Hartz IV: Ab jetzt wieder Sanktionen

Lesedauer 2 Minuten

Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Sanktionen gegen Hartz IV Bezieher vorrรผbergehend eingestellt. Die Bundesagentur fรผr Arbeit (BA) hat nunmehr eine neue Weisung an die Jobcenter herausgegeben, nach der nunmehr Leistungskรผrzungen aufgrund von VerstรถรŸen wieder eingefรผhrt werden sollen. Sozialverbรคnde reagieren empรถrt.

Sanktionen trotz steigender Infektionszahlen

In einigen Orten Deutschlands steigen nach einem Abflauen der Infektionsraten wieder die Corona-Fallzahlen. Dennoch hat in Absprache mit dem Bundesarbeitsministerium die BA eine neue Weisung an die Jobcenter herausgegeben, nach der wieder Leistungskรผrzungen als Strafe bei “Vergehen” wieder eingefรผhrt werden soll.

Jobcenter wieder geรถffnet

Die Bundesagentur begrรผndet diesen Schritt mit den Wiedererรถffnungen der Jobcenter, nachdem diese im April 2020 flรคchendeckend zum Infektionsschutz geschlossen wurden. Durch die MaรŸnahmen zur Eindรคmmung der Infektionen wurden nicht nur die Jobcenter geschlossen, sondern auch Weiterbildungseinrichtungen.

Sanktionen bei VerstรถรŸen gegen Auflagen

Sanktionen sind sogenannte StrafmaรŸnahmen, die das Jobcenter verhรคngt, wenn Leistungsbezieher angebliche PflichtverstรถรŸe begehen. Die hรคufigsten Grรผnde fรผr Sanktionen sind:

  • sog. Meldeversรคumnisse, wenn verpflichtende Termine beim Jobcenter nicht wahrgenommen werden.
  • Weigerung eine bestimmte Arbeit anzutreten
  • Mangelnde Mitwirkung bei der Stellensuche

Nicht mehr als 30 Prozent sanktionieren

Nach dem Urteil am Bundesverfassungsgericht dรผrfen Jobcenter allerdings nicht mehr als 30 Prozent der regulรคren Leistungen kรผrzen. Dennoch sind die Jobcenter teilweise dazu รผbergegangen, Totalsanktionen in Form einer Leistungseinstellung umzusetzen. Wir hatten bereits mehrmals รผber solche Vorgรคnge berichtet.

Das Jobcenter darf nur eine Meldeaufforderung versenden, wenn Sie einem der folgenden Zwecke dient:

  • Berufsberatung
  • Arbeitsvermittlung
  • Vorbereitung auf die Teilnahme an aktiven Arbeitsfรถrderungsleistungen
  • Entscheidungsfindung im Leistungsverfahren
  • Prรผfung der Voraussetzungen fรผr den Erhalt von Hartz IV
  • ร„rztlicher oder psychologischer Untersuchungstermin

Die Einladung zum Termin muss schriftlich erfolgen und eine Rechtsfolgenbelehrung beinhalten, aus der hervorgeht, welche Konsequenzen ein unentschuldigtes Fernbleiben hat. Erscheint der Leistungsberechtigte dennoch nicht zu einem Pflichttermin, ist das Jobcenter berechtigt eine Sanktion in Form einer Leistungskรผrzung in Hรถhe von 10 % zu verhรคngen.

Wohlfahrtsverband reagiert mit Empรถrung

Mit Empรถrung reagiert der Paritรคtische Wohlfahrtsverband auf eine aktuelle Weisung der Bundesagentur fรผr Arbeit, nach der Jobcenter ab sofort grundsรคtzlich wieder Sanktionen gegen Hartz IV-Beziehende verhรคngen dรผrfen. Sanktionen waren mit der coronabedingten SchlieรŸung der Jobcenter ausgesetzt worden und sollen nun mit der schrittweisen ร–ffnung fรผr Publikumsverkehr wieder aufgenommen werden.

Der Verband erinnert mahnend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, das die Sanktionspraxis grundlegend in Frage gestellt hatte. Die durch das Urteil notwendig gewordene gesetzliche Neuregelung steht bis heute aus. Aus Sicht des Verbandes sind die Sanktionen inhuman und in der Sache nicht zu rechtfertigen. Der Paritรคtische spricht sich fรผr eine ersatzlose Streichung aus.

Sanktionen treiben Menschen ins Elend

“Sanktionen sind kontraproduktiv und treiben Menschen ins Elend. Es zeugt schon von auรŸergewรถhnlicher Kaltherzigkeit oder aber Lebensferne, wenn Menschen in der Grundsicherung trotz der offensichtlichen coronabedingten Mehrbedarfe nicht nur nach wie vor finanzielle Soforthilfe verweigert, sondern nun auch noch mit Leistungskรผrzungen gedroht wird”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschรคftsfรผhrer des Paritรคtischen Gesamtverbands. “Statt bรผrokratischer Drangsalierung brauchen die ร„rmsten dieser Gesellschaft endlich konkrete Hilfe.”

Verband fordert Anhebung der Regelsรคtze

Der Paritรคtische unterstreicht seine Forderung nach einer bedarfsgerechten Anhebung der Regelsรคtze und der kompletten Abschaffung von Sanktionen. โ€žEs wird hรถchste Zeit, dass wir diese antiquierte Rohrstockpรคdagogik aus dem vorletzten Jahrhundert รผberwinden und zu einem den Menschen zugewandten sanktionsfreien Hilfesystem gelangenโ€œ, so Schneider.

Der Verband kรผndigt fรผr die kommende Woche den Auftakt einer gemeinsamen Kampagne mit Sanktionsfrei e.V. an, um politisch Druck fรผr eine menschenwรผrdige Grundsicherung zu machen.