Bürgergeld: Jobcenter wollen keine Nachfragen zum Bearbeitungsstand

Claudia W. wartet seit vielen Wochen auf die Bearbeitung ihres Antrags auf Mehrbedarf. Sie hat alle erfoderlichen Unterlagen an ihr zuständiges Jobcenter geschickt. Bisher keine Rückmeldung. So oder so ähnlich ergeht es derzeit Hunderttausenden Bürgergeld-Beziehern.

Jobcenter wollen keine Nachfragen

Wie erwartet sind die Jobcenter überlastet. Wenn Claudia W. bei ihrem zuständigen Sachbearbeiter nachfragt, bekommt sie keine Antwort. Anderswo werden Antragstellende auf das Portal “Jobcenter.digital” verwiesen. Wer aber eine Nachfrage zum Bearbeitungsstand eingibt, wird lesen, dass bei den Jobcentern noch immer Pandemie-Zeiten herrschen:

Anfrage zum Bearbeitungsstand: “Bitte sehen Sie aufgrund der aktuellen Situation rund um Covid-19 von Anfragen zum Bearbeitungsstand ab. Wir tun unser Bestes, um alle Anliegen zeitnah zu bearbeiten.”

Manch ein Kritiker wird einwenden, dass die Pandemie, die eigentlich als beendet erklärt wurde, sich immer eignet, um sich hinter dem Bearbeitungsstau zu verstecken.

Das Nachsehen haben Leistungsbeziehende

Das Nachsehen haben allerdings die Leistungsbeziehenden, die oft auf eine schnelle Hilfe angewiesen sind. Wenn Anträge nicht zeitnah bearbeitet werden, sind Betroffene allerdings nicht machtlos.

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Keinesfalls dürfen Jobcenter allerdings entscheiden, wie lange sie für eine Bearbeitung benötigen. Im §88 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist gesetzlich geregelt, wie viel Zeit die Behörde für die Bearbeitung von Anträgen, Widersprüche usw. zur Verfügung haben.

Es gelten Fristen – die sind allerdings nicht zeitnah

Demnach darf eine Zeit von sechs Monaten bei Mehrbedarfs- bzw. Sonderbedarfsanträgen und Bürgergeld Anträgen nicht überschritten werden. Widersprüche müssen hingegen in drei Monaten beschieden sein.
“Das sind bereits sehr großzügige Bearbeitungszeiten”, sagt Sebastian Bertram von “gegen-hartz.de”. Wenn ein Antrag bislang nicht bearbeitet wurde, sollten Betroffene zunächst bei zuständigen Jobcenter anrufen.

Man sollte der Behörde eine Frist von mindestens einer Woche setzen, damit das Anliegen bearbeitet wird, rät Bertram. Es ist ratsam zugleich auf eine mögliche Untätigkeitsklage hinzuweisen, wenn die Bearbeitung nicht erfolgte.

Wurde dann immer noch nicht über den Antrag entschieden, sollte tatsächlich eine Klage beim Sozialgericht eingereicht werden.

Ist die Untätigkeitsklage ein geeignetes Mittel?

Sofern eine Verwaltungsentscheidung längere Zeit ausbleibt, besteht also die Möglichkeit zur kostenfreien Untätigkeitsklage nach § 88 SGG. Sollte ein Bescheid sechs Monate nach Beantragung von Leistungen noch nicht vorliegen, so kann eine Untätigkeits- klage beim Sozialgericht erhoben werden (§ 88 Abs.1 SGG).

Steht hingegen ein Bescheid auf ihren Widerspruch (Widerspruchs- bescheid) aus, kann bereits nach einer Frist von drei Monaten die Untätigkeitsklage erhoben werden (§ 88 Abs. 2 SGG).

Mit einer solchen Klage wird das Jobcenter dazu gezwungen, über den Fall zu entscheiden. Die Klage sollte immer beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. Es ist zwar nicht zwingend erforderlich einen Anwalt einzuschalten, allerdings hat ein Rechtsanwalt einen besseren Überblick über die Rechtslage.

Eine Untätigkeitsklage hat jedoch einen wirklichen Nachteil: Die Klagen selbst dauern auch zwischen 2 bis 6 Monate. Die meisten Anträge dienen allerdings zur Existenzsicherung, weshalb viele Menschen keine Zeit haben, solange zu warten. Eine Alternative ist die Einstweilige Anordnung.

Vorläufige Gewährung von Anträgen über das Sozialgericht

Bei langen Verfahrens- beziehungsweise behördlichen Bearbeitungszeiten kann das Jobcenter auf dem Weg einer einstweiligen Anordnung durch einen Richter oder eine Richterin des Sozialgerichts veranlasst werden, die voraussichtlich zustehenden Leistungen vorläufig zu zahlen und insbesondere den Versicherungsschutz zu gewährleisten (§ 86b Abs. 2 SGG).

Am besten stellen Sie diesen Antrag in der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bekommt man also vorläufig Recht beziehungsweise nicht Recht.

Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung, in der es im Regelfall um Leistungen geht, ist daher insbesondere, dass ohne die vorläufige Regelung ein wesentlicher Nachteil eintritt, beispielsweise, dass ohne die (höhere) Leistung das Existenzminimum nicht gesichert ist.

In § 86b Abs. 2 SGG heißt es wörtlich: “(…) wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.”

Achtung: Die einstweilige Anordnung ermöglicht nur vorläufige Sicherungen oder Regelungen. Die endgültige Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch wird erst im Hauptsacheverfahren getroffen.

Claudia W. muss sich noch gedulden. Die Frist ist noch nicht erreicht. De Frust über das Jobcenter ist allerdings bereits vorhanden. Mit dem Bürgergeld hat sich diesbezüglich also wenig verändert.

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