Wer als deutscher Staatsbürger seinen ständigen Wohnsitz im Ausland hat, kann nur dann einen Anspruch auf Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII geltend machen, wenn er sich in einer außergewöhnlichen Notlage befindet. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg gegen einen Erwerbsminderungsrentner, dessen Wohnsitz in Frankreich liegt. (L 7 SO 661/16 ER-B)
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Was bedeutet außergewöhnliche Notlage
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg klärte, welcher Leitsatz im Sozialrecht für eine außergewöhnliche Notlage gilt:
„Eine außergewöhnliche Notlage, welche die Gewährung von Sozialhilfe an im Ausland lebende Deutsche rechtfertigen kann, setzt voraus, dass ohne die Hilfeleistung eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existentieller Rechtsgüter, mithin Leben, Gesundheit oder sonstiger elementarer Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz, unmittelbar droht. Es verstößt nicht gegen supranationales Recht, Sozialhilfe nur in engen Ausnahmefällen an in Unionsstaaten lebende Deutsche zu gewähren.“
Mit Erwerbsminderung in Frankreich
Der Betroffene lebte dauerhaft in Frankreich und bezog eine deutsche Erwerbsminderungsrente in Höhe von 1.014,66 Euro. Er beantragte beim Sozialhilfeträger auf der deutschen Seite der Grenze Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Sozialbehörde lehnt den Antrag ab
Die zuständige Sozialbehörde in Deutschland lehnte den Antrag ab und wies auch einen Widerspruch des Betroffenen als unbegründet zurück. Der Erwerbsgeminderte stellte daraufhin einen Eilantrag zur Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg. Zuständig gewesen wäre laut dem Landessozialgericht Baden-Württemberg allerdings das Sozialgericht Landhut.
Dies sei laut dem Landessozialgericht unerheblich, da der Kläger sein Begehren in einem einzigen Rechtsschutzgesuch zusammengefasst hätte. Nach den Bestimmungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland sei grundsätzlich der übergeordnete Träger der Sozialhilfe am Geburtsort zuständig.
Deutsche Rente und französischer Wohnzuschuss
Der Eilantrag sei unbegründet. Nach eigenen Angaben hätte der Kläger monatliche Einkünfte von 1.147,66 Euro. Zu der Rente kämen 133 Euro Wohnbeihilfe durch einen französischen Träger hinzu.
Bei diesen Bezügen sei es für den Kläger jedenfalls möglich und zumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Eine sozialrechtliche Bedürftigkeit könne aufgrund seiner eingereichten Nachweise nicht angenommen werden.
Sozialhilfe nur im Ausnahmefall
Die Richter erklärten: „Nach der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Deutsche, die – wie der Kläger – ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann gemäß Satz 2 der Vorschrift im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland (…) nicht möglich ist.“
Hilfebedürftigkeit nach der Definition der Sozialhilfe allein reicht nicht
Jemand, der in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe hätte, hat diesen also im Ausland erst einmal nicht. Nur in bestimmten Situationen ist dies Auszahlung möglich. So betonten die Richter: „Die Auslandssozialhilfe kommt mithin nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage in Betracht; vielmehr bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage.“
Keine Ausreisesperre oder Inhaftierung
Der Betroffene hätte bereits nicht darlegen können, dass eine unabweisbare außergewöhnliche Notlage in diesem Sinn bestehe. Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im grenznahen Frankreich, einer Wohnung und Krankenversicherung sei eine solche auch nicht ersichtlich.
In seinem Fall hätte höchstens ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen können, wenn ihn hoheitliche Gewalt daran gehindert hätte, nach Deutschland zurückzukehren – also ein Ausreiseverbot durch die französischen Behörden oder durch eine Inhaftierung. Dies sei aber nicht der Fall.
Weder persönlich noch wirtschaftlich bestehe ein Anspruch auf Sozialhilfe.