Hat ein Langzeitarbeitsloser seine angesparte Altersvorsorge in eine Photovoltaikanlage investiert, darf das Jobcenter die daraus erzielten Erträge mindernd auf die Grundsicherungsleistungen anrechnen.
Da die Einnahmen nicht aus einer Erwerbstätigkeit stammen, kann der Hilfebedürftige dafür auch nicht den Erwerbstätigenfreibetrag geltend machen, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in einem am 14. Februar 2024, veröffentlichten Urteil (Az.: L 4 AS 834/17). Die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Photovoltaikanlage mit 86 Modulen und vier Wechselrichtern installiert
Das klagende Paar war im streitigen Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 auf Hartz-IV-Leistungen, das heutige Bürgergeld, angewiesen.
Es war Miteigentümer eines selbst genutzten Eigenheims auf einem 800 Quadratmeter großen Grundstück. Dort hatte der Mann eine Photovoltaikanlage mit 86 Modulen und vier Wechselrichtern installiert.
Solaranlage mit Einnahmen
Die Photovoltaikanlage warf mit der Einspeisung des Stroms in das Stromnetz Einnahmen ab. So erzielte der Kläger in den Monaten August und September 2011 umsatzsteuerpflichtige Erträge in Höhe von jeweils 519 Euro (brutto), in den Monaten Oktober bis Dezember 2011 waren es jeweils 235 Euro (brutto).
Wegen der erzielten Einnahmen minderte das Jobcenter die Hartz-IV-Leistungen.
Das Paar zog vor Gericht. Der Kläger argumentierte, er habe die über 85.000 Euro (brutto) teure Photovoltaikanlage aus seinem angesparten Schonvermögen finanziert. Das Schonvermögen sei quasi auf das Dach gepackt worden.
Die Erträge aus der Anlage seien keine zu berücksichtigende „Einnahmen“. Vielmehr handele es sich um einen Rückfluss des eingesetzten Schonvermögens.
Sie dürften daher nicht mindernd auf die SGB II-Leistungen angerechnet werden. Zumindest sei die Abschreibung der Photovoltaikanlage zu berücksichtigen. Auch habe er für 2011 wegen der erzielten Einnahmen 775 Euro Umsatzsteuer an das Finanzamt zahlen müssen.
LSG Chemnitz: Erwerbstätigenfreibetrag kann nicht beansprucht werden
Das LSG urteilte am 29. August 2023, dass die Photovoltaikanlage Vermögen darstelle. Weil die Einnahmen während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld II zugeflossen seien, seien die gesamten Bruttobeträge als Einkommen mindernd anzurechnen.
Da die Umsatzsteuer erst 2012 und nicht im Streitzeitraum abgeführt worden sei, sei diese nicht zu berücksichtigen. Die Einnahmen aus der Solarstromerzeugung seien in etwa mit Zinserträgen aus Kapitalvermögen vergleichbar, die ebenfalls die Hartz-IV-Leistungen minderten.
Es handele sich hier auch nicht um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, so das LSG. Denn der Kläger habe dafür nicht seine Arbeitskraft eingesetzt.
Allein der Umstand, dass der Kläger durch den Betrieb der Photovoltaikanlage steuerrechtlich zum Unternehmer werde, führe nicht dazu, dass er als „Erwerbstätiger“ anzusehen sei.
Daher stehe ihm auch nicht der monatliche Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 100 Euro zu. Ziel des Erwerbstätigenfreibetrages sei es, Arbeitslose zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu ermutigen. Dieses Ziel werde durch den Betrieb der Photovoltaikanlage nicht erreicht. fle
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