Das Integrationsamt durfte zustimmen: Gericht stärkt Arbeitgeber bei verhaltensbedingter Kündigung schwerbehinderter Beschäftigter. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat die Beschwerde eines gleichgestellten schwerbehinderten Arbeitnehmers zurückgewiesen. (12 CS 23.)
Er wollte erreichen, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vorerst gestoppt wird. Doch das Gericht stellte klar: Wenn kein Zusammenhang zwischen Behinderung und dem Kündigungsvorwurf besteht, überwiegt regelmäßig das Interesse des Arbeitgebers.
Hintergrund: Mehrere Unfälle und ein schwieriges Arbeitsverhältnis
Der Fall dreht sich um einen Mitarbeiter mit einem Grad der Behinderung von 30, der seinem Arbeitgeber zufolge mehrere sicherheitsrelevante Vorfälle mit Gabelstaplern verursacht hatte. Darunter ein Unfall, bei dem eine Energiebrücke beschädigt wurde, sowie das Überfahren eines stark frequentierten Zebrastreifens. Der Mann war bereits mehrfach abgemahnt worden.
Der Arbeitgeber beantragte deshalb beim Integrationsamt die Zustimmung zur verhaltensbedingten Kündigung – eine Pflicht bei schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern. Das Amt gab grünes Licht.
Gericht: Kein Zusammenhang zwischen Behinderung und Fehlverhalten
Der Arbeitnehmer argumentierte vor Gericht, das Integrationsamt habe den Fall nur unzureichend aufgeklärt. Aus seiner Sicht sei der Unfall vorgeschoben gewesen, um ihn wegen häufiger Erkrankungen „loszuwerden“.
Der BayVGH sieht das anders. Entscheidend sei, so das Gericht, dass kein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der Behinderung bestehe. In solchen Fällen muss das Integrationsamt seine Zustimmung grundsätzlich erteilen – es sei denn, die Kündigung wäre „offenkundig unwirksam“. Dafür sah das Gericht keinerlei Anhaltspunkte.
Rechtlicher Maßstab: Wann darf das Integrationsamt die Zustimmung verweigern?
Das Urteil legt den Maßstab klar fest: Besteht ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund, muss das Integrationsamt besonders sorgfältig prüfen und kann auch zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden.Fehlt dieser Zusammenhang, überwiegt regelmäßig das Arbeitgeberinteresse an wirtschaftlicher und organisatorischer Freiheit.
Nur wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist, darf das Integrationsamt seine Zustimmung verweigern. Im vorliegenden Fall lag eine solche Offenkundigkeit aus Sicht des Gerichts nicht vor.
FAQ: Fünf wichtige Fragen zum Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung
1. Braucht der Arbeitgeber immer die Zustimmung des Integrationsamts?
Ja. Jede Kündigung gegenüber schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten ist ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts unwirksam.
2. Welche Rolle spielt der Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund?
Eine wesentliche. Nur wenn der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, wie z. B. krankheitsbedingte Ausfälle, greift der besondere Schutz voll durch.
3. Prüft das Integrationsamt auch, ob die Kündigung arbeitsrechtlich wirksam ist?
Nur sehr eingeschränkt. Es darf die Zustimmung nur verweigern, wenn die Kündigung offenkundig unwirksam ist. Die detaillierte Prüfung übernimmt das Arbeitsgericht.
4. Was passiert, wenn der Arbeitgeber Kündigungsgründe nur vorschiebt?
Das Arbeitsgericht prüft im Kündigungsschutzprozess, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Das Integrationsamt muss nur dann ablehnen, wenn der Missbrauch offensichtlich ist.
5. Hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer im Eilverfahren besondere Vorteile?
Nein. Der Gesetzgeber ordnet ausdrücklich an, dass die Zustimmung des Integrationsamts sofort vollziehbar ist. Eine aufschiebende Wirkung gibt es nur in Ausnahmefällen.
Fazit: Klare Grenzen des Schwerbehindertenschutzes
Das Urteil zeigt deutlich: Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Beschäftigte greift nur dort, wo die Behinderung tatsächlich eine Rolle spielt. Wer sich Fehlverhalten vorwerfen lassen muss, kann sich nicht allein auf den Status als Schwerbehinderter berufen.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Verhaltensbedingte Kündigungen bleiben möglich – sofern sie sorgfältig dokumentiert und nicht behinderungsbedingt sind. Für Arbeitnehmer heißt es: Der eigentliche Kampf um die Wirksamkeit der Kündigung findet vor dem Arbeitsgericht statt, nicht im Zustimmungsverfahren des Integrationsamts.



