Ohne Einkünfte können Sozialhilfe Bezieher keine Absetzung von Versicherungsbeiträgen verlangen. Dem Gesetzgeber kann zudem laut Urteil nicht vorgeworfen werden, gegen das Verfassungsrecht zu verstoßen.
Tenor des Urteil
1. Kosten für eine Privathaftpflicht-, eine Hausrat – und eine Haushaltsglasversicherung sind bei Nicht-Vorhandensein von Einkommen nicht absetzbar nach (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII).
2. Eine gesonderte Übernahme von Kosten für eine Privathaftpflicht-, Hausrat- oder Haushaltsglasversicherung ist gesetzlich nicht vorgesehen.
3. Die Sozialhilfeempfängerin muss die Beiträge aus der Regelleistung bestreiten.
4. Dem Gesetzgeber kann nicht vorgeworfen werden mit dieser Systematik gegen Verfassungsrecht zu verstoßen.
So entschieden vom 4. Senat des LSG Hamburg in einem aktuellem Urteil zur Sozialhilfe.
Ebenso kommt nach Auffassung des Gerichts eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII nicht in Betracht, da nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist.
Insbesondere zählten Versicherungsbeiträge nicht zu dem für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendigen Lebensunterhalt i.S.d. § 27a SGB XII
So sinnvoll die Versicherungen der Klägerin, insbesondere die private Haftpflichtversicherung, auch sein mögen, so handele es sich bei den hierfür anfallenden Versicherungsbeiträgen dennoch nicht um existenznotwendige Ausgaben.
Es steht jedem frei, derartige Versicherung abzuschließen oder auch nicht
Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Beiträge generell regelbedarfserhöhend berücksichtigten wollte und lediglich vergessen habe, eine Anspruchsgrundlage hierfür zu schaffen.
Sofern sich Leistungsberechtigte für den Abschluss von privaten Versicherungen entschieden, müssten die Kosten daher aus der Regelleistung aufgewendet werden.
Auch unter Berücksichtigung von Gleichheitsaspekten
Es ist auch unter Gleichheitsaspekten nicht zu beanstanden, dass Versicherungsbeiträge u.U. zwar von Einkünften abgesetzt werden dürfen, nicht jedoch bei Einkommenslosigkeit vom Sozialhilfeträger übernommen werden.
Denn es handelt sich beim Bezug von Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII und beim Einkommensbezug nämlich um zwei verschiedene Sachverhalte, an die der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtfolgen knüpfen darf (so ausdrücklich auch BayLSG, Beschluss vom 14.7.2005 – L 11 B 290/05 SO ER; zustimmend SG Detmold, Gerichtsbescheid vom 4.4.2022 – S 35 SO 228/20).
Diese Versicherungen sind auch nicht unausweichlich und derart dem soziokulturellen Existenzminimum zuzurechnen, dass sie auch ohne konkrete gesetzliche Grundlage beansprucht werden könnten.
Denn sie betreffen nicht die gegenwärtige konkrete Notlage der leistungsberechtigten Person, sondern möglicherweise zukünftig eintretende Schadensfälle, die überdies hinsichtlich von Haftpflichtschäden nicht die leistungsberechtigte Person selbst unmittelbar beeinträchtigen und hinsichtlich von Hausrat und Haushaltsglas durch Leistung von Darlehen und Erstausstattung abgesichert werden können.
Der Gesetzgeber unterscheidet, ob Leistungsbezieher Einkommen beziehen – dann ist eine Absetzung von Versicherungsprämien möglich.
Oder ob sie keine Einkünfte und allein Leistungen nach dem SGB XII beziehen – dann pauschalierte Leistungen und Unterkunftskosten, also keine Leistungen für Versicherungsprämien.
Das ist auf Ebene des einfachen Gesetzesrechts auch nicht nach § 27a Abs. 4 SGB XII anders zu lösen, weil etwa ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf unausweichlich oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt.
Denn unabhängig von der Frage, ob hier eine regelbedarfsrelevante Aufwendung vorliegt, sind die Versicherungsprämien doch nicht unausweichlich.
Hinsichtlich der Haftpflichtversicherung stehen primär Risiken von Dritten in Rede, die einen oder eine Leistungsempfängerin in Anspruch nehmen könnten und bei dessen oder deren Illiquidität leer ausgingen.
Das indes ist nicht Angelegenheit des Sozialhilfeträgers, der sich allein um das Existenzsicherung des oder der Leistungsempfängerin zu kümmern hat.
Hinsichtlich Hausrat – und Haushaltsglasversicherung sind zwar Risiken des oder der Leistungsempfängerin selbst betroffen, aber mittels darlehensweiser Hilfe oder Leistungen der Erstausstattung kann Abhilfe geschaffen werden auch ohne Versicherungsschutz.
Die Kosten der Versicherungen sind auch nicht etwa den Bedarfen von Unterkunft und Heizung zuzuordnen, schon weil es an einer Verknüpfung mit dem Mietvertrag fehlt.
Auch kann dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, mit dieser Systematik gegen Verfassungsrecht zu verstoßen.
Hinweis zum SGB II/ Bürgergeld:
Müssen Jobcenter eine Hausratversicherung oder Privathaftpflicht übernehmen. Die Antwort findet ihr hier.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.