Paukenschlag: Schufa muss 3000 Euro Schadensersatz zahlen – Schulden

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Die Schufa Holding AG steht so stark unter Druck wie nie zuvor: innerhalb von anderthalb Jahren haben nationale Gerichte und der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Reihe von Urteilen gefällt, die das Geschäftsmodell der größten deutschen Auskunftei grundlegend in Frage stellen.

Spätestens seit das Landgericht Bayreuth einer Kundin 3 000 Euro immateriellen Schadenersatz zusprach und die Offenlegung sämtlicher Berechnungsgrundlagen ihres Bonitätsscores verlangte, dürften Transparenz und Datensparsamkeit für die Schufa zur Existenzfrage geworden sein.

Der erste Dammbruch: Luxemburg

Ausgangspunkt der Entwicklung war ein Urteil des EuGH in der Rechtssache C-634/21. Die Luxemburger Richter stellten klar, dass die automatisierte Erstellung und Weitergabe eines Bonitätsscores eine „Entscheidung im Einzelfall“ im Sinne von Artikel 22 DSGVO darstellt, wenn Dritte (etwa Banken oder Mobilfunkanbieter) diesen Wert zur vollautomatischen Vertragsentscheidung nutzen. Ohne nachträgliche menschliche Prüfung ist ein solches Verfahren unzulässig.

Mehr Transparenz als Grundrecht

Nur 14 Monate später präzisierte der EuGH in der Rechtssache C-203/22 seine Linie: Betroffene haben Anspruch auf „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ des Scorings.

Die bloße Nennung abstrakter Faktoren genügt nicht; Auskunfteien müssen im Einzelfall erläutern, welche konkreten Daten herangezogen und wie sie gewichtet wurden. Geschäftsgeheimnisse haben hier zurückzutreten, sofern sie eine wirksame Rechtewahrnehmung verhindern würden.

Nationale Gerichte folgen: Das Ende der Drei-Jahres-Frist

Das Oberlandesgericht Köln erklärte am 10. April 2025, die langjährige Praxis, erledigte Negativmerkmale noch drei Jahre zu speichern, sei mit der DSGVO unvereinbar. Sobald ein Gläubiger die vollständige Tilgung bestätigt, fehle jede Rechtsgrundlage für eine weitere Speicherung.

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Erste Instanzen setzen um

Nur eine Woche später schloss sich das Landgericht Aachen dem Kölner Urteil an und verpflichtete die Schufa, den Eintrag eines Verbrauchers sofort zu löschen und den Score neu zu berechnen.

Rechtswidriges Vollautomatismus: Landgericht Bamberg

Am 26. März 2025 ging das Landgericht Bamberg noch weiter: Es erklärte das vollautomatisierte Scoring generell für rechtswidrig, wenn keine individuelle menschliche Kontrolle erfolgt. Der Kläger erhielt 1 000 Euro Schadenersatz – ein wichtiges Signal, dass immaterielle Schäden nach Artikel 82 DSGVO auch in Deutschland messbar werden.

Paukenschlag in Bayreuth: Offenlegungspflicht und 3 000 Euro Entschädigung

Im Mai 2025 verhängte das Landgericht Bayreuth den bislang höchsten immateriellen Schadensersatz. Die Richter verlangten nicht nur die komplette Offenlegung der individuellen Score-Berechnung, sondern stellten fest, dass der Ablehnungsautomatismus ohne menschliche Beteiligung gegen Artikel 22 DSGVO verstößt.

Die Auskunftei müsse künftig exakt benennen, welche einzelnen Rohdaten in den Score eingeflossen seien und mit welchem Gewicht.

Automatisierte Entscheidungen unter Artikel 22 DSGVO

Die Urteile knüpfen alle an denselben Zentralbegriff an: „vollautomatisierte Entscheidung ohne menschliches Eingreifen“.

Der EuGH hat klar gemacht, dass ein solcher Prozess nur zulässig ist, wenn Betroffene ausdrücklich zustimmen oder wenn nationalstaatliches Recht dies vorsieht – beides trifft auf das klassische Bonitäts-Scoring nicht zu.

Neue Rechte für Menschen mit Schulden und Verbraucher

Wer heute einen ungerechtfertigten Score oder veraltete Negativmerkmale vermutet, kann sich auf ein ganzes Bündel von Ansprüchen berufen: unverzügliche Löschung erledigter Forderungen, detaillierte Auskunft über die Score-Logik und Schadenersatz bei wirtschaftlichen Nachteilen oder emotionaler Belastung.

Für viele Betroffene ist der Gang zum Gericht nicht mehr die Ausnahme, sondern ein realistisches Druckmittel.

Konsequenzen auch für Banken und Mobilfunkanbieter

Auch Kreditgeber und Dienstleister geraten in die Zange. Wer sich allein auf einen intransparenten Schufa-Score stützt, riskiert, dass sein Vertragsentscheid später als verbotene automatisierte Entscheidung eingestuft wird. Einige Institute haben bereits parallel laufende manuelle Prüfstrecken eingerichtet, um Rechtsrisiken zu minimieren.

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Offene Baustellen und Revisionen

Die Schufa hat gegen das Kölner Urteil Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, während andere Oberlandesgerichte an der 36-Monats-Frist festhalten.

Bis der BGH spricht, bleibt die Rechtslage fragmentiert. Dennoch sorgen die EuGH-Vorgaben dafür, dass Transparenz und Datensparsamkeit nicht länger verhandelbar sind. Branchenbeobachter erwarten, dass der Gesetzgeber die europäischen Vorgaben in eine klare nationale Regelung überführt.

Die Serie von Urteilen deutet auf eine Zeitenwende: Bonitätsinformationen bleiben wichtig, doch künftig müssen sie nachvollziehbar, aktuell und überprüft sein.

Die Schufa steht vor der Wahl, ihr Geschäftsmodell grundlegend umzubauen oder jahrelange Rechtsstreitigkeiten zu riskieren. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das mehr Kontrolle über die eigenen Daten und die Chance, Fehlentscheidungen schneller zu korrigieren. Die Rechtsprechung hat Schufa-Scores vom Mythos zum prüfbaren Produkt gemacht – mit allen Konsequenzen für das Kreditwesen in Deutschland.