozialverbände reagieren empört.

Sanktionen trotz steigender Infektionszahlen

In einigen Orten Deutschlands steigen nach einem Abflauen der Infektionsraten wieder die Corona-Fallzahlen. Dennoch hat in Absprache mit dem Bundesarbeitsministerium die BA eine neue Weisung an die Jobcenter herausgegeben, nach der wieder Leistungskürzungen als Strafe bei “Vergehen” wieder eingeführt werden soll.

Jobcenter wieder geöffnet

Die Bundesagentur begründet diesen Schritt mit den Wiedereröffnungen der Jobcenter, nachdem diese im April 2020 flächendeckend zum Infektionsschutz geschlossen wurden. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen wurden nicht nur die Jobcenter geschlossen, sondern auch Weiterbildungseinrichtungen.

Sanktionen bei Verstößen gegen Auflagen

Sanktionen sind sogenannte Strafmaßnahmen, die das Jobcenter verhängt, wenn Leistungsbezieher angebliche Pflichtverstöße begehen. Die häufigsten Gründe für Sanktionen sind:

  • sog. Meldeversäumnisse, wenn verpflichtende Termine beim Jobcenter nicht wahrgenommen werden.
  • Weigerung eine bestimmte Arbeit anzutreten
  • Mangelnde Mitwirkung bei der Stellensuche

Nicht mehr als 30 Prozent sanktionieren

Nach dem Urteil am Bundesverfassungsgericht dürfen Jobcenter allerdings nicht mehr als 30 Prozent der regulären Leistungen kürzen. Dennoch sind die Jobcenter teilweise dazu übergegangen, Totalsanktionen in Form einer Leistungseinstellung umzusetzen. Wir hatten bereits mehrmals über solche Vorgänge berichtet.

Das Jobcenter darf nur eine Meldeaufforderung versenden, wenn Sie einem der folgenden Zwecke dient:

  • Berufsberatung
  • Arbeitsvermittlung
  • Vorbereitung auf die Teilnahme an aktiven Arbeitsförderungsleistungen
  • Entscheidungsfindung im Leistungsverfahren
  • Prüfung der Voraussetzungen für den Erhalt von Hartz IV
  • Ärztlicher oder psychologischer Untersuchungstermin

Die Einladung zum Termin muss schriftlich erfolgen und eine Rechtsfolgenbelehrung beinhalten, aus der hervorgeht, welche Konsequenzen ein unentschuldigtes Fernbleiben hat. Erscheint der Leistungsberechtigte dennoch nicht zu einem Pflichttermin, ist das Jobcenter berechtigt eine Sanktion in Form einer Leistungskürzung in Höhe von 10 % zu verhängen.

Wohlfahrtsverband reagiert mit Empörung

Mit Empörung reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband auf eine aktuelle Weisung der Bundesagentur für Arbeit, nach der Jobcenter ab sofort grundsätzlich wieder Sanktionen gegen Hartz IV-Beziehende verhängen dürfen. Sanktionen waren mit der coronabedingten Schließung der Jobcenter ausgesetzt worden und sollen nun mit der schrittweisen Öffnung für Publikumsverkehr wieder aufgenommen werden.

Der Verband erinnert mahnend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, das die Sanktionspraxis grundlegend in Frage gestellt hatte. Die durch das Urteil notwendig gewordene gesetzliche Neuregelung steht bis heute aus. Aus Sicht des Verbandes sind die Sanktionen inhuman und in der Sache nicht zu rechtfertigen. Der Paritätische spricht sich für eine ersatzlose Streichung aus.

Sanktionen treiben Menschen ins Elend

“Sanktionen sind kontraproduktiv und treiben Menschen ins Elend. Es zeugt schon von außergewöhnlicher Kaltherzigkeit oder aber Lebensferne, wenn Menschen in der Grundsicherung trotz der offensichtlichen coronabedingten Mehrbedarfe nicht nur nach wie vor finanzielle Soforthilfe verweigert, sondern nun auch noch mit Leistungskürzungen gedroht wird”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Statt bürokratischer Drangsalierung brauchen die Ärmsten dieser Gesellschaft endlich konkrete Hilfe.”

Verband fordert Anhebung der Regelsätze

Der Paritätische unterstreicht seine Forderung nach einer bedarfsgerechten Anhebung der Regelsätze und der kompletten Abschaffung von Sanktionen. „Es wird höchste Zeit, dass wir diese antiquierte Rohrstockpädagogik aus dem vorletzten Jahrhundert überwinden und zu einem den Menschen zugewandten sanktionsfreien Hilfesystem gelangen“, so Schneider.

Der Verband kündigt für die kommende Woche den Auftakt einer gemeinsamen Kampagne mit Sanktionsfrei e.V. an, um politisch Druck für eine menschenwürdige Grundsicherung zu machen.