Keine Kostenübernahme durch das Sozialamt mehr für das Mittagessen im Rahmen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen, urteilte das Landessozialgericht Baden – Württemberg.
1. Das Mittagessen in Einrichtungen ist kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII nicht übersteigen.
2. Nur soweit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet ( Leitsatz Gericht).
So entschieden vom Landessozialgericht Baden – Württemberg, Urteil vom 15.08.2023 – L 2 SO 3980/21 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. : B 8 SO 9/23 R
Begründung:
Kosten für Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen – Kostenheranziehung bis zur Höhe des Mehrbedarfszuschlags nach § 42b SGB 12
Nach Inkrafttreten der Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum 1. Januar 2020 und der daraus resultierenden Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe und der existenzsichernden Leistungen nach dem Willen des Gesetzgebers ist das Mittagessen kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen.
Soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII – wie hier – nicht überschreiten.
Das BTHG weicht jetzt nach neuer Gesetzeslage insoweit von der alten Gesetzeslage ab, nach der das Mittagessen in einer WfbM nach der Rechtsprechung des BSG zu den Eingliederungshilfeleistungen gehörte.
Nach alter Gesetzeslage war das Mittagessen als integraler Bestandteil der entsprechenden Eingliederungshilfeleistung angesehen und nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt zugeordnet worden (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 – B 8/9b SO 10/07 R – ; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2022 – L 7 SO 4143/20 – nachgehend BSG, 11. Mai 2023 -B 8 SO 5/22 R, sonstige Erledigung: Rücknahme ).
Einführung des § 42b Abs. 2 SGB IX
Mit der Einführung dieses Mehrbedarfs ist der Gesetzesgeber einen anderen Weg gegangen. Er hat hat einen pauschalierten Mehrbedarf geregelt, welcher neben der Abgeltung des Wareneinsatzes bei auswärtiger Verpflegung auch der Deckung von Aufwendungen, die durch die Zubereitung und Bereitstellung von gemeinschaftlichem Mittagessen außerhalb des persönlichen Wohnumfeldes entstehen, dient.
Können aus dem Mehrbedarf nicht alle über den Warenwert hinausgehenden Kosten für die Zubereitung und Bereitstellung (z. B. Sach-, Personal und Investitionskosten) gedeckt werden, ist der ungedeckte Teilbetrag von der Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 4 SGB IX als Leistung zur Sozialen Teilhabe vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen.
Die gesamten Leistungen für das Mittagessen sind jetzt der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zugeordnet
Zuordnung zur Eingliederungshilfe nur, wenn im Einzelfall die Kosten nicht gedeckt werden können
Nur soweit im Einzelfall die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet.
Mittagsverpflegung wird aus zwei Quellen finanziert
Einmal zum Teil durch den Leistungsberechtigten mit den ihm nach § 42b Abs. 2 SGB XII zu gewährenden Leistungen und zum Teil durch Leistungen zur sozialen Teilhabe des hierfür zuständigen Rehabilitationsträgers.
Fazit:
Die Einrichtung erhebt von dem Kläger für die Teilnahme am Mittagessen einen der Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b SGB XII entsprechenden Betrag. Sie hat angegeben, es werde dabei nach pauschalierten Werten abgerechnet.
Eine tatbestandliche Abgrenzung nach Leistungsanteilen kommt demnach nicht in Betracht, ist aber auch deshalb schon nicht erforderlich, weil der von der Einrichtung erhobene Betrag die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b SGB XII nicht überschreitet.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 GG
Es liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 GG, weil die Trennung von Fachleistungen und Leistungen des Lebensunterhaltes sachgerecht ist und die Anknüpfung an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium darstellt.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Das Mittagessen in Einrichtungen ist kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs 2 S 3 SGB XII nicht übersteigt. Nur soweit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet.
Man muss abwarten, wie der 8. Senat des BSG dazu entscheiden wird, manchmal wird man ja überrascht, aber ich denke eher nicht.
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.