Rentner sollte vor Antrag auf Sozialhilfe Selbsthilfe leisten – Das ist aber rechtswidrig

Vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe ist der Verweis auf Selbsthilfe rechtswidrig. Das gilt zu mindestens dann, wenn keine Verpflichtung im Rahmen der Selbsthilfe zur Vereinbarung fรผr eine Ratenzahlung fรผr die Abfallgebรผhr besteht.

Wenn ein Rentner, dessen monatliche Einnahmen (Rente und Wohngeld) nur knapp unter der Grenze der Grundsicherung nach dem SGB XII liegen, und er durch die Zahlung der Abfallgebรผhren (fรผr einen Monat) grundsicherungsbedรผrftig wird, darf das Sozialamt ihn nicht darauf verweisen, er kรถnne im Rahmen seiner Selbsthilfe eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Glรคubiger vereinbaren, so das Sozialgericht Freiburg Az. S 7 SO 1434/20 – bestรคtigt durch das Landessozialgericht Baden-Wรผrttemberg, Az. L 7 SO 3429/20 ).

Denn die Bedรผrftigkeit in der Grundsicherung nach dem SGB XII ist, soweit nicht ausdrรผcklich anders normiert, nach dem sog Monatsprinzip zu ermitteln.

Demnach kรถnnen auch seltenere als monatliche Zahlungsverpflichtungen im Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung, die zu auf einzelne Monate beschrรคnkten Bedarfsspitzen fรผhren, auch fรผr einzelne Monate einen Anspruch auf “laufende” Leistungen auslรถsen (hier: Jahresabfallgebรผhr).

Eine Aufteilung solcher Bedarfe auf hypothetische monatliche Teilbetrรคge ist nicht zulรคssig.

Der Nachranggrundsatz des ยง 2 SGB XII stellt keine isolierte Ausschlussnorm dar (BSG Rechtsprechung)

Danach ist ein Leistungsempfรคnger nicht verpflichtet hinsichtlich der Jahresabfallgebรผhr mit deren Glรคubiger eine Ratenzahlungsverpflichtung zu vereinbaren, um eine Aufteilung auf zwรถlf Monate zu erreichen.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

1. Einem Anspruch des Rentners steht auch – nicht entgegen, dass gem. ยง 7 Abs. 1 Nr. 5 Wohngeldgesetz (WoGG) die Empfรคnger und Empfรคngerinnen von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII vom Wohngeld ausgeschlossen sind.

Dieser Leistungsausschluss betrifft nur den – vorliegend nicht streitigen – Anspruch auf Wohngeld. Aber eine entsprechende Ausschlussnorm, wonach Empfรคnger von Wohngeld vom Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII ausgeschlossen sind, enthรคlt das SGB XII nicht.

2. Der Sozialhilfetrรคger irrt, wenn es annimmt, dass die Jahresabfallgebรผhr auf hypothetische monatliche Teilbetrรคge umzurechnen und nur in deren Hรถhe als Bedarf anzuerkennen sei. Denn der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), ist die Bedรผrftigkeit in der Grundsicherung nach dem sog. Monatsprinzip zu ermitteln.

3. Danach kรถnnen auch seltenere als monatliche Zahlungsverpflichtungen im Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung, die zu einzelnen, auf einzelne Monate beschrรคnkten Bedarfsspitzen fรผhren, auch fรผr einzelne Monate insgesamt einen Anspruch auf – laufende – Leistungen auslรถsen.

Dies hat das BSG etwa zu Bedarfsspitzen bei der Beschaffung von Heizmaterial (BSG, Urteil vom 8.5.2019, B 14 AS 20/18 R -), bei seltener als monatlich anfallenden Eigenheim-Nebenkosten (BSG, Urteil vom 24.2.2011, B 14 AS 61/10 R -; BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 36/12 โ€“ ), bei Nebenkosten-Nachforderungen aufgrund der Jahresabrechnung des Vermieters (BSG, Urteil vom 22.3.2010, B 4 AS 62/09 R – ) und gerade auch bei der jรคhrlichen Fรคlligkeit von Abfallgebรผhren (BSG, Urteil vom 15.4.2008, Az. B 14/7b AS 58/06 R ; BSG vom 21.6.2023 – B 7 AS 14/22 R – und ganz aktuell BSG, Urteil v. 28.11.2024 – B 4 AS 18/23 R – ).