Wer wenig verdient, Bรผrgergeld oder eine Rente bezieht, muss den Taler zwei mal umdrehen. Discounter wie Aldi locken mit Schnรคppchen. Doch hinter diesen “Preisknรผllern” verbergen sich manchmal Fallen bei denen die Kunden am Ende drauf zahlen.
Preisangaben nicht korrekt
Die Supermarktregale wirken auf den ersten Blick vertraut. Doch zwischen Fenchelknollen, Joghurtbechern und Aktionsbroschรผren haben sich Preisangaben eingeschlichen, die selbst routinierten Kundinnen und Kunden Rรคtsel aufgeben.
Ein genauer Blick zeigt: Nicht immer ist ein vermeintliches Schnรคppchen auch wirklich gรผnstig โ und gelegentlich bewegen sich Hรคndler gefรคhrlich nah an der Grenze des Erlaubten.
Der jรผngste Streit um โBeispielpreiseโ bei AldiโฏSรผd und die als โSuperknรผllerโ deklarierten Angebote bei Edeka zeigen, wie kreativ der Handel geworden ist, um Angebote attraktiver erscheinen zu lassen.
Was ist noch legitime Verkaufspsychologie, was schon Irrefรผhrung โ und wie kรถnnen Verbraucher darauf reagieren?
โBeispielpreiseโ tรคuschen
Im Mรคrz sorgte eine Fenchelknolle bei AldiโฏSรผd fรผr Empรถrung. Auf der Preistafel prangte der Preis von 88โฏCent โ allerdings nur fรผr exakt 260โฏGramm. Wer, wie die meisten Kundinnen und Kunden, eine schwerere Knolle auswรคhlte, zahlte an der Kasse teils das Doppelte.
ARDโMarktcheck deckte den Fall auf und stufte die gewรคhlte Gewichtsangabe als โBeispielpreisโ ein โ ein Wert, der mit der รผblichen Verkehrsauffassung (Kilopreis oder Stรผckpreis) wenig zu tun hat
Das Problem liegt im Detail: Die deutsche Preisangabenverordnung verpflichtet Hรคndler dazu, bei loser Ware einen Grundpreis anzugeben, der fรผr Konsumentinnen und Konsumenten eindeutig vergleichbar ist.
Erlaubt sind bei Lebensmitteln grundsรคtzlich 1โฏKilogramm, 100โฏGramm, 1โฏLiter oder 100โฏMilliliter. Eine willkรผrliche 260โGrammโAngabe erfรผllt diesen Zweck gerade nicht. Verbraucherschรผtzerinnen bemรคngeln daher, dass Kundschaft ohne Taschenrechner kaum nachvollziehen kรถnne, wie teuer der Einkauf tatsรคchlich wird.
Verstรถรt ein Beispielpreis gegen das Gebot der Preisklarheit?
Der ยงโฏ1 der Preisangabenverordnung verlangt, dass jede Preisangabe der โallgemeinen Verkehrsauffassungโ entsprechen und โklar erkennbarโ sein muss.
Wird ein Preis gewรคhlt, der sich aus einer exotischen Mengeneinheit ergibt, drรคngt sich der Verdacht einer Irrefรผhrung auf. Gleiches gilt aus wettbewerbsrechtlicher Sicht: ยงโฏ5 UWG erklรคrt Preisangaben fรผr unlauter, wenn sie geeignet sind, die geschรคftliche Entscheidung des Verbrauchers durch Tรคuschung zu beeinflussen.
Genau dort setzt die Klage der Verbraucherzentrale BadenโWรผrttemberg an, die AldiโฏSรผd inzwischen vor Gericht bringt. Das Unternehmen spricht zwar von einem โbedauerlichen Einzelfallโ, verspricht kรผnftig Kilopreise auszuweisen und verweist darauf, Beispielpreise nur bei losen Waren in offenen Schalen zu nutzen .
Rechtlich ist das riskant: Seit Maiโฏ2022 erfordert das EUโweit harmonisierte Recht bei Preisermรครigungen stets den niedrigsten Preis der letzten 30โฏTage als Referenz. Alles, was davon ablenkt, widerspricht zumindest dem Geist der Regelung.
Welche Lehren zieht AldiโฏSรผd aus dem EuGHโUrteil zur โPreisโHighlightโ-Ananas?
Im Oktoberโฏ2024 rรผgte der Europรคische Gerichtshof (EuGH) AldiโฏSรผd wegen einer Prospektwerbung, die eine Ananas zum โPreisโHighlightโ erklรคrte: 1,49โฏEuro statt 1,69โฏEuro.
Kleingedruckt stand, dass der niedrigste Preis der vergangenen 30โฏTage 1,39โฏEuro betragen hatte โ das vermeintliche Highlight war also teurer als ein frรผherer regulรคrer Preis.
Der EuGH stellte klar, dass Hรคndler den echten 30โTageโReferenzpreis nicht irgendwo im Kleingedruckten verstecken dรผrfen; er ist die zwingende Vergleichsgrundlage. Wer das Prinzip unterlรคuft, verstรถรt gegen Artikelโฏ6a der PreisangabenโRichtlinie 98/6/EG in der Fassung der Modernisierungsrichtlinie 2019/2161.
Fรผr AldiโฏSรผd bedeutet das Urteil eine deutliche Warnung: Kundenfreundliche Transparenz ist was anderes.
Was steckt wirklich hinter Edekas โSuperknรผllernโ?
Auch Edeka gerรคt unter Druck โ diesmal wegen seiner wรถchentlichen โSuperknรผllerโ. Auf Prospektseiten prangen Rabatte von bis zu 58โฏProzent, doch am Rand findet sich โ teilweise mikroskopisch klein โ der Hinweis โNiedrigster Gesamtpreis der letzten 30โฏTageโ.
In mehreren Fรคllen entsprach dieser Wert exakt dem aktuellen Aktionspreis oder lag sogar darunter, wie Marktcheck nachwies.
Wer also glaubt, gerade ein besonders gรผnstiges Angebot erwischt zu haben, erhรคlt hรคufig einen Preis, der keineswegs einmalig gรผnstig ist.
Der Begriff โSuperknรผllerโ ist nicht geschรผtzt. Er suggeriert einen auรergewรถhnlichen Preisvorteil, ohne auch nur annรคhernd zu definieren, was โKnรผllerโ bedeutet.
Juristisch ist das heikel: Wird mit einer konkreten Ersparnis geworben und stellt sich heraus, dass der Rabatt in Wahrheit gar keiner ist, droht ebenfalls ein Verstoร gegen ยงโฏ5 UWG. PDFโHandzettel aus Aprilโฏ2025 zeigen, dass EdekaโFranchisenehmer weiterhin mit Sternchen auf den 30โTageโPreis verweisen โ allerdings nur, wenn man ganz genau hinschaut.
Genรผgt Kleingedrucktes, um gesetzliche Pflichten zu erfรผllen?
Ob eine Preisangabe transparent ist, entscheidet sich nicht allein an der formalen Information, sondern an ihrer Wahrnehmbarkeit. Der EuGH hat in seiner AldiโEntscheidung ausdrรผcklich betont, dass eine Nennung des Referenzpreises in โdeutlich kleinerem Textโ den Anforderungen nicht gerecht wird. Gleiches wird man fรผr Fuรnoten oder Randnotizen zu Edekas โSuperknรผllernโ annehmen mรผssen.
Auch die Preisangabenverordnung verlangt, dass Grundโ und Endpreis โunmissverstรคndlich, klar erkennbar und gut lesbarโ angegeben werden. Ein Sternchen, das auf einen Absatz am Seitenrand verweist, erfรผllt diesen Anspruch nur, wenn es fรผr Durchschnittskunden ohne Mรผhe wahrnehmbar ist โ was in vielen Fรคllen zweifelhaft bleibt.
So kรถnnen sich Verbraucher wehren
Wer sich durch einen intransparenten Preis benachteiligt fรผhlt, kann sich an die fรผr den Markt zustรคndige Verbraucherzentrale wenden und den Vorgang dokumentieren.
Fotos vom Regalยญetikett oder Prospekt, der Kassenbon und eine kurze Schilderung reichen meist, damit Juristinnen prรผfen, ob eine Abmahnung oder Klage in Betracht kommt.
Die Verbraucherzentrale BadenโWรผrttemberg hat mit ihrer Klage gegen Aldi gezeigt, dass solche Verfahren Wirkung entfalten kรถnnen โ bis zum obersten europรคischen Gericht.
Daneben kรถnnen Betroffene direkt beim Ordnungsamt Anzeige erstatten: Verstรถรe gegen die Preisangabenverordnung sind Ordnungswidrigkeiten und kรถnnen mit Buรgeldern geahndet werden. In besonders gravierenden Fรคllen drohen Abmahnungen durch Wettbewerber oder Wettbewerbsverbรคnde.
Wie lรคsst sich beim Einkauf dennoch sparen โ ganz ohne Trick?
Trotz rechtlicher Fortschritte bleibt der Alltag im Supermarkt anspruchsvoll. Wer sein Smartphone griffbereit hat, kann das Gewicht der Ware am Wiegeterminal prรผfen oder kurz den Kilopreis ausrechnen.
Ein Blick auf unabhรคngige PreisvergleichsโApps hilft, den โSuperknรผllerโ in Relation zu setzen. Wichtig ist, grundsรคtzlich auf die Grundpreisangabe zu achten und Aktionsbegriffe kritisch zu hinterfragen.
Nicht nur im Lebensmittelbereich lohnt der Blick aufs Kleingedruckte: Auch Stromโ und Gasยญtarife oder OnlineโWerbung arbeiten mit Rabatten, die ihren Namen nicht verdienen.
Dienste wie โRemindโฏMeโ, die Vertrรคge regelmรครig auf versteckte Preiserhรถhungen prรผfen, kรถnnen helfen, Kostenfallen zu vermeiden โ รคhnlich wie aktuelle Sammelklagen gegen Datenkraken die eigene Verhandlungsposition stรคrken.
Und die Lehren daraus?
Die Modernisierungsrichtlinie und die EuGHโUrteile haben das grundsรคtzlich legitime Geschรคft mit Preisaktionen auf ein neues Fundament gestellt.
Statt reiner Werbefantasie gilt nun ein objektiver Referenzwert: der niedrigste Preis der vergangenen 30โฏTage. AldiโฏSรผd, Edeka und andere Hรคndler werden kรผnftig noch genauer darauf achten mรผssen, wie sie ihre Aktionen auszeichnen โ nicht zuletzt, weil findige Kundschaft und Verbraucherschรผtzer jede Unschรคrfe รถffentlich machen.
Ob die Kreativitรคt der Marketingabteilungen dadurch gebremst wird, bleibt abzuwarten. Fest steht: Preistransparenz wird zum Wettbewerbsfaktor. Hรคndler, die ehrlich kalkulieren und verstรคndliche Preisetiketten nutzen, stรคrken ihre Glaubwรผrdigkeit โ ein Wert, der sich langfristig in Kundentreue auszahlt.
Fazit โ lohnt sich der zweite Blick?
Ja. Die jรผngsten Auseinandersetzungen zeigen, dass vermeintliche Schnรคppchen einen hohen Informationswert haben โ allerdings oft nur fรผr diejenigen, die ganz genau hinsehen.
Wer Preisschilder liest, Gewichte prรผft und Kleingedrucktes nicht รผbersieht, kann sein Haushaltsbudget auch in Zeiten hoher Inflation entlasten. Gleichzeitig signalisiert die Rechtsprechung: Irrefรผhrung zahlt sich fรผr Hรคndler nicht mehr aus. Der Weg zu fairen Preisen ist zwar mรผhsam, doch er wird Schritt fรผr Schritt erstritten โ von Verbraucherverbรคnden, Gerichten und kritischen Kundinnen und Kunden selbst.
Und vielleicht wird der Begriff โSuperknรผllerโ ja irgendwann tatsรคchlich das halten, was er heute nur verspricht aber nicht hรคlt.