Rückenwirkend die Rente nach diesem Urteil dann erhöhen

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Das Sozialgericht Hannover hat(Az. S 78 R 8/21) entschieden, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Rentnerinnen und Rentner aktiv und ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Teilrente hinweisen muss, sobald der Träger erkennt, dass nach Rentenbeginn weitergearbeitet oder – wie im entschiedenen Fall – unentgeltlich gepflegt wird.

Unterbleibt dieser Hinweis, kann der ursprüngliche Rentenbescheid rückwirkend korrigiert werden. Die Entscheidung ist seit März 2025 rechtskräftig, weil die DRV keine Berufung eingelegt hat.

Warum gilt die Informationspflicht als Meilenstein für Rentenbeziehende?

Das Gericht betont, dass es sich nicht um einen bloßen Service, sondern um eine gesetzliche Pflicht handelt.

Die DRV muss von sich aus erläutern, dass durch eine Teilrente weitere Pflichtbeiträge – etwa aus Beschäftigung oder aus Beiträgen der Pflegekasse – erworben werden können und dass sich Abschläge beim vorzeitigen Renteneintritt dadurch reduzieren lassen. Unterlassene Information verletzt somit das Recht der Versicherten auf vollständige Beratung über rentensteigernde Optionen.

Wer profitiert unmittelbar von der Entscheidung?

Besonders große Auswirkungen hat das Urteil für Personen, die nach Beginn ihrer Vollrente Angehörige pflegen.

Die Pflegekasse zahlt in solchen Fällen Rentenbeiträge, wenn eine Teilrente bezogen wird; ein Jahr Pflege kann die Monatsrente je nach Pflegegrad um 7 bis 35 Euro erhöhen. Da vielen Pflegenden diese Option verschwiegen wurde, können sie jetzt eine rückwirkende Neuberechnung verlangen.

Welche Rolle spielt der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen seit 2023?

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es für vorgezogene Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Wer eine Teilrente bezieht, darf seither unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die laufende Rentenzahlung gekürzt wird – ein zusätzlicher Anreiz, den Rentenbezug flexibel mit Arbeit oder Pflege zu kombinieren.

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Wie können Betroffene jetzt vorgehen?

Zunächst sollten Rentnerinnen und Rentner prüfen, ob sie bei Rentenbeginn schriftlich oder im Beratungsgespräch ausdrücklich auf die Teilrente aufmerksam gemacht wurden.

Liegt kein solcher Hinweis vor, kann ein Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheids gestellt werden; die Sozialgerichte werten das Unterlassen als rechtswidrig.

Ein Widerspruch oder eine Klage ist grundsätzlich auch noch Jahre nach dem ersten Bescheid möglich, sofern der Informationsmangel nachweisbar ist. Unabhängige Beratungsstellen der Sozialverbände, Rentenberaterinnen oder Rechtsanwälte helfen, die Erfolgsaussichten einzuschätzen.

Welche finanziellen Effekte sind realistisch?

Die Wahl einer Teilrente von beispielsweise 99,99 Prozent kann bereits ausreichen, um alle sozialversicherungsrechtlichen Vorteile einer Pflichtversicherung zu sichern und gleichzeitig nahezu die vollständige Rente zu beziehen.

Wer dagegen frühzeitig nur 50 Prozent der Rente abruft, halbiert die Abschläge – der nicht vorzeitig ausgezahlte Rest wird später ohne Kürzung gezahlt. In Kombination mit fortlaufenden Beiträgen kann das Endergebnis deutlich höher liegen als bei einem sofortigen Vollrentenbezug.

Fazit: Warum sich eine Neubewertung jetzt lohnt

Das Urteil zeigt, dass Rechtssicherheit erst entsteht, wenn Versicherte ihre Ansprüche kennen und geltend machen.

Wer nach Rentenbeginn weiterarbeitet oder Angehörige pflegt, sollte seinen Bescheid sorgfältig prüfen lassen.

Schon ein kurzer fehlender Hinweis kann über Jahre hinweg zu spürbaren Einbußen bei der Rente geführt haben. Die neue Rechtsprechung eröffnet deshalb eine seltene Chance, finanzielle Lücken zu schließen und den Ruhestand selbstbestimmt zu gestalten.