Ein alleinstehender Kläger begehrt vom Gericht für die Jahre 2022-2024 einen höheren Regelbedarf in Höhe von 725,00 Euro. Der Widerspruch würde sich nicht gegen die Berechnungen an sich, sondern gegen die Berechnungsgrundlagen, welche verfassungswidrig seien, richten.
Denn es würde nicht einmal die Inflation ausgeglichen. Gemäß einer Auswertung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sei ein Regelsatz von 502,00 € viel zu niedrig. Vielmehr seien 725,00 € zuzüglich der Übernahme von Stromkosten für einen “Single-Haushalt” erforderlich.
Dem ist der 8. Senat des Bayrischen Landessozialgerichts Az. L 8 SO 108/23 – Revision zugelassen – mit Urteil vom 10.04.2025 – aber nicht gefolgt.
Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelsätze 2022, 2023 und 2024
Kurzbegründung:
2022
Das Gericht hat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelsätze für die hier streitgegenständliche Zeit vom 01.07.2022 bis 30.11.2022. Das Verfahren ist daher auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit vorzulegen.
Zitat
“Das GG gewährleistet durch Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Dieses ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, der wiederum der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf.
Dieser hat die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen mit ihren Auswirkungen auf den konkreten Bedarf der Betroffenen auszurichten (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.02.2025, L 8 SO 256/23; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.10.2024 – L 19 AS 943/23 -).
Das GG schreibt keine bestimmte Methode vor, die diesen Gestaltungsspielraum begrenzt. Es kommt dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unter den Gesichtspunkten der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen.
Er ist nicht verpflichtet, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen.”
Die Bemessung der Regelbedarfe und Regelsätze im Jahr 2022 folgt den verfassungsrechtlichen Vorgaben
Die Höhe der Regelbedarfe bzw. Regelsätze, welche dem Antragsteller im Jahr 2022 gewährt worden ist, sind nicht zu beanstanden. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Landessozialgerichts Bayern an.
2023
Auch die zum 01.01.2023 erfolgte Regelbedarfserhöhung der Regelbedarfsstufe 1 zur Gewährleistung des Existenzminimums des Klägers ist nicht evident unzureichend (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.02.2025, L 8 SO 256/23).
Denn die nun zusätzlich zur bisherigen Fortschreibung, die zum 01.01.2023 nur zu einer Erhöhung von 4,45 % geführt hätte, eingefügte sog. “ergänzende Fortschreibung” hat zum 01.01.2023 zu einer weiteren Erhöhung um 6,9 % geführt, so dass zum 01.01.2023 die Regelsätze insgesamt eine Erhöhung um knapp 11,75 % erfuhren.
Mit diesem zweistufigen System der Regelbedarfsfortschreibung bezweckte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien ausdrücklich die Abfederung der außergewöhnlichen Preisentwicklung (BT-Drucks 20/3878, S. 44).
Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Anpassungsmechanismus nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben an die Regelleistungsbemessung genügt (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2024, L 2 AS 39/24 B -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.12.2023 -L 5 AS 356/23 B ER -; Hessisches LSG, Beschluss vom 01.06.2023 -L 4 SO 41/23 B ER -).
2024
Für die Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe für den Zeitraum ab dem 01.01.2024 ergibt sich nach Auffassung des Gerichts – keine anderweitige Beurteilung, Bezug wird genommen auf die Hinweise zu 2023.
Der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 ist zum 01.01.2024 auf der Grundlage von § 28 SGB XII i.V.m. den §§ 1, 2 der RBSFV 2024 von 502,00 € auf 563,00 €, also um ca. 12,15 %, erhöht worden. Diese Erhöhung liegt weit über der Inflationsrate, die sich zwischen Januar 2024 und August 2024 auf Werte zwischen 1,9 % und 2,9 % belief (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.09.2024 – L 7 AS 719/24 B -).
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
1. Die Entwicklung des Bürgergeldes ist längst ein politischer “Aufmacher ” geworden.
2. Ich empfehle und rate bei solchen Klagen nicht unbedingt auf Gutachten zu verweisen, vorteilhafter ist es, ein Haushaltsbuch zugeschnitten auf den Kläger zu führen, Eingaben und Ausgaben mit Belegen dokumentieren und zum Schluss auf die Gutachten am Rande zu verweisen.
3. Nur wer wirklich nachweist, dass sein Regelbedarf zu niedrig bemessen war, kann vielleicht so zum Erfolg kommen.
Wenn sich ein Hilfebedürftiger eine gesunde Ernährung nicht leisten kann und dies an Hand von Einkaufsbelegen nachweisen kann, Umschichtungen nicht möglich waren, Leistungen Dritter nicht zur Verfügung standen, ja denn sieht das Ganze schon Anders aus.
4. Ich warte immer noch auf den Leistungsbezieher, der dem Gericht auf den Cent genau nachweist, dass der Regelsatz zu niedrig bemessen ist, es ist möglich.