Schwerbehinderung: Barrierefreiheit verweigert – 11.000 Euro Entschädigung – Urteil

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Eine Wohnungsbaugesellschaft muss einem Mieter, der im Rollstuhl sitzt, 11.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung bezahlen. Die Vermieterin weigerte sich hartnäckig, einen barrierefreien Zugang zu schaffen. Das Landgericht II fällte dieses Urteil (66 S 24/24)

Der Fall: Wohnungsbaugesellschaft verweigert Rampe

Der Kläger sitzt im Rollstuhl. Er und sein Ehemann begehrten von der Vermieterin den Bau einer Rampe, um das Wohnhaus selbstständig verlassen oder betreten zu können. Doch die Wohnungsbaugesellschaft verweigerte dies, und der Betroffene musste vor Gericht ziehen, um seinen Anspruch geltend zu machen.

Barrierefreiheit muss hergestellt und Entschädigung gezahlt werden

In einem ersten Verfahren verpflichtete das Landgericht Berlin II die Vermieterin, dem Bau einer Rampe zuzustimmen. Im zweiten Verfahren wurde sie zudem dazu verurteilt, eine Entschädigung an den Mieter zu zahlen.

Das Gericht hielt es für belegt, dass die Vermieterin den Betroffenen aufgrund seiner Behinderung diskriminiert habe. Dabei beriefen sich die Richter auf das Benachteiligungsverbot nach dem Paragrafen 19 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Demzufolge ist eine Benachteiligung auch in zivilrechtlichen Massengeschäften unzulässig, und unter solche fällt Wohnraum, wenn der Vermieter mehr als 50 Wohnungen vermietet. Bei der zuständigen Wohnungsbaugesellschaft trifft das zu.

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Warum liegt eine Diskriminierung vor?

Das Gericht hielt eine Diskriminierung für nachgewiesen, da die Vermieterin die Zustimmung für den Bau einer Rampe über zwei Jahre verweigerte, und erst durch die Entscheidung des Landesgerichtes den Bau erlaubte.

Benachteiligung durch Unterlassen

Laut dem Landesgericht handelte es sich damit um eine unmittelbare Benachteiligung des Mieters durch Unterlassen. Der Paragraf 5 des AGG hätte die Vermieterin verpflichtet, die Benachteiligung des Klägers (Zugang oder Verlassen des Wohnhauses nur mit Hilfe Dritter) durch positive Maßnahmen zu beseitigen.

Die positive Maßnahme wäre in diesem Fall die Zustimmung zum Bau einer Rampe gewesen.

Die Vermieterin hätte eine Handlungspflicht gehabt und sei dieser nicht nachgekommen. Dem Betroffenen sei im Vergleich zu anderen Mietern ohne Behinderung der Zugang zu seiner Wohnung rechtswidrig versagt worden.

Grund für hohe Entschädigung: Benachteiligung gravierend

Das Gericht führte aus, dass die Folgen der Benachteiligung für den Kläger gravierend gewesen seien. Ohne Hilfe Dritter hätte er die vorhandenen Treppenstufen nicht überwinden können und war deshalb nicht in der Lage, sein Wohnhaus spontan zu betreten oder zu verlassen.

Dies hätte ihn in seiner Bewegungs- und Handlungsfreiheit stark eingeschränkt.

Doch nicht nur die starke Einschränkung des Klägers rechtfertigten nach Ansicht des Gerichtes eine hohe Entschädigung, sondern auch das Verhalten der Vermieterin.

Diese hätte nicht problemorientiert gehandelt und hätte keine überzeugenden Argumente dafür gehabt, zwei Jahre lang die Zustimmung zu einer Rampe zu verweigern. Sie hätte lediglich pauschale Gründe für die Verweigerung genannt.

Was bedeutet das Urteil für Betroffene?

In diesem Fall wurde die Vermieterin nicht nur dazu verpflichtet, einem barrierefreien Zugang zuzustimmen, sondern sie musste auch eine hohe Entschädigung dafür zahlen, diesen zu verweigern.

Das ist eine wichtige Unterstützung für Menschen mit Behinderung, wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befinden. Wohnungsbaugesellschaften, die eine Vielzahl von Wohnungen vermieten, neigen erstens dazu, individuelle Ansprüche von Mietern pauschal abzuhandeln und zweitens achten sie darauf, Kosten und Aufwand zu sparen.

Drohende Entschädigung öffnet verschlossene Türen

Dabei gehört es bisweilen zur Taktik, notwendige Zustimmungen erst dann zu geben, wenn Gerichte die jeweiligen Vermieter dazu verpflichten und die Sache bis dahin auszusitzen.

Wesentlich empfindlicher als auf eine solche juristische Verpflichtung reagieren Wohnungsbaugesellschaften, die mit dem Vermieten von Wohnungen ihr Geld verdienen, darauf, Entschädigung für unterlassene Handlungen leisten zu müssen.

Eine Entschädigung von 11.000 Euro entspricht über den Daumen gepeilt einer Jahresmiete, die die Vermieterin für eine entsprechende Wohnung einstreichen würde.

Was können Sie tun?

Betroffene in einer vergleichbaren Situation können Vermieter, die die entsprechende Zustimmung verweigern, auf die Kosten einer vermutlichen Entschädigung hinweisen und somit Druck erzeugen, damit die Vermieter es erst gar nicht auf ein juristisches Verfahren ankommen lassen.