Bei Leiden, die sich grundsätzlich behandeln lassen, stellen die Versorgungsämter einen Grad der Behinderung in aller Regel nur befristet fest. Sie kündigen meist bereits bei der Bewilligung einen Termin zur Neufeststellung an.
Das gilt besonders bei Krebspatienten, da sich deren Zustand bei erfolgreicher Operation oder anderer Therapie stark verbessert. Das nennt sich Heilungsbewährung.
Wenn der Krebs als geheilt gilt, senkt das Amt die Behinderung häufig auf einen niedrigen Grad oder setzt diesen Grad sogar auf null. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg sprach jedoch einem Betroffenen weiterhin einen Grad der Behinderung von 50 zu, obwohl sein Krebs als besiegt galt. (L 6 SB 1880/25).
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Lungenkrebs und Operation
Der Betroffene erkrankte 2017 an Lungenkrebs. Die Mediziner entfernten ihm operativ den linken Lungenflügel. Das Versorgungsamt stellte nach der Operation einen Grad der Behinderung von 80 fest. Da die Behörde davon ausging, dass der Zustand sich in den folgenden Jahren verbessern würde, überprüfte sie den Zustand nach fünf Jahren erneut.
Nur noch einen Grad der Behinderung von 20
Die Neufeststellung ergab für das Amt nur noch einen Grad der Behinderung von 20 statt 80. Der Betroffene hielt das für ungerechtfertigt und legte Widerspruch ein. Das Versorgungsamt wies diesen als unbegründet zurück. Daraufhin klagte er vor dem Sozialgericht, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Wie argumentierte der Erkrankte?
Der Betroffene bezweifelte nicht, dass es eine Heilungsbewährung gegeben hätte. Er argumentierte jedoch, dass die Operation weit größere Folgen nach sich gezogen hätte, als das Amt berücksichtigte. So lege, laut ärztlichen Befunden, seine Lungenleistung nur noch bei 45 und 54 Prozent des Sollwertes. Die konkreten Folgen seien Atemnot bei Belastung, Probleme beim Treppensteigen und nur noch kurze Strecken, die er zu Fuß bewältige.
Anatomische Veränderungen mit Folgen
Er führte vor allem eine organische Veränderung ein, die das Schema, nach dem die Versorgungsämter bewerten, nicht erfasst. So hatten sich durch den fehlenden Lungenflügel die Organe im Brustkorb verschoben. Dies führt zu größeren funktionellen Störungen.
Versorgungsamt stellt Messwerte infrage
Das Sozialgericht folgte seiner Argumentation und entschied zu seinen Gunsten. Das Versorgungsamt akzeptierte dieses Urteil nicht und legte vor dem Landessozialgericht Berufung ein. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob die vorgelegten Messwerte zur Leistung der Lunge glaubhaft seien und ausreichten. Das Amt stellte dies infrage und verlangte neue und objektive Tests.
Beweislast liegt beim Amt
Die Richter lehnten die Forderung des Amtes ab. Sie erläuterten, dass es Aufgabe des Amtes gewesen sei, solche Tests im eigenen ursprünglichen Verfahren durchzuführen, wenn es diese für notwendig erachte. Die Beweislast für eine wesentliche Verbesserung der Behinderung liege ausschließlich beim Amt. Eine lückenhafte Beweislage hätte das Amt dabei selbst mitverursacht.
Gutachter hält Messwerte für plausibel
Ein hinzugezogener Gutachter untersuchte den Betroffenen zwar nicht, bewertete die vorliegenden Lungenfunktionswerte aber als schlüssig. Die verschobenen Organe würden schlüssig erklären, warum die Einschränkungen des Betroffenen gravierender seien als ein reiner Verlust des Lungenflügels.
Das Amt verlangte eine Untersuchung des Betroffenen. Die Richter erklärten dies für unnötig. So sei ein Gutachten nach Aktenlage für zulässig und beweiskräftig, wenn die Faktenlage ausreiche. Das sei hier der Fall.
Grad der Behinderung von 50 statt 20
Statt dem vom Versorgungsamt auf 20 gesenkten Grad der Behinderung sprach das Landessozialgericht dem Betroffenen einen Grad der Behinderung von 50 zu. Damit ist er weiterhin anerkannt schwerbehindert und kann die damit verbundenen Nachteilsausgleiche beanspruchen.