Hallo Soloselbstständige – Ihr seid nicht wertvoller als Hartz IV Bezieher

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Statt Einzelkampf Solidarität – Ein Kommentar

Soloselbstständige beschweren sich bei der Politik, nun doch auf Hartz IV Leistungen angewiesen zu sein. In ihrer Kritik begehen sie einen folgenschweren Fehler. Mancher diffamiert Hartz IV Bezieher und sieht die Menschen selbstverschuldet im Sozialleistungsbezug. Man sei schließlich nicht selbst Schuld an den Folgen der der Corona-Krise, so das Hauptargument.

Statt Hilfen auf Hartz IV angewiesen

Soloselbstständige und Freiberufler sehen sich vom Staat alleingelassen. Die staatlichen Hilfen seien nicht dafür vorgesehen den Lebensunterhalt zu begleichen. Dabei hätten sie “viel geleistet” und seien “wichtig für die Gesellschaft”, konnte man in einem offenen Brief von freischaffenden Künstlern von Kulturschaffenden aus Leipzig lesen. Die Antwort des Staates war, Hartz IV sei dafür geschaffen, um die Existenz zu wahren. Daher müssten Betroffene nunmehr Arbeitslosengeld II beantragen.

Richtig ist, weitere Maßnahmen zur Unterstützung zu fordern. Denn wieder einmal werden vor allem die Großen mit Milliarden gestützt und die Kleinen fallen gelassen. Falsch ist aber das Argument, dass man sich als wertvoller Leistungsträger empfindet, der sich über Hartz IV Beziehende stellt.

Hartz IV ist der eigentliche Skandal

Richtig ist aber auch die Kritik, dass das sog. Sozialschutzpaket nur einen kaschierten Hartz IV Bezug darstellt. Der Skandal ist dabei aber nicht, dass nunmehr Soloselbstständige und Künstler “wertvoller” als Hartz IV Beziehende seien, sondern dass Hartz IV ansich ein Skandal ist.

Denn Hartz IV ist keine Grundsicherung, wie der Staat behauptet. Es ist ein Androhungs- und Strafsystem, dass Menschen, die in die Erwerbslosigkeit rutschen, unter Generalverdacht stellt. Dass Erwerbslose nämlich nicht auf der Straße leben müssen, ist nur mit der Pflicht verbunden Sinnloskurse zu besuchen, schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen und Androhungen von Leistungsentzug zu erdulden. Grundrechte zählen nicht viel und müssen tagtäglich vor den Sozialgerichten dieses Landes immer wieder erneut erkämpft werden.

Trugschluss Hartz V Bezieher seien selbst Schuld

Ein Trugschluss ist zudem, dass Menschen, die vor der Corona-Krise Hartz IV bezogen haben, vielfach selbst verschuldet in die Erwerbslosigkeit geraten sind. Vielfach rutschen Betroffene aufgrund körperlicher, persönlicher oder seelischer Beschwerden ins Unglück. So müssen viele Alleinerziehende Hartz IV beziehen, weil sie aufgrund der Versorgung der Kinder kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Andere haben Jahrzehnte gearbeitet und wurden schwer krank. Nach einer Zeit im Arbeitslosengeld 1 Bezug rutschen sie dann in Hartz IV. Wieder andere sind aufgrund körperlicher oder psychischer Probleme nicht in der Lage auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Die Gründe sind unterschiedlich- die wenigstens haben offensichtlich Schuld am Leistungsbezug.

Doch woher kommt das, dass viele Menschen annehmen, Hartz IV Beziehende seien “faul” und wären selbstverantwortlich für ihre Lage? Vor allem Politiker und einige Medien prägten das Stigma vom “Hartzer” der ein “Sozialschmarotzer” sei und der eben Strafen und Strenge benötige, um in den Arbeitsmarkt gedrängt zu werden.

Arme Menschen besonders von der Krise betroffen

Gerade Hartz IV Beziehende und arme Rentner sind es, die von der Krise besonders betroffen sind. Ihnen fehlt das Geld sich beispielsweise einen Notvorrat anzulegen, wie es das Bundesamt für Katastrophenschutz empfiehlt. Tafeln und Hilfeeinrichtungen haben geschlossen, die den zu gering berechneten Regelsatz sonst immer ausgleichten. Gleichzeitig steigen die Lebensmittelpreise und günstige Nahrungsmittel sind oft vergriffen.

Die Krise könnte auch eine Chance sein

Die jetztige Situation könnte aber auch eine Chance sein. Wenn viele Menschen plötzlich mit Hartz IV in Kontakt kommen, weil sie selbst auf das System angewiesen sind, könnte dies auch in eine Solidarisierung münden. Statt sich von “bisherigen” Hartz IV Beziehern abzugrenzen, könnte eine gemeinsame Forderung im Raum stehen: Eine Grundversorgung, die ohne Strafandrohung und Kleinrechnerei auskommt und dafür sorgt, dass Menschen in Notlagen auch menschenwürdig leben können. Aus diesem Grund: Gegen Hartz IV und für ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen! (Sebastian Bertram)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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