Schwerbehinderung: Urlaubsanspruch gilt auch bei befristeter Erwerbsminderung

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Auch wenn ein Arbeitsverhรคltnis wegen befristeter Erwerbsminderung ruht, bleibt der gesetzliche Mindestanspruch auf Urlaub bestehen. So urteilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (10 SA 368/12).

Das Gericht verurteilte einen Arbeitgeber an eine Arbeitnehmerin 7.312,23 Euro brutto zu zahlen. Im Verfahren ging es um den Umfang der Urlaubstage, die der Betroffenen abzugelten waren, nachdem diese lange arbeitsunfรคhig gewesen war und zunรคchst eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hatte.

Die Betroffene war zur Zeit des Verfahrens 49 Jahre als und langjรคhrig beim Beklagten als Verwaltungsangestellte mit 30 Wochenstunden beschรคftigt. Sie ist schwerbehindert. Grundsรคtzlich hatte sie sich ursprรผnglich bereit erklรคrt, 40 Wochenstunden zu leisten.

Sie verdiente laut den Richtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Entgeltgruppe 5 U zuletzt 1.741, 74 Euro pro Monat, also tรคglich 80,38 Euro.

Arbeitsverhรคltnis ruht wegen Erwerbsminderung

Sie hatte noch vier Urlaubstage in Anspruch genommen, und dann ruhte das Arbeitsverhรคltnis, da die Betroffene eine befristete Erwerbsminderungsrente bezog. Diese ging nach zweieinhalb Jahren รผber in eine dauerhafte Rente wegen voller Erwerbsminderung, und mit dieser endete auch ihr Arbeitsverhรคltnis.

Die Betroffene machte gegenรผber dem Arbeitgeber jetzt eine Abgeltung ihres Urlaubs fรผr die Zeit der befristeten Erwerbsminderung geltend, in der das Arbeitsverhรคltnis nach wie vor bestanden hatte.

Klรคgerin fordert Abgeltung der Urlaubstage in der Zeit der Krankheit

Die Klรคgerin verlangte einschlieรŸlich ihres Zusatzurlaubs wegen Schwerbehinderung eine Abgeltung fรผr 113 Urlaubstage. Ausdrรผcklich enthalten waren darin auch die Zeitrรคume der befristeten Erwerbsminderung. Die Betroffene argumentierte, dass der Urlaubsanspruch auch bestehe, wenn jemand erkranke und deshalb arbeitsunfรคhig sei. Deshalb verstoรŸe die Kรผrzungsregel der Evangelischen Kirche gegen den Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europรคischen Parlaments.

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Caritas behauptet, Erwerbsminderung sei keine Arbeitsunfรคhigkeit

Der kirchliche Arbeitgeber hielt dem entgegen, dass Erwerbsminderung nicht gleichzusetzen sei mit Arbeitsunfรคhigkeit. Die Rentenzahlung wรผrde den Urlaubsanspruch ersetzen, und das Fernbleiben von der Arbeit erfolge freiwillig. Urlaubsansprรผche wรผrden wรคhrend des Ruhens der Arbeit gar nicht erst entstehen. Es sei auch zu unterscheiden zwischen dem gesetzlichen und dem kirchlichen Urlaubsanspruch.

Kirchenregel hat keine gesetzliche Entsprechung

Das Gericht fรผhrt aus: “Nach ยง 28a Abs. 4 AVR (kirchliche Richtlinien) vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs, einschlieรŸlich eines etwaigen Zusatzurlaubs mit Ausnahme des Zusatzurlaubs nach dem SGB IX u.a. wegen jedem vollen Monat eines Ruhens des Dienstverhรคltnisses nach ยง 35 Abs. 1 Unterabs. 3 infolge teilweiser Erwerbsminderung um ein Zwรถlftel.”

Das Gericht erklรคrte der Gรผltigkeit der kirchlichen Richtlinien eine Absage, wenn es um den gesetzlichen Mindesturlaub geht. So kรถnne der gesetzliche Mindesturlaub ausschlieรŸlich wegen einer gesetzlichen Vorschrift entfallen. Fรผr die kircheninterne Regel, den Erholungsurlaub bei einer befristeten Erwerbsminderungsrente jeden Monat um 1/12 zu kรผrzen, fehle eine solche Vorschrift jedoch.

Kirchliche Richtlinien stehen nicht รผber dem Gesetz

Das Gericht sprach dem kirchlichen Arbeitgeber zwar das Recht zu, den zusรคtzlichen Urlaub nach den Richtlinien fรผr Arbeitsvertrรคge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes bei Erwerbsminderung zu entziehen, nicht aber den gesetzlichen Urlaub.

Deshalb musste die Caritas der Betroffenen 58 Tage Urlaub abgelten, auf den sie den gesetzlichen Mindestanspruch hatte.