Stellen Sie sich vor, das Finanzamt friert Ihr Bankkonto ein und beginnt dann, nach weiteren Konten von Ihnen zu suchen – sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Genau dies geschah mit einem Ehepaar, das beschloss, rechtlich gegen diese Praxis vorzugehen.
Ihr Fall erreichte schließlich den Bundesfinanzhof in München, der am 7. März 2024 ein richtungsweisendes Urteil (Az: IX R 33/21) fällte. Wir erläutern die Einzelheiten und die Bedeutung dieses Urteils – das auch für andere Behörden wie das Jobcenter gelten dürfte.
Ehepaar stellte sich gegen das Finanzamt
Das Ehepaar erhielt einen Steuerbescheid mit Säumniszuschlägen und zweifelte die Rechtmäßigkeit dieser Strafen an. Trotz ihres Einspruchs gegen den Bescheid griff das Finanzamt hart durch und fror ihr Konto ein, ohne den Einspruch zu berücksichtigen.
Darüber hinaus beantragte die Behörde einen sogenannten Kontenabruf, um weitere Konten des Paares zu ermitteln. Empört über diese Maßnahmen und besorgt um ihre Datenschutzrechte, beschloss das Ehepaar, sich zur gerichtlich Wehr zu setzen.
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Erst die Berufung am Bundesfinanzhof zeigte Wirkung
Nachdem sowohl der Bundesdatenschutzbeauftragte als auch das Finanzgericht in Köln das Vorgehen des Finanzamts als rechtens betrachteten, legte das Ehepaar Berufung beim Bundesfinanzhof ein.
Der Bundesfinanzhof stellte in seinem Urteil allerdings klar, dass die Praxis der automatisierten Kontenabfrage und -pfändung ohne angemessene Berücksichtigung der individuellen Rechtsmittel der Betroffenen den Datenschutzgrundrechten widerspricht. Der Kontenabruf, der es dem Finanzamt ermöglicht, Bankkonten im Inland und im Ausland zu ermitteln, kann gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstoßen.
Insbesondere verweist das Gericht auf das Schufa-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches besagt, dass Personen das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen haben, die ihre Daten betreffen.
Datenschutz und die Rechte der Bürger
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für den Umgang der Finanzverwaltung mit den Daten der Bürger. Es bestätigt, dass auch automatisierte Verfahren von Behörden einer kritischen Prüfung auf ihre Verhältnismäßigkeit und die Wahrung der Grundrechte unterzogen werden müssen. Das Urteil stärkt damit die Bürgerrechte und setzt neue Maßstäbe für den Datenschutz.
Ausblick und die Bedeutung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs könnte erst der Anfang einer Reihe von Veränderungen im Umgang mit personenbezogenen Daten sein. Es erfordert eine sorgfältige Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Verwaltung und den Grundrechten der Bürger. Da auch Jobcenter und Arbeitsagenturen automatisierte Abfragen starten, um vermeintlichen Leistungsbetrug aufzudecken, hat das Urteil auch hier Bedeutung und Auswirkungen.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.