Bürgergeld-Bezieher werden immer häufiger überprüft – Millionäre hingegen immer seltener

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Während die Überprüfungsquote bei Beziehern von Bürgergeld (SGB II) trotz sehr niedriger Erfolgsquoten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, hat sich die Überprüfungsquote bei Einkommensmillionären trotz sehr hoher Erfolgsquoten halbiert.

Millionäre müssen sich kaum überprüfen lassen

Immer weniger Millionäre in Deutschland müssen sich einer Steuerprüfung unterziehen. Die Prüfungen durch die Finanzämter sind in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent zurückgegangen. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Fraktion “Die Linke” an die Bundesregierung hervor.

Wer hingegen Bürgergeld bezieht, muss sich von den Jobcentern immer häufiger überprüfen lassen. Dazu dürfen die Jobcenter nicht nur Kontoauszüge von den Leistungsberechtigten einfordern, sondern bereits auf Verdacht auf die Kontodaten zugreifen.

Automatisierter Datenabgleich durch die Jobcenter

Nach § 93 Abs. 8 Abgabenordnung (AO) kann nämlich die Verwaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch ohne besonderen Anlass einen Kontenabruf bei Bürgergeldbeziehern veranlassen. Dazu genügt die bloße Vermutung. Der Abruf erfolgt automatisiert. Der Datenabgleich erfolgt viermal jährlich zum Quartalsende zentral und automatisiert. Die Daten stehen den Jobcentern für 18 Monate zur Verarbeitung zur Verfügung.

Kontrollen bei Millionären haben sich halbiert

Dagegen hat sich die Prüfungsquote bei Einkommensmillionären halbiert, wie aus der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht, obwohl die Zahl der Millionäre in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Dabei ist die Erfolgsquote bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehung sehr hoch.

75 Prozent Erfolgsquote bei Prüfungen der Einkommensmillionären

Laut Antwort der Bundesregierung lebten im Jahr 2022 insgesamt 15.133 Einkommensmillionäre in Deutschland. Bei 870 Millionären wurde eine Prüfung durchgeführt. In 661 Fällen mussten die Geprüften Steuern nachzahlen.

Insgesamt konnte der Staat so weitere 94,6 Millionen Euro an Steuern eintreiben. Damit wurden nur knapp 6 Prozent der Einkommensmillionäre auf Steuerhinterziehung überprüft. Bei rund 75 Prozent der Überprüften wurde eine Steuerhinterziehung festgestellt.

Vor zehn Jahren wurden noch rund 15 Prozent aller Steuererklärungen von Einkommensmillionären geprüft. Im Jahr 2020 wurden nur noch sechs Prozent der Spitzenverdiener von den Finanzämtern kontrolliert. Erst 2021 wurde wieder mehr kontrolliert: 13,6 Prozent der Einkommensmillionäre mussten sich einer Betriebsprüfung unterziehen.

Das Ergebnis zeigte 2021 wieder eine hohe Erfolgsquote: Der Staat konnte 135 Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen verbuchen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums sank die Prüfungsquote im Jahr 2022 jedoch wieder auf sechs Prozent. Vor zehn Jahren konnten die Finanzämter pro abgeschlossener Betriebsprüfung bei Einkommensmillionären durchschnittlich 312.224 Euro Steuern nacherheben.

In keinem Bereich wurde eine Quote von 75 Prozent erreicht, obwohl nur sechs Prozent geprüft wurden. In keinem Bereich lohnt sich der Einsatz der Prüferinnen und Prüfer mehr als bei den Einkommensmillionären. Die Beamten holen sich mit den Kontrollen quasi ihr Gehalt zurück.

Hohe Überprüfungsquote mit wenig Erfolg bei Bürgergeld-Beziehern

Demgegenüber lebten 2022 in Deutschland rund 5,67 Millionen Menschen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Rund 5,5 Millionen Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften beziehen Sozialleistungen. Darunter sind knapp 3,9 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

Im Jahr 2021 leiteten die Jobcenter rund 161.000 neue Verfahren wegen des Verdachts auf Leistungsmissbrauch ein (aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor). Allerdings überprüften die Jobcenter rund 1,4 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte aus dem automatisierten Datenabgleich.

Dabei stellten sie in über 93.000 Fällen lediglich Überzahlungen fest. Nur in 8.823 Fällen musste die Staatsanwaltschaft tatsächlich Betrugsvorwürfen der Jobcenter nachgehen (Quelle).

161.000 Fälle von tatsächlichem oder vermutetem Betrug hört sich zunächst viel an. Doch nur in 8.823 Fällen wurde tatsächlich ein Verfahren wegen Sozialleistungsbetrugs eingeleitet.

Häufig nur Überzahlungen

Denn häufig stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Betroffenen gar nicht die Absicht hatten, Sozialleistungen zu erschleichen. Zu diesem Ergebnis kam auch die Bundesagentur für Arbeit. Meist kam es lediglich zu einer Überzahlung, weil beispielsweise die Arbeitsaufnahme durch den Arbeitgeber nicht bzw. nicht rechtzeitig gemeldet wurde. In den wenigsten Fällen lag also tatsächlich der Wille zum “Leistungsbetrug” vor.

Zahlen in Relationen setzen

Setzt man diese Zahlen jedoch in Relation, ergibt sich ein deutliches Bild. Über 36 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im SGB II (1,4 Mio.) wurden durch den automatisierten Datenabgleich verdachtsabhängig überprüft. Nur bei gut 11 Prozent ergaben sich vermeintliche Verdachtsfälle. Tatsächliche Ermittlungsverfahren wurden jedoch nur in rund 0,65 Prozent der Fälle eingeleitet.

Demgegenüber wurden nur 6 Prozent der Einkommensmillionäre überprüft, aber in 75 Prozent wurde Steuerhinzerziehung im kleineren und größerem Ausmaß festgestellt.

Linke fordert deutlich mehr Steuerüberprüfungen bei Einkommensmillionären

Weil diese niedrige Überprüfungsquote trotz der hohen Erfolgsquote unverständlich ist und dem Staat hohe Steuereinnahmen entgehen, während Bürgergeldbezieher mit wenig Erfolg ständig überprüft werden, fordert die Linke-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch die Bundesregierung auf, die Kontrollen bei den Einkommensmillionären wieder zu erhöhen. „Wenn die Bundesregierung die Steuern nicht erhöhen will, dann sollte sie wenigstens dafür sorgen, dass Einkommensmillionäre ihre Steuern ordentlich bezahlen”, so Lötzsch.

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