Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 8. Mai 2024 (Az. B 8 SO 4/23 R) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die pflegende Angehörige stärker in den Blick nimmt.
Im Kern ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Sozialhilfeträger verpflichtet sind, freiwillige Rentenversicherungsbeiträge zu übernehmen, wenn pflegende Personen keine ausreichende eigene Altersvorsorge haben. Das Urteil schafft Klarheit im Spannungsfeld zwischen häuslicher Pflege, Grundsicherung und Rentenversicherung.
Beispiel aus der Praxis: Tochter pflegt ihre 1933 geborene Mutter
Im Fokus des Verfahrens stand eine Frau des Jahrgangs 1933, die Pflegegrad 3 zuerkannt bekam und Grundsicherung im Alter bezieht. Ihre Tochter, selbst ohne Erwerbstätigkeit und nur mit einer geringen Rente aus der Republik Moldau, kümmert sich um sie im häuslichen Umfeld.
Um die Alterssicherung dieser Pflegeperson zu verbessern, beantragte die Mutter beim zuständigen Sozialhilfeträger die Übernahme freiwilliger Beiträge in die deutsche Rentenversicherung. Das Ziel: die künftige Rente ihrer Tochter anzuheben, da deren bisherige Anwartschaften äußerst niedrig ausfallen.
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Rechtsgrundlage § 64f SGB XII: Voraussetzungen und Grenzen
Der Antrag auf Beitragsübernahme basierte auf § 64f SGB XII, der festlegt, dass Sozialhilfeträger unter bestimmten Bedingungen zusätzliche Beiträge zur Alterssicherung übernehmen können. Dies geschieht zusätzlich zum Pflegegeld, wenn keine andere Möglichkeit der Absicherung vorliegt. Das BSG klärte in seinem Urteil, wie eng diese Vorschrift auszulegen ist und welche Einkünfte – auch die des Ehepartners der Pflegeperson – in die Gesamtbewertung einfließen.
Das Urteil im Detail: Keine doppelte Absicherung und Berücksichtigung des Partnereinkommens
Das Landessozialgericht hatte zuvor anders entschieden, wurde jedoch vom BSG korrigiert und zur erneuten Prüfung verpflichtet. Die Richterinnen und Richter betonten mehrere Punkte:
- Keine doppelte Absicherung
Freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung darf die Sozialhilfe nur dann übernehmen, wenn die pflegende Person ohne diese Maßnahme nicht hinreichend versorgt wäre. Das Niveau der Grundsicherung dient hierfür als Maßstab. - Partnereinkommen spielt eine Rolle
Wenn der Unterhalt der Pflegeperson beispielsweise durch einen Ehepartner gesichert ist, entfällt der Bedarf für zusätzliche Rentenbeiträge. - Angemessene Beitragsbemessung
Die konkrete Höhe der zu übernehmenden Beiträge richtet sich nach § 44 SGB XI, der in der Pflegeversicherung die Beitragsleistung für Pflegepersonen regelt.
Konsequenzen für pflegende Angehörige: Klarheit bei der Altersvorsorge
Das BSG verdeutlicht mit dieser Entscheidung, dass häusliche Pflege weiterhin gefördert werden soll, ohne dass das System übermäßig belastet wird. Sozialhilfeträger müssen in Fällen echter Bedarfslagen aktiv werden, um die Altersvorsorge von Pflegepersonen zu stärken.
Gleichzeitig wird jedoch verhindert, dass doppelte Absicherungen entstehen, wenn bereits andere Mittel zur Verfügung stehen. Pflegende Angehörige sollten deshalb ihre finanzielle Situation und mögliche Ansprüche genau prüfen lassen, um eventuelle Ansprüche auf Beitragsübernahme nicht zu versäumen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.