Eine Pfändung an der Rente – und dann kommt die Scheidung mit Versorgungsausgleich. Darf die Rentenversicherung das Anrecht trotzdem intern teilen? Und wer haftet, wenn das Familiengericht von der Pfändung nichts erfährt?
Genau darum ging es in einem Verfahren aus Wiesbaden, das bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) getragen wurde. Die Botschaft der Gerichte ist deutlich: Eine Pfändung blockiert den Versorgungsausgleich nicht. Der Ausgleich erfolgt – aber unter Beachtung der Beschränkungen, die aus Pfändung und Überweisung folgen.
Und: Eine generelle Informationspflicht des Versorgungsträgers gegenüber dem Familiengericht im Interesse des Pfändungsgläubigers gibt es nicht.
Inhaltsverzeichnis
Worum es konkret ging
Eine Gläubigerin hatte gegen die Rentenansprüche eines Mannes gepfändet. Währenddessen lief dessen Scheidungsverfahren. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich durch und teilte das Anrecht intern.
Die Gläubigerin fühlte sich dadurch benachteiligt und verlangte Schadensersatz – in Höhe der Differenz zwischen dem, was sie aus der Pfändung ohne Ausgleich erhalten hätte, und dem, was tatsächlich geflossen ist (Zeitraum Juni bis Dezember 2015). Sie argumentierte, die zuständige Zusatzversorgungskasse hätte das Familiengericht über die Pfändung informieren müssen.
Die Entscheidungen der Gerichte
Das Amtsgericht Wiesbaden wies die Klage ab. Begründung: Selbst bei einer Information des Gerichts wäre kein sicherer Mehrertrag für die Gläubigerin entstanden, denn der Versorgungsausgleich ist rechtlich zulässig – auch bei gepfändeten Anrechten. Das Landgericht Wiesbaden (5 S 9/19) bestätigte:
Das Pfändungspfandrecht verbietet den Versorgungsausgleich nicht, es begrenzt ihn nur. Die begehrte Zahlung von knapp 1.959,25 Euro blieb aus.
Der BGH (XII ZR 28/20) hat diese Linie später klargezogen: Gepfändete und zur Einziehung überwiesene Versorgungsanrechte können im Versorgungsausgleich durch interne Teilung ausgeglichen werden. Ein Zahlungsverbot an den Schuldner steht dem nicht entgegen.
Eine allgemeine Pflicht des Versorgungsträgers, das Familiengericht proaktiv über die Pfändung zu informieren, besteht nicht. Für die Gläubigerin bedeutete das: kein Schadensersatz, weil ihre Rechtsposition durch die (unter Pfändungsbeschränkungen) zulässige Teilung nicht verletzt wurde.
Was heißt das für die Praxis?
Der Fall macht zweierlei deutlich: Erstens genießt der Versorgungsausgleich als Teil der Scheidungsfolgen hohes Gewicht – auch neben der Zwangsvollstreckung. Zweitens sind Pfändungsgläubiger gut beraten, ihre Rechte aktiv zu sichern, statt auf eine „automatische“ Beteiligung des Versorgungsträgers zu hoffen.
Entscheidend ist die ordnungsgemäße Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner sowie die fortlaufende Kontrolle der Zahlflüsse. Kommt es zur internen Teilung, können sich vollstreckungsrechtliche Reibungsverluste (z. B. Teilungskosten) ergeben – die hat der Gläubiger grundsätzlich hinzunehmen.
Schnellüberblick: Versorgungsausgleich & Pfändung
Frage | Kurzantwort |
Sperrt eine Pfändung den Versorgungsausgleich? | Nein. Der Ausgleich findet statt – unter den Beschränkungen aus Pfändung/Überweisung. |
Muss der Versorgungsträger das Familiengericht über Pfändungen informieren? | Nein, keine generelle Informationspflicht zugunsten des Pfändungsgläubigers. |
Hat der Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz, wenn nicht informiert wurde? | Regelmäßig nein, wenn der Ausgleich rechtmäßig war und kein kausaler Mehrschaden nachweisbar ist. |
Was bedeutet „interne Teilung“? | Aufteilung des Anrechts im Versorgungssystem; Zahlungen an den ausgleichsberechtigten Ex-Partner entstehen innerhalb des Trägers. |
Und die Pfändung? | Bleibt bestehen; der Träger zahlt unter Beachtung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. |
Tipps für Gläubigerinnen und Gläubiger
Wer pfändet, braucht Sorgfalt und Timing. Wichtig ist, dass der Pfändungsbeschluss wirksam zugestellt wird und die Drittschuldnererklärung vollständig vorliegt. Läuft parallel eine Scheidung, sollte der Gläubiger aktiv kommunizieren – mit Drittschuldner und ggf. mit dem eigenen Vollstreckungsorgan.
Denn der Versorgungsausgleich lässt sich nicht per Pfändung „wegdrücken“, sondern nur in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen begrenzen.
Was Betroffene wissen sollten
Wer sich scheiden lässt, kann sich nicht darauf verlassen, dass eine Pfändung die Rententeilung verhindert. Umgekehrt bedeutet die Teilung nicht, dass Gläubiger leer ausgehen. Es geht um Ausgleich, nicht um Vorrang um jeden Preis.
Das Familiengericht muss beide Interessen – Ausgleichsberechtigte/r und Pfändungsgläubiger/in – fair austarieren. Am Ende steht häufig ein Ergebnis, das für beide Seiten zumutbar ist, auch wenn niemand „alles“ bekommt.
Fazit
Die Wiesbadener Entscheidungen, bestätigt durch den BGH, schaffen Rechtssicherheit: Pfändung und Versorgungsausgleich schließen einander nicht aus. Sie greifen ineinander – mit klaren Spielregeln. Für Gläubiger heißt das: Rechte sichern, Zustellungen sauber dokumentieren, Zahlungen prüfen.
Für Ausgleichsberechtigte: Anspruch prüfen und durchsetzen, selbst wenn eine Pfändung im Raum steht. Für alle Beteiligten gilt: Wer die Mechanik versteht, verliert kein Geld durch vermeidbare Fehler.