Rentenberater verursachte geringere Rente – Ausbaden muss es laut Gericht der Rentner

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Viele Rentenberechtigte engagieren oft Rentenberater, um Unterstรผtzung beim Rentenantrag zu erhalten. Doch das kann auch schief gehen, wenn der Rentenberater Fehler macht.

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil (Az. B 5 R 14/23 R) entschieden, dass sich ein Rentner die grob fahrlรคssige Unkenntnis seines eingeschalteten Rentenberaters zurechnen lassen muss.

Im Ergebnis durfte die Deutsche Rentenversicherung einen zu hohen Rentenzahlbetrag rรผckwirkend kรผrzen und 308,19 Euro zurรผckfordern. Das Urteil schafft Klarheit, wann โ€žblindes Vertrauenโ€œ teuer werden kann โ€“ und wann nicht.

Worum ging es?

Der Klรคger, Jahrgang 1950, erhรคlt seit November 2011 eine Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen. Schon im Scheidungsverfahren 1994 war zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgefรผhrt worden: Gut 81 Euro monatliche Rentenanwartschaften wurden auf das Konto der Ex-Ehefrau รผbertragen.

Bei der spรคteren Rentenberechnung vergaรŸ die Rentenversicherung, diesen Abschlag zu berรผcksichtigen. Die Rente fiel dadurch zu hoch aus.

Den Antrag hatte ein professioneller Rentenberater gestellt. Er erhielt den Rentenbescheid vom 8. Mรคrz 2012 direkt zugestellt und hรคtte ihn prรผfen sollen. Erst 2017 fiel der Versicherung der Fehler auf; sie setzte die Rente fรผr November 2011 bis Mรคrz 2012 neu fest, nahm den Bescheid teilweise zurรผck (ยง 45 SGB X) und verlangte 70 Prozent der รœberzahlung zurรผck โ€“ exakt 308,19 Euro.

Versorgungsausgleich โ€“ der unsichtbare Abzug

Beim Versorgungsausgleich werden Rentenanwartschaften zwischen geschiedenen Ehepartnern aufgeteilt.

ยง 76 SGB VI schreibt vor, dass der รผbertragene Anteil als โ€žAbschlag an Entgeltpunktenโ€œ von der spรคteren Rente des Ausgleichspflichtigen abgezogen wird. Wird das vergessen, entsteht ein rechnerisch zu hoher Zahlbetrag. Genau das passierte hier โ€“ der Abschlag von 4,9531 Entgeltpunkten tauchte zwar in einer Anlagenberechnung auf, floss aber nicht in die Summe ein.

Grobe Fahrlรคssigkeit โ€“ was meint das Gesetz?

ยง 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erlaubt Behรถrden, einen begรผnstigenden, aber rechtswidrigen Bescheid auch rรผckwirkend aufzuheben, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlรคssigkeit nicht kannte. Grob fahrlรคssig handelt, wer โ€žschon einfachste, ganz naheliegende รœberlegungenโ€œ unterlรคsst.

Der Rentenberater als โ€žWissensvertreterโ€œ

Neu an dem Urteil ist, dass das BSG die zivilrechtliche Figur des Wissensvertreters ins Sozialrecht รผbernimmt. Wer einen Spezialisten einsetzt, so das Gericht, nutzt dessen Fachkenntnisse zu seinem Vorteil und muss deshalb auch dessen Fehler tragen.

Der Rentenberater war mit einer umfassenden Vollmacht ausgestattet, durfte Bescheide entgegennehmen und musste sie inhaltlich prรผfen. Seine grob fahrlรคssige Unkenntnis, dass der Versorgungsausgleich nicht abgezogen worden war, wird dem Klรคger zugerechnet.

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Warum 70 Prozent Rรผckforderung?

Obwohl der Fehler vollstรคndig beim Versicherten bzw. seinem Berater lag, machte die Rentenversicherung aus Grรผnden des Ermessens nur 70 Prozent geltend. Solche teilweisen Kรผrzungen sind zulรคssig, wenn dies โ€žbilligem Ermessenโ€œ entspricht (ยง 45 Abs. 1 SGB X). Das BSG beanstandete daran nichts.

Entscheidungsweg: Vom Sozialgericht bis nach Kassel

Das Sozialgericht Lรผbeck hatte den Rรผckforderungsbescheid zunรคchst aufgehoben. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein sah das anders und kassierte die erste Instanz. Die Revision des Klรคgers beim Bundessozialgericht blieb erfolglos; gleichzeitig nahm die Deutsche Rentenversicherung einen Teil ihrer Bescheide fรผr spรคtere Zeitrรคume zurรผck, was der Klรคger akzeptierte.

Kostennote: 9/10 erstattet

Trotz des juristischen Unterliegens sprach das BSG dem Klรคger einen erheblichen Teil seiner auรŸergerichtlichen Kosten zu: Die Beklagte muss neun Zehntel ersetzen. Das Gericht berรผcksichtigte dabei offenbar, dass die Rentenversicherung selbst noch wรคhrend des Revisionsverfahrens teilweise eingelenkt hatte.

Was bedeutet das Urteil fรผr Rentnerinnen und Rentner?

Das Urteil mahnt zur Vorsicht: Wer einen Rentenberater, Rechtsanwalt oder anderen Sachkundigen einschaltet, sollte nicht davon ausgehen, damit allen Pflichten enthoben zu sein. Fehler des Profis kรถnnen sich unmittelbar im eigenen Geldbeutel bemerkbar machen.

Gleichzeitig betont das BSG, dass Versicherte weiterhin einen Vertrauensschutz genieรŸen kรถnnen โ€“ aber nur, wenn weder sie noch ihr Wissensvertreter grob fahrlรคssig gehandelt haben.

Wer selbst nicht versteht, wie sich Entgeltpunkte zusammensetzen, ist nicht verpflichtet, Rechenfehler aufzuspรผren. Doch wer einen Experten beauftragt, verlagert diese Verantwortung nicht auf die Rentenkasse.

Ausblick

Rechtsanwรคltinnen, Rentenberater und Steuerberater dรผrften das Urteil aufmerksam lesen. Es zeigt nรคmlich, dass eine sorgfรคltige Prรผfung jedes Renten- oder Bewilligungsbescheids zu den Kernpflichten gehรถrt.

Fรผr Mandanten lohnt es sich, nachzufragen, ob solche Prรผfungen tatsรคchlich durchgefรผhrt werden โ€“ und notfalls die Berufshaftpflicht ins Auge zu fassen, wenn etwas schiefgeht.

Fรผr die Sozialverwaltung schafft das Urteil Rechtssicherheit: Rรผckforderungen bleiben auch Jahre spรคter mรถglich, sofern eine grob fahrlรคssige Unkenntnis auf Seiten des Versicherten oder seines Wissensvertreters vorlag und die Behรถrde die Einjahresfrist ab Kenntnis gewahrt hat.

Fazit

Das Bundessozialgericht hat klargestellt: Fachwissen schafft Verantwortung. Wer einen professionellen Vertreter einschaltet, kann sich nicht auf Unwissenheit verlassen.

Fรผr juristische Laien bedeutet das vor allem eins: Bescheide nicht ungeprรผft wegheften, sondern mit fachkundiger Hilfe lesen โ€“ und sich vergewissern, dass der Fachmann seine Arbeit auch wirklich gemacht hat. Denn am Ende trรคgt der Versicherte das Risiko.