EM-Rente rückwirkend – muss ich jetzt Krankengeld zurückzahlen?

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Wer einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellt, braucht Geduld. Zwischen Antragstellung und Bescheid verstreichen nicht selten mehrere Monate. Häufig schließt sich sogar ein Widerspruchs- oder Klageverfahren an, sodass ein Jahr und mehr vergehen kann.

In dieser Zeit sichern die meisten Betroffenen ihren Lebensunterhalt zunächst mit Krankengeld und – falls der Rentenbescheid weiter auf sich warten lässt – später mit Arbeitslosengeld. Manche landen nach Auslaufen dieser Ansprüche beim Jobcenter und erhalten Bürgergeld. Diese Abfolge ist normal und rechtlich vorgesehen.

Die naheliegende Frage lautet dann: Was passiert, wenn die Erwerbsminderungsrente am Ende rückwirkend bewilligt wird? Drohen Rückforderungen? Oder gibt es eine Nachzahlung?

Übergangsleistungen bis zum Rentenbescheid: Krankengeld, ALG und Bürgergeld

Während der Prüfung des Rentenantrags greifen unterschiedliche Sicherungssysteme. Krankengeld fängt Beschäftigte auf, die wegen Krankheit länger arbeitsunfähig sind. Läuft das Krankengeld aus oder endet das Beschäftigungsverhältnis, folgt häufig Arbeitslosengeld, sofern die Voraussetzungen vorliegen.

Ist auch dieses Kapitel abgeschlossen und der Bescheid weiterhin offen, springt das Jobcenter mit Bürgergeld ein. Jede dieser Leistungen hat eigene Anspruchsvoraussetzungen und Berechnungsregeln. Für Betroffene wichtig ist vor allem, dass sie in dieser Übergangszeit nicht ohne Absicherung bleiben.

Der entscheidende Moment: Rückwirkende Bewilligung der Rente

Wenn die Rentenversicherung die Erwerbsminderungsrente bewilligt und der Anspruch rückwirkend beginnt, entsteht oft eine Rentennachzahlung für die vergangenen Monate.

Gleichzeitig wurden in genau diesen Monaten bereits Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Bürgergeld gezahlt. Es liegt nahe anzunehmen, man müsse nun Teile dieser Leistungen zurückgeben. Genau hier sorgt das Sozialrecht für klare Verhältnisse – und nimmt den Druck von den Betroffenen.

Verrechnung erfolgt zwischen den Behörden – nicht mit dem Konto der Betroffenen

Die zentrale Botschaft lautet: Die beteiligten Leistungsträger verrechnen untereinander. Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Jobcenter und Rentenversicherung stimmen ab, wer für welchen Zeitraum zuständig war und welche Beträge anzurechnen sind.

Damit vermeiden die Systeme eine Doppelzahlung für denselben Zeitraum. Für Versicherte ist entscheidend: Sie müssen selbst nichts zurückzahlen. Es gibt keine Pflicht, bereits erhaltenes Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Bürgergeld aus eigener Tasche zu erstatten. Die Ausgleichsmechanismen greifen ohne Mitwirkung der Betroffenen.

Rechtlich wird das dadurch abgesichert, dass Erstattungsansprüche zwischen den Trägern vorgesehen sind. In der Praxis bedeutet das: Geht eine Rentennachzahlung ein, werden aus dieser Nachzahlung zunächst die Erstattungsansprüche der Kassen oder Behörden bedient.

Was darüber hinaus verbleibt, wird an die bzw. den Versicherten ausgezahlt. Reicht die Nachzahlung nicht aus, um alle Erstattungsansprüche vollständig zu decken, ist das nicht das Problem der Betroffenen; es wird keine private Rückforderung bei ihnen ausgelöst.

Wenn die Rente niedriger ist als die Übergangsleistungen

Nicht selten fällt die Erwerbsminderungsrente niedriger aus als das zuvor gezahlte Krankengeld oder Arbeitslosengeld. Das wirkt im ersten Moment beunruhigend. An der Nicht-Rückzahlung ändert das jedoch nichts.

Auch dann bleibt es dabei: Es entsteht kein persönlicher Rückzahlungsanspruch gegen die oder den Versicherten. Die Behörden klären den finanziellen Ausgleich untereinander. Für Betroffene bedeutet das Planungssicherheit, selbst wenn die laufende Rente künftig geringer ist als die zuvor erhaltenen Leistungen.

Wenn die Rente höher ist: Die Differenz bleibt bei Ihnen

Die erfreuliche Kehrseite: Liegt die bewilligte Rente für den rückwirkenden Zeitraum über den damals erhaltenen Übergangsleistungen, steht die Differenz den Betroffenen zu. In solchen Konstellationen resultiert aus der rückwirkenden Bewilligung eine Auszahlung an die oder den Versicherten.

Dieses Plus ist gewissermaßen der finanzielle Ausgleich dafür, dass die Rente im Nachhinein höher bewertet wurde als die übergangsweise gezahlten Leistungen.

Wie das in der Praxis aussieht

Stellen Sie sich vor, zwischen Juni und Oktober wurden monatlich 1.100 Euro Arbeitslosengeld gezahlt. Im Dezember bewilligt die Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente ab Juni in Höhe von 1.250 Euro monatlich.

Die Rentenversicherung ermittelt für die Monate Juni bis Oktober eine Nachzahlung. Aus dieser Nachzahlung erhält die Agentur für Arbeit für denselben Zeitraum ihren Erstattungsbetrag in Höhe der zuvor gezahlten 1.100 Euro pro Monat. Die Differenz von 150 Euro pro Monat bleibt bei der oder dem Versicherten und wird ausgezahlt.

Umgekehrt gilt: Fiele die Rente für diesen Zeitraum nur 950 Euro hoch aus, würde die Agentur für Arbeit ihren Erstattungsanspruch in Höhe von 950 Euro pro Monat direkt von der Rentenversicherung erhalten. Es gäbe keine Rückforderung gegenüber der oder dem Versicherten für die restlichen 150 Euro, die das Arbeitslosengeld damals höher war.

Auswirkungen auf den laufenden Bezug: Nahtloser Übergang

Mit dem Rentenbeginn endet die Zuständigkeit der anderen Leistungsträger. Krankengeld und Arbeitslosengeld werden ab dem maßgeblichen Rentenstart nicht mehr gezahlt. Beim Bürgergeld wird der Anspruch entsprechend angepasst.

Für den laufenden Monat stellt sich die Leistung in der Regel automatisch um. Relevant sind dann die monatliche Rentenzahlung sowie die damit verbundenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentnerinnen und Rentner. Änderungen müssen der Krankenkasse und – falls bisher Bürgergeld bezogen wurde – dem Jobcenter angezeigt werden, damit alle Unterlagen konsistent sind. Ein zusätzliches Zutun, um Rückzahlungen zu vermeiden, ist nicht erforderlich.

Was Betroffene dennoch im Blick behalten sollten

Auch wenn die Verrechnung ohne eigenes Eingreifen erfolgt, lohnt es sich, die Bescheide sorgfältig zu prüfen. Wichtig sind klare Zeiträume, nachvollziehbare Beträge und der Beginn der Rente. Bei Unklarheiten empfiehlt sich eine zeitnahe Rückfrage bei der jeweils genannten Stelle.

Wer während der Wartezeit den Überblick über Unterlagen, Krankschreibungen und Bescheide behält, erleichtert bei Rückfragen die Klärung. Unterstützung bieten Sozialverbände, Rentenberatungen und – bei rechtlichen Differenzen – Beratungsstellen oder Rechtsbeistände mit Schwerpunkt Sozialrecht.

Fazit: Rückwirkende Bewilligung bedeutet für Betroffene keinen Bumerang

Die wochen- oder monatelange Ungewissheit bis zum Rentenbescheid ist belastend. Umso wichtiger ist der rechtliche Schutzmechanismus, der doppelte Zahlungen verhindert, ohne die Betroffenen in die Rückzahlungspflicht zu nehmen.

Wird die Erwerbsminderungsrente rückwirkend bewilligt, verrechnen die Leistungsträger die bereits gezahlten Beträge untereinander.

Für die Versicherten gilt: Es gibt keine Rückforderung, selbst wenn die Rente niedriger ist als Krankengeld oder Arbeitslosengeld. Ist die Rente höher, bleibt die Differenz bei den Betroffenen.

Damit steht fest: Unter diesem Gesichtspunkt kann eine rückwirkende Bewilligung nur gewinnen lassen – entweder durch eine Nachzahlung oder zumindest durch die Sicherheit, nichts zurückzahlen zu müssen.