Kurze Arbeitshilfe zur Gegenwehr von Kostensenkungsaufforderungen des Jobcenters/Sozialbehörde SGB II/SGB XII, herausgegeben von gegen-hartz.de.
Zum 1. Januar 2024 ist für viele Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII die sogenannte Karenzzeit in Bezug auf die Kosten der Unterkunft ausgelaufen.
Die Karenzzeit ist ein Zeitraum – in der Regel das erste Jahr im Bezug von Leistungen – in dem die Unterkunftskosten, d.h. die Mietkosten oder die laufenden Kosten für ein Eigenheim, vom Jobcenter oder Sozialamt in tatsächlicher Höhe anerkannt werden.
Nach Ablauf dieser Schonfrist können das Jobcenter/Sozialbehörde verlangen, dass unangemessen hohe Wohn- bzw. Unterkunftskosten auf die angemessene Höhe, die sogenannten Mietobergrenze, abgesenkt werden. Für die Heizkosten gilt das nicht. Dies nennt sich Kostensenkungsverfahren.
Inhaltsverzeichnis
Kostensenkungsaufforderung
Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich – ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (st. Rspr., BSG, Urt. v. 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R – ).
Kostensenkungsaufforderungen müssen nach der Rechtsprechung des BSG für die Bedarfe Unterkunft und Heizung, aber auch für die Warmwasserkosten erlassen werden ( BSG B 4 AS 18/22 R).
JobCenter müssen bei Kostensenkungsaufforderungen lediglich auf eine nach Ansicht des Leistungsträgers als angemessen erachtete Bruttowarmmiete hinweisen, ohne zwischen Grundmiete, “kalten” Nebenkosten und Heizkosten zu differenzieren.
Die Kostensenkungsaufforderung ist eine Anhörung und beinhaltet, welche Mietkosten in welcher Höhe angemessen sind und welche Folgen zu erwarten sind, wenn die Mietkosten nicht gesenkt werden.
Frist 6 Monate ist keine starre Grenze
Ab dieser Kostensenkungsaufforderung werden die bisherigen Mietkosten befristet weiter übernommen, in der Regel bis zu sechs Monaten – wobei die sechs Monate nicht als starre Grenze zu verstehen sind (vgl. nur BSG, B 4 AS 30/08 R).
Voraussetzung für eine wirksame Kostensenkung ist nicht, dass die vom Jobcenter ermittelten und mitgeteilten Werte richtig sind.
Denn die Kostensenkungsaufforderung ist nur ein Angebot an den Leistungsempfänger und ein Einstieg in einen Dialog über die richtige Höhe der Kosten (vgl. BSG vom 30.01.2019 – B 14 AS 11/18 R – ).
Der Streit darüber, ob die vom Leistungsträger/Jobcenter/Sozialamt vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage auszutragen, welche Aufwendungen i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen sind (BSG Rechtsprechung).
Wann muss das Jobcenter/Sozialamt eine neue Kostensenkungsaufforderung verschicken?
Mieten Leistungsberechtigte eine von vornherein zu große und zu teure Wohnung an und vermieten sie im Folgenden zur Kostensenkung einen Teil der Wohnung unter, trifft das Jobcenter nach Beendigung des Untermietverhältnisses keine Pflicht, die Leistungsbezieher über die nunmehr als angemessen angesehenen Unterkunftskosten aufzuklären und der Leistungsgewährung für sechs Monate die tatsächlichen Unterkunftskosten zugrunde zu legen ( so zu mindestens LSG BB L 34 AS 319/19 – ; anderer Auffassung zum SGB XII: LSG Bayern L 8 SO 214/22 -).
Neue Kostensenkungsaufforderung bei Änderung der Bewohnerzahl der Bedarfsgemeinschaft, wie z.B. beim Auszug eines Mitbewohners (vgl. BSG B 14 AS 28/12 R -).
Umgangsrecht mit dem Kind kann bei Wegfall der Voraussetzungen zu einer neuen Aufforderung zur Kostensenkung führen (LSG BB L 34 AS 2245/18 ).
Notwendigkeit der erneuten Kostensenkungsaufforderung nach Unterbrechung des Leistungsbezugs für 6 Monate (LSG BB L 34 AS 224/14)
Zum SGB 12: Eine Kostensenkungsaufforderung muss auch für den nichtleistungsberechtigten Ehegatten (§ 35 Abs 2 Satz 1 SGB XII) ergehen (BSG B 8 SO 7/21 R )
Eine Kostensenkungsaufforderung kann nicht rückwirkend erfolgen ( SG Itzehoe S 29 AS 968/11 ).
Was passiert weiter? Jobcenter/Sozialamt senken die Mietkosten
Wenn die Leistungsbezieher bis zum Ende der Frist in der Senkungsaufforderung keine angemessene Wohnung gefunden haben, Gründe schriftlich vor gebracht haben, weshalb der Umzug z. Bsp. unwirtschaftlich ist oder aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar ist, denn senkt das Jobcenter/Sozialamt die Kosten der Unterkunft und Heizung bzw. Warmwasserkosten auf die – Angemessenheitsgrenze des JC/Sozialamt ab.
Aktualisierungspflicht alle 2 Jahre der Konzepte der Grundsicherungsträger SGB II/SGB XII
Jedes Jobcenter und Kommune muss die Angemessenheitsgrenze selbsttätig fest setzen und dabei die Bedarfe für Kosten und Unterkunft alle 2 Jahre überprüfen und gegebenenfalls anpassen ( SG Berlin S 142 AS 12605/18, BSG B 4 AS 33/16 R).
Wann ist eine Kostensenkung nicht zumutbar?
Eine Kostensenkungsaufforderung ist Voraussetzung für eine Absenkung der tatsächlichen Kosten auf das angemessene Maß (Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 181; Senger/Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 147 ff.).
Erforderlich ist weiterhin, dass die nach Auffassung des Jobcenters angemessenen Kosten genannt werden und eine Frist für die Senkung der Kosten gesetzt wird (Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 181).
Wenn in einer Einsatz- bzw. Haushaltsgemeinschaft die jeweilige Karenzzeit der Mitglieder zu verschiedenen Zeitpunkten endet, ist die Senkung der Aufwendungen für andere Haushaltsmitglieder stets unzumutbar, solange noch bei einer Person der Haushaltsgemeinschaft die Karenzzeit läuft.
Unzumutbar ist zum Bsp. eine veraltete Kostensenkungsaufforderung des JC/Sozialamt, denn spätere Konzepte können nicht als nachgeschobene Gründe für vergangene Kostensenkungsverfahren herangezogen werden (BSG vom 30.1.2019 – B 14 AS 11/18 R – ).
Eine Kostensenkungsaufforderung, die Jahre vor Erarbeitung eines Unterkunftskostenkonzepts an einen Hilfeempfänger gerichtet wird, ist nicht geeignet, in Hinblick auf dieses Konzept eine 6-monatige Regelhöchstfrist in Gang zu setzen (SG Kassel S 14 AS 97/22 – Anschluss an BSG B 14 AS 11/18 R -).
Kostensenkungsaufforderungen sind nicht zumutbar, wenn:
Leistungsberechtigte aus gesundheitlichen Gründen oder wegen des Alters, einer Pflegebedürftigkeit oder einer Behinderung ( LSG NSB L 13 AS 185/23 B ER) nicht umziehen können oder auf ein Wohnumfeld mit entsprechenden Unterstützungsangeboten angewiesen sind ( BSG B 8 SO 7/21 R, LSG BW L 2 SO 3252/22 u. LSG Sachsen – Anhalt L 5 AS 249/23 ).
Zu berücksichtigen sind besondere Umstände wie u.a. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, soweit diese Faktoren nach den Umständen des Einzelfalls Auswirkungen auf den Unterkunftsbedarf haben (vgl. zum Ganzen: Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl. 2024, § 35 Rn. 37 f. und zur Parallelvorschrift im SGB II: Luik in Eicher/Luik/ Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021 § 22 Rn. 106 ff. ).
Ein Träger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende kann die Gewährung von Kosten der Unterkunft nur dann auf das angemessene Maß beschränken, wenn es, so das LSG NRW L 7 B 182/09 AS, dem Leistungsempfänger zumutbar ist, die Kosten der Unterkunft durch einen Wohnungswechsel zu reduzieren. Zur Zumutbarkeit gehören auch gesundheitliche Gründe( kein Aufenthalt in kleinen Räumen – Klaustrophobie ).
Die Senkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch einen Umzug ist wegen Vorliegens einer schweren Erkrankung jedenfalls dann unzumutbar, wenn eine Antragstellerin ausweislich psychologischer Stellungnahmen glaubhaft gemacht hat, dass bei ihr eine deutliche depressive Symptomatik sowie eine Antriebsminderung vorliegen, die eine psychiatrische Behandlung erfordern und dass Suizidtendenzen für den Fall des Verlustes der Wohnung nicht auszuschließen sind ( SG Berlin S 26 AS 14505/08 ER ).
Die Gerichte stellen hohe Anforderungen an den Nachweis der Unzumutbarkeit eines Umzugs. Nicht ausreichend ist,
wenn der Verbleib in der Wohnung nach ärztlichem Attest nur »befürwortet« wird (LSG Berlin-Brandenburg vom 10.7.2007 – L 32 B 823/07 AS ER, abbaubare Ängste)
Als unzumutbar wurde ein Umzug gewertet,
wenn infolge vorangegangener Traumatisierung oder wegen einer psychischen Erkrankung eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch Wohnungswechsel droht (LSG Berlin-Brandenburg vom 5.12.2007 – L 28 B 2089/07 AS ER; vom 28.11.2008 – L 29 B 1944/08 AS ER; vom 1.12.2008 – L 25 B 1774/08 AS ER)
Bei Suizidgefahr (BVerfG vom 27.6.2005 – 1 BvR 224/05; BGH vom 18.12.2008 – VZB 57/08).
Besonderheiten des Einzelfalls müssen vorliegen beim Leistungsempfänger
Liegen solche Besonderheiten vor, können tatsächliche Aufwendungen über das abstrakte Maß hinaus im Rahmen des § 35 Abs. 2 SGB XII angemessen sein und dem Leistungsberechtigten einen Verbleib in der Wohnung ermöglichen (BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 7/21 R -, zum Bürgergeld § 22 SGB II: BSG,Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R -).
Das BSG hat zwar zum inhaltsgleichen § 22 SGB II entschieden, dass eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu einem nach einem schlüssigen Konzept angemessenen Quadratmeterpreis zu finden – abgesehen von Ausnahmefällen – grundsätzlich nicht besteht (hierauf weist auch der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 7/21 R unter Verweis auf das Urteil des 14. Senats des BSG vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R – hin).
Individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt müssen aber nach der Rechtsprechung des BSG bei Kostensenkungsaufforderungen für Bürgergeld/Sozialhilfeempfänger berücksichtigt werden.
Dies gilt aber dann nicht uneingeschränkt, wenn Leistungsberechtigte individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt aufweisen (BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 7/21 R; Lauterbach in Beck Online Großkommentar, SGB II, Stand 89. EL Februar 2023, § 22 Rn. 64; Luthe in Hauck/Noftz SGB II, 1. EL 2024, § 22 Rn. 162 ff.).
Tatsächliche Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Heizung können auch bei Bürgergeld-Empfängern auf Grund des Einzelfalls und seiner Besonderheiten dazu führen, dass der Leistungsempfänger in seiner Wohnung verbleiben kann oder bei einem Wohnungswechsel den verfügbaren angemessenen Wohnraum erweitern ( BSG, Urteil v. 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R – Rz. 36 ).
Jobcenter/Sozialämter müssen die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen
Die Obliegenheit Leistungsberechtigter zur Senkung der Aufwendungen, aus der die Berücksichtigungsfähigkeit der vollen Aufwendungen als Bedarfe regelmäßig nur noch für einen begrenzten Zeitraum folgt, ist keine Folge der abstrakten Unangemessenheit.
Wie § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zeigt, kommt es darauf an, ob die Aufwendungen den “die Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang” übersteigen (B 14 AS 13/12 R ) .
Deshalb ist vorab zu prüfen, ob und wieweit Aufwendungen konkret angemessen sein können, weil relevante Besonderheiten des Einzelfalls vorliegen.
Aufgrund dieser Besonderheiten können tatsächliche Aufwendungen über das abstrakte Maß hinaus im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II angemessen sein und Leistungsberechtigten einen Verbleib in der Wohnung ermöglichen oder bei einem Wohnungswechsel den verfügbaren angemessenen Wohnraum erweitern.
Die Einzelfallprüfung ist auch vorzunehmen, wenn die Angemessenheit in einem ersten Schritt anhand von Werten nach dem WoGG bestimmt worden ist.
Werte nach dem WoGG stellen keine absolute Obergrenze dar
Denn der bei dem Rückgriff auf diese Werte leitende Gedanke der Annäherung an die Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts verdeutlicht, dass sie keine absolute Obergrenze darstellen.
Sondern weiterhin Raum für eine personenbezogene Einzelfallprüfung bleibt (vgl zum Maßstab einer mehrstufigen Einzelfallprüfung BVerfG vom 10.10.2017 – 1 BvR 617/14 -).
Wichtiger Hinweis für Alleinerziehende – vorrangiges Kinderwohngeld
Besonders bei Alleinerziehenden ist zu berücksichtigen, dass wenn die Kinder einen sogenannten, vorrangigen Anspruch auf Kinderwohngeld (BSG B 14 AS 57/19 R) haben, die Kinder kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mehr sind und sich dadurch die kopfanteilige Mietobergrenze für den Rest der Bedarfsgemeinschaft erhöht.
Dadurch kann der Sonderfall entstehen, dass die Mietkosten der Wohnung doch angemessen werden und die Kostensenkungsaufforderung damit nichtig ist.
Kinderwohngeld kommt dann in Betracht, wenn die Alleinerziehende Bürgergeld bezieht und das Kind, welches im gleichen Haushalt wohnt, eigenes Einkommen bezieht und bislang Teil der Bedarfsgemeinschaft ist. Als Einkommen des Kindes werden u.a. Kindergeld, Unterhalt, Unterhaltsvorschuss oder auch Halbwaisenrente angerechnet.
Welche Besonderheiten haben die Gerichte bis heute berücksichtigt
Wenn der Wohnungsmarkt eng ist, sie Besonderheiten des Einzelfalls aufweisen, wie Krankheit, Behinderung, Rollstuhl, Pflegebedürftigkeit, Beschränkung auf Wohnungen im Erdgeschoss oder Parterre aufgrund v. Krankheit, barrierefreie Wohnung aufgrund psychischer Störungen, eingeschränkte Mobilität wegen Krankheit u. Behinderung bei der Wohnungssuche, Schwierigkeiten beim Treppensteigen, wenn die Mutter den schwerbehinderten Sohn durch das Treppenhaus tragen muss, Störungen des Ganges – Merkzeichen G – und vielem mehr, ( Einzelpunkte stammen alle aus den Urteilen zu diesem Thema ) – können Sie im Einzelfall Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Miete haben.
Wann können Jobcenter bzw. Grundsicherungsträger auf die Kostensenkungsaufforderung verzichten – § 22 Abs. 1 S. 10 SGB 2 -?
Eine Absenkung der Mietkosten muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
1. Nach § 22 Abs. 1 S. 10 SGB 2 muss eine Absenkung der nach S. 1 unangemessenen Kosten für die Wohnung und Heizung nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Insoweit besteht die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich u. a. der gesamten Bruttowarmkosten.
2. Der Grundsicherungsträger hat zu prüfen, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Leistungsträger nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte.
3. Die Regelung eines möglichen Absehens von einer Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 S. 10 SGB 2 versetzt den Grundsicherungsträger in die Lage, den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung auch bei der Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu beachten.
Ein im Rahmen dieser Einzelfallentscheidung vermutlich häufiger zu berücksichtigendes Kriterium wird sein, wie lange der Leistungsberechtigte voraussichtlich noch im Leistungsbezug stehen wird.
Ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug in naher Zukunft entweder aufgrund einer Arbeitsaufnahme oder des Eintritts in die Altersrente, eine bevorstehende Erhöhung der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (bei Schwangerschaft) dürften denkbare Aspekte eines Einzelfalls sein, die einen Umzug unwirtschaftlich werden lassen können.
Dazu hat das BSG B 4 AS 36/15 R ausgeführt, dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit könne auch dann Bedeutung zukommen, wenn besondere Bedürfnisse behinderter Menschen bei einem Umzug Folgekosten wegen erforderlicher Umbaumaßnahmen oder einer Neuorganisation der Pflege nach sich ziehen.
Natürlich kann es noch mehr Gründe geben, warum ein Umzug unzumutbar sein kann, zum Bsp. bei Schwangerschaft, bei Alleinerziehenden mit Kleinkindern, weil dort auch das schulische Umfeld, Arztbesuche, Verwandte usw. zu berücksichtigen sind.
All diese Gründe muss der Leistungsbeziehende dem JC/Sozialamt schriftlich vortragen, unbedingt sind Beweise vorzulegen, warum zum Bsp. keine Wohnung gefunden werden konnte, Nachweise, dass der neue Vermieter keine Sozialhilfeempfänger als Mieter will, Nachweis, dass Mieter mit Schufa Einträgen nicht erwünscht sind, Liste nicht abschließend.
Bei gesundheitlichen Gründen sind ärztliche, aktuelle Nachweise vorzulegen, Pflegegutachten und weitere medizinische Unterlagen, wenn vorhanden.
Die Kostensenkungsaufforderung ist immer dann nicht möglich, wenn
Der Leistungsbeziehende glaubhaft darlegen kann, dass zu dem Preis des Jobcenters/Sozialbehörde kein Wohnraum vorhanden ist, weil wir einen angespannten Wohnungsmarkt in Deutschland haben.
Unangemessene Kosten der Unterkunft und Heizung können im Einzelfall aufgrund der Besonderheiten wie ( Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit ) länger als 6 Monate vom Jobcenter bzw. Sozialhilfeträger zu übernehmen sein und somit dem Hilfebedürftigen ein Verbleib in seiner Wohnung ermöglichen.
Der Träger der Sozialhilfe/Jobcenter darf Hilfeempfänger, die individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt aufweisen, nicht ohne Weiteres auf den allgemeinen Wohnungsmarkt verweisen, sondern hat sie bei der Wohnungssuche bedarfsgerecht zu unterstützen.
Kommt der Leistungsträger dieser Obliegenheit nicht nach, ist grundsätzlich von der konkreten Angemessenheit der Wohnung auszugehen.
Konkrete Suchaktivitäten müssen die Betroffenen dann nicht nachweisen (BSG – B 8 SO 7/21 R – ).
Was muss ich bei der Wohnungssuche beachten
Unbedingt alles schriftlich zu dokumentieren wie Anschrift neuer Vermieter, Telefon, wann wurden wo Wohnungen besichtigt, wie viele Wohnungen wurden besichtigt. Je umfassender der Bericht bzw. die Dokumentation, um so aussagekräftiger könnt ihr vor der Behörde erscheinen.
Das Jobcenter bzw. Sozialamt darf Euch nicht vorschreiben, wie viele Wohnungsbesichtigungen von Euch durchzuführen sind, um den Nachweis zu erbringen, dass kein Wohnraum zu dem Preis der Behörde vorhanden ist.
Denn es gibt keine Vorschrift- welche Anzahl von Wohnungsbewerbungen ein Leistungsbezieher tätigen muss.
Hierbei sind Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes von der Behörde zu beachten sowie der Einzelfall.
Menschen, welche vielleicht aufgrund von Krankheit in der Mobilität eingeschränkt sind, müssen nach der Rechtsprechung des BSG-Unterstützung bei der Wohnungssuche vom Amt bekommen.
Ein Verweis auf Angehörige bzw. Verwandte bei der Wohnungssuche dürfte kaum möglich sein, im Einzelfall vielleicht ja.
Wie wehre ich mich gegen eine Kostensenkungsaufforderung der Behörde
Sobald das Jobcenter/Sozialamt die Mietkosten auf das angemessene Maß absenkt, obwohl ihr nachgewiesen habt, dass der Umzug unzumutbar ist wegen gesundheitlicher Gründe oder ein anderer angemessener Wohnraum einfach nicht zu finden war, müsst ihr sofort gegen diesen Bescheid in den Widerspruch gehen, Widerspruchsfrist beträgt 4 Wochen.
Aber auch wenn das Jobcenter zum Bsp. einen Bescheid schickt mit der Ablehnung wegen der Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels, müsst ihr dagegen auch Widerspruch sofort einlegen nach Erhalt dieses Schreibens.
Manchmal ist es schon anzuraten, einen Rechtsanwalt für Sozialrecht damit zu beauftragen, es kommt hier immer auf den Einzelfall an.
Hinweise und Rechtstipps von RA Kay Füßlein, Berlin zur Gegenwehr bei Kostensenkungsaufforderungen beim SGB II/SGB XII
Das JobCenter trifft die Beweislast dafür, dass tatsächlich Wohnungen für den angegebenen Mietpreis vorhanden sind. Häufig findet sich für die angegebenen Mieten nichts. Dennoch ist es sehr empfehlenswert diese Suchen zu dokumentieren.
Eine ursprüngliche Bewilligung der tatsächlichen Miete in einem laufenden Bewilligungszeitraum kann nicht abgeändert werden.
Das heißt, wenn der Bewilligungszeitraum vom 01.01.-31.12. die tatsächliche Miete bewilligt; dann eine Kostensenkungsaufforderung ergeht und dann ab z.B. dem 01.07. die Miete abgesenkt wird, ist dies nicht möglich.
Und natürlich die selbstverständlichste Selbstverständlichkeit: Ohne Kostensenkungsaufforderung (für deren Zugang das JC die Beweislast trägt) keine Kostensenkung.
Eventuell sollte man darauf noch hinweisen, dass viele Mietwerte generell unzutreffend berechnet worden sind (vor allem bei großen Bedarfsgemeinschaften und Kranken) und man auf jeden Fall bei einer durchgeführten Kostensenkung sich rechtlichen Rat holen soll/muss, so RA Kay Füßlein.“
„RA K. Füßlein empfiehlt, sich auf die Suche nach Wohnungen in dem von dem JC vorgegebenen Parametern zu begeben und ggf. auch eine WBS zu beantragen.
Die Suche ist zu dokumentieren; so lange kein Wohnraum gefunden wird, muss das JoBCenter die Miete weiterzahlen; wichtig ist auch sich gegen die Kürzung in den Bescheiden juristisch zur Wehr zu setzten. ”
Wichtiger Tipp von Detlef Brock
Wenn der Grundsicherungsträger SGB II/SGB XII die Mietkosten mittels Kostensenkungsaufforderung absenkt, dann muss das Jobcenter/Sozialamt den Nachweis erbringen, dass für den Betroffenen konkret verfügbarer Wohnraum vorhanden ist.
Zumal die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung eine Einwendung der Behörde ist, wenn der Leistungsempfänger nachgewiesen hat, dass kein Wohnraum zum Preis des Jobcenter/Sozialamt verfügbar ist.
Dieser Grundsatz ist mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) auf die Prüfung der Angemessenheit von Unterkunftskosten dahingehend anzuwenden, dass demjenigen, der Leistungen nach dem SGB II begehrt, nicht die fehlende Aufklärbarkeit von Tatsachen außerhalb seiner Verantwortungssphäre zu Last fallen darf (LSG Berlin-Brandenburg L 32 AS 1888/17).
Bei der Frage, ob eine Wohnung zu einem bestimmten Preis abstrakt vorhanden ist, trifft deshalb das Jobcenter die objektive Beweislast.
Denn das Jobcenter/Sozialamt ist für die Ermittlung der abstrakten Grenze der Angemessenheit verantwortlich, wohingegen die Ermittlung demjenigen, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, regelmäßig nicht möglich ist.
Schlussbemerkung:
Das Gesagte ist als Art Arbeitshilfe für Betroffene des SGB II/SGB XII zu verstehen.
Sie soll Euch zeigen, wie wehre ich mich gegen eine Kostensenkungsaufforderung, welche Gründe sprechen für eine Unzumutbarkeit und wann ist eine Kostensenkung rechtswidrig bzw, wann muss das JC eine neue Kostensenkungsaufforderung verschicken.
Dieses Material hilft auch Vereinen und anderen Hilfsorganisationen dabei, die Rechte von SGB II/SGB XII Empfängern zu stärken und vor allem durchzusetzen.
Hinweis: Die gesamte Arbeitshilfe kann auch hier als PDF Dokument heruntergeladen werden.
Anmerkung: Der Beitrag darf gerne zitiert werden, aber nur mit Quellenangabe von gegen-hartz.de, Autor Detlef Brock
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.