Statt Rente mit 63 eine Rente mit 64 Jahren

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In Deutschland sorgt das Thema โ€žvorzeitiger Renteneintrittโ€œ immer wieder fรผr Verwirrung. Viele Menschen halten sich an Schlagworte wie โ€žRente mit 63โ€œ oder โ€ž45 Versicherungsjahreโ€œ, obwohl die gesetzliche Realitรคt oft anders aussieht.

Tatsรคchlich verschiebt sich der abschlagsfreie Rentenbeginn fรผr jรผngere Jahrgรคnge zunehmend nach hinten. Gleichzeitig besteht weiter die Mรถglichkeit, ab dem 64. Lebensjahr in Rente zu gehen โ€“ aber in vielen Fรคllen nur mit Abschlรคgen. Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erlรคutert, worauf es ankommt, wenn Sie mit 64 Jahren in Rente gehen mรถchten.

Was bedeutet โ€žRente mit 63โ€œ und warum gibt es sie kaum mehr ohne Abschlag?

Der Begriff โ€žRente mit 63โ€œ stammt aus einer รคlteren Regelung, die es bestimmten Geburtsjahrgรคngen (vorrangig denen vor 1953) ermรถglichte, nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente zu gehen.

Spรคter wurde diese Grenze fรผr jรผngere Jahrgรคnge schrittweise angehoben. Das bedeutet, dass Menschen, die etwa ab 1964 geboren sind, nicht mehr vollstรคndig vom Modell โ€žRente mit 63โ€œ profitieren kรถnnen. Sie mรผssten sich die Frage stellen, ob sie dennoch frรผher in Rente gehen, und wenn ja, wie hoch die dafรผr anfallenden Abschlรคge sind.

Durch die stufenweise Anhebung der Altersgrenzen ist โ€žohne Abschlag mit 63โ€œ fรผr die meisten Versicherten heutzutage nicht mehr realisierbar. Trotzdem kursieren weiterhin Halbwahrheiten, etwa dass 45 Versicherungsjahre automatisch fรผr eine abschlagsfreie Rente mit 63 reichen.

Dies trifft nur auf Personen zu, die recht frรผh geboren wurden und deren Rentenbeginn noch unter die ursprรผnglichen รœbergangsregelungen fรคllt.

Welche Voraussetzungen gelten fรผr einen vorzeitigen Rentenbeginn?

Entscheidend fรผr den Zeitpunkt, ab dem eine Rente bezogen werden kann, ist zunรคchst das Geburtsjahr. Wer beispielsweise Mitte der 1960er-Jahre geboren wurde, kann seine abschlagsfreie Rente in den meisten Fรคllen erst spรคter als 63 in Anspruch nehmen.

Unabhรคngig vom Jahrgang sind allerdings die Wartezeiten wichtig. Wer 45 Beitragsjahre (Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte) vorweisen kann, darf einige Monate oder gar Jahre vor der eigentlichen Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen.

Bei Jahrgรคngen bis 1963 ist es unter gewissen Umstรคnden sogar mรถglich, mit 64 ohne Abzรผge in den Ruhestand zu starten.

Wer nicht auf 45 Jahre kommt, hat unter Umstรคnden die Mรถglichkeit, bereits ab 63 oder 64 Jahren eine vorgezogene Rente (Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte) zu beziehen.

In diesem Fall ist allerdings mit Rentenabschlรคgen zu rechnen, die ein Leben lang gelten. Mit Blick auf die Wartezeit sollte man unbedingt wissen, dass nicht nur reine Beschรคftigungszeiten zรคhlen, sondern auch andere rentenrechtlich relevante Phasen wie Kindererziehungszeiten oder Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I unter bestimmten Bedingungen angerechnet werden.

Beispiel: Wer ohne Schwerbehinderung und ohne 45 Jahre Versicherungszeit (also ohne Mรถglichkeit eines abschlagsfreien Bezugs) schon mit 64 Jahren in Rente gehen will, muss seine Wartezeit von 35 Jahren erfรผllen.

Dann entspricht die Zeitspanne zwischen 64 und der jeweiligen Regelaltersgrenze mehreren Monaten. Pro Monat entstehen Abschlรคge von 0,3โ€ฏ%. Aufsummiert kann das schnell zu einigen Prozentpunkten dauerhafter Minderung fรผhren.

Wie hoch fallen die Abschlรคge aus, wenn ich mit 64 in Rente gehe?

Wer plant, vor der Regelaltersgrenze โ€“ also dem gesetzlichen Renteneintrittsalter, das inzwischen zwischen 66 und 67 Jahren liegt โ€“ in den Ruhestand zu starten, muss fรผr jeden Monat, den er oder sie frรผher in Rente geht, einen Abschlag von 0,3โ€ฏ% auf die Bruttorente hinnehmen.

Das bedeutet, dass sich die Rentenminderung nach der Anzahl der Monate richtet, die man sich vor die abschlagsfreie Grenze legt.

Bei einem Rentenbeginn mit 64 kann der Abschlag je nach Geburtsjahrgang deutlich variieren. Je jรผnger man ist, desto weiter entfernt liegt die Regelaltersgrenze in Richtung 66 oder 67 Jahre. Infolgedessen sammelt sich รผber mehr Monate ein hรถherer Abschlag an.

Es ist ratsam, genau zu prรผfen, ab wann die Rente im eigenen Fall abschlagsfrei mรถglich ist. Insbesondere Menschen mit Schwerbehinderung oder 45 Beitragsjahren kรถnnen in manchen Fรคllen den Zeitpunkt fรผr eine abschlagsfreie Rente besser gestalten.

Warum kann ein Schwerbehindertenausweis besonders hilfreich sein?

Eine anerkannte Schwerbehinderung (mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50) รถffnet hรคufig eine Tรผr fรผr einen frรผheren Rentenbeginn โ€“ entweder mit niedrigerem oder gar keinem Abschlag. Grund dafรผr ist, dass fรผr die Rente wegen Schwerbehinderung eine andere, meist gรผnstigere Altersgrenze gilt.

Wer eine solche Altersrente in Anspruch nimmt, braucht zwar mindestens 35 Beitragsjahre, kommt dafรผr aber schon eher in den Genuss einer abschlagsfreien Rente.

AuรŸerdem sind die mรถglichen Rentenminderungen bei Schwerbehinderten geringer. Der Abschlag orientiert sich hier nicht an der Regelaltersgrenze (wie bei der Rente fรผr langjรคhrig Versicherte ohne Schwerbehinderung), sondern an einer deutlich frรผheren Schwelle. Dadurch fรคllt der maximale Abschlag oft spรผrbar geringer aus.

Allerdings sollte man hier bedenken, dass eine Schwerbehinderung in der Regel gesundheitliche Einschrรคnkungen bedeutet, sodass der โ€žVorteilโ€œ in der Rentenberechnung das persรถnliche Wohlbefinden nicht ausgleichen kann. Rein finanziell betrachtet ist ein Schwerbehindertenausweis dennoch oft ein groรŸer Vorteil beim frรผhzeitigen Rentenbezug.

Beispiel:

  • Ohne Schwerbehinderung orientiert sich der Abschlag an der Regelaltersgrenze (z.โ€ฏB. 66 oder 67 Jahre).
  • Mit Schwerbehinderung orientiert sich der Abschlag an einer vorverlegten Grenze (z.โ€ฏB. 64 oder 65 Jahre).
    Der Unterschied kann sich deutlich auf die monatliche Rentenhรถhe auswirken und macht einen Schwerbehindertenausweis in diesem Zusammenhang so wertvoll.

Lassen sich Abschlรคge wieder ausgleichen, wenn ich nach Rentenbeginn weiter arbeite?

Die Mรถglichkeit, neben dem Rentenbezug weiterhin unbegrenzt zu arbeiten, wurde vor einiger Zeit eingefรผhrt. Seitdem ist es Rentnerinnen und Rentnern erlaubt, ohne Anrechnung auf die monatliche Rente dazuzuverdienen.

Dennoch sollte man wissen, dass dadurch die bereits entstandenen Abschlรคge in der Regel nicht einfach aufgehoben werden. Wer vorzeitig in Rente geht und sich dafรผr Abschlรคge โ€žeinkauftโ€œ, hat eine lebenslange Rentenminderung, die nicht durch das Weiterarbeiten selbst wieder verschwindet.

Zwar kรถnnen durch zusรคtzliche Beitrรคge, die wรคhrend einer versicherungspflichtigen Beschรคftigung nach Rentenbeginn gezahlt werden, neue Rentenentgeltpunkte hinzukommen. Diese erhรถhen die Rentenhรถhe, รคndern jedoch nichts am Abschlag, der prozentual auf die Rente angewendet wird.

Ein Ausgleich von Abschlรคgen ist nur mรถglich, wenn man bereits vor dem Rentenbeginn entsprechende Zusatzbeitrรคge an die Rentenkasse zahlt (sogenannte โ€žAusgleichszahlungenโ€œ). Dadurch lรคsst sich ein Teil oder sogar der gesamte kรผnftige Abschlag vorzeitig finanzieren.

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Lohnt es sich, mit 64 in Rente zu gehen?

Ob ein Renteneintritt mit 64 attraktiv ist, hรคngt stets von der individuellen Situation ab. Wesentlich sind Fragen wie: Welche finanziellen Mittel stehen mir zur Verfรผgung? Kann ich mir die Abschlรคge leisten, ohne spรคter in finanzielle Engpรคsse zu geraten?

Verfรผge ich eventuell รผber einen Schwerbehindertenausweis, der mir eine abschlagsfreie Rente ermรถglicht? Und wie wichtig ist mir mehr Freizeit im Vergleich zum Einkommensverlust?

Wichtig ist, sich frรผhzeitig beraten zu lassen und eine Rentenauskunft bei der Deutschen Rentenversicherung einzuholen. Auf diese Weise lรคsst sich feststellen, welche Wartezeiten man bereits erfรผllt und wie hoch die zu erwartende Rente ausfรคllt. Zudem ist es sinnvoll, die eigene Gesundheit, die familiรคre Situation und mรถgliche Alternativen einzubeziehen.

Fรผr manche Menschen kann es sinnvoll sein, noch etwas lรคnger im Erwerbsleben zu bleiben, etwa um den Rentenanspruch zu erhรถhen oder zusรคtzliche Monate fรผr die Wartezeit zu sammeln.

Andere mรถchten ihre wohlverdiente Auszeit eher genieรŸen und akzeptieren den finanziellen Nachteil. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Konsequenzen genau abzuwรคgen, damit der Start in den Ruhestand nicht zu bรถsen รœberraschungen fรผhrt.

Fazit:

Die Mรถglichkeiten, mit 64 Jahren in Rente zu gehen, sind durchaus vorhanden. Wer vor 1964 geboren ist und 45 Versicherungsjahre oder eine Schwerbehinderung vorweisen kann, hat oft beste Chancen auf eine Rente ohne Abschlag. Fรผr alle anderen besteht die Option, ebenfalls frรผher in den Ruhestand zu treten, dann jedoch meist mit einer dauerhaften Rentenminderung. Gerade deshalb ist es ratsam, die eigene Situation sorgfรคltig zu prรผfen und gegebenenfalls Beratung in Anspruch zu nehmen. So lรคsst sich eine gut fundierte Entscheidung treffen, die der persรถnlichen und finanziellen Lage am besten gerecht wird.