Rente: Nicht jeder Rentner ist automatisch krankenversichert

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Sobald eine Person eine gesetzliche Rente bezieht, greift grundsรคtzlich die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Diese spezielle Versicherungsform wird von den gewรถhnlichen gesetzlichen Krankenkassen wie AOK, BKK oder Ersatzkassen gefรผhrt.

Eine automatische Pflichtmitgliedschaft besteht jedoch nicht fรผr alle Rentenbezieher: Wer bestimmte Vorversicherungszeiten nicht erfรผllt, kann sich meist nur freiwillig gesetzlich absichern oder privat versichert bleiben.

Pflichtmitgliedschaft: Warum Vorversicherungszeiten entscheidend sind

Die Mitgliedschaft in der KVdR setzt voraus, dass in der zweiten Hรคlfte des Erwerbslebens mindestens 90 Prozent der Zeit eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Pflichtmitgliedschaft oder eine freiwillige Mitgliedschaft handelte. Auch Phasen der Familienversicherung zรคhlen.

Diese Zeiten kรถnnen sich auรŸerdem durch Auslandsaufenthalte in Lรคndern mit Sozialversicherungsabkommen anrechnen lassen.

Tipp: Fรผr jedes Kind wird einem kรผnftigen Mitglied zusรคtzlich eine dreijรคhrige Anrechnungszeit gutgeschrieben. Bei Adoptiv- und Stiefkindern greifen spezielle gesetzliche Vorgaben. Wer privat krankenversichert war, kann diese Kinderzeiten ebenfalls geltend machen, muss jedoch weitere Bedingungen prรผfen, um eventuell doch in die gesetzliche Versicherung zu wechseln.

Beispiel zur Vorversicherungszeit: Frau Meyer

Frau Meyer wurde 1956 geboren und begann 1971 im Alter von 15 Jahren eine Ausbildung zur Verkรคuferin. Sie war durchgehend bis zur Geburt ihrer Tochter 1986 gesetzlich pflichtversichert. AnschlieรŸend wechselte sie in die private Krankenversicherung ihres verbeamteten Ehemannes und blieb dort 15 Jahre lang. Erst 2001 ging sie wieder in eine sozialversicherungspflichtige Beschรคftigung und blieb dort bis zur Rente. Ihren Rentenantrag stellte sie 2021 mit 65 Jahren.

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Das maรŸgebliche Erwerbsleben erstreckt sich von 1971 bis 2021.

Die zweite Hรคlfte umfasst demnach die Zeit von 1996 bis 2021 (25 Jahre). Fรผr eine Pflichtmitgliedschaft mรผssten davon 90 Prozent (22,5 Jahre) durch eine gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt sein; Frau Meyer erreicht diese Anforderung zunรคchst nicht, denn sie war 5 Jahre privat versichert.
Da fรผr ihre Tochter 3 Jahre angerechnet werden, kommt sie dennoch in die Pflichtversicherung der Rentner.

Befreiung von der KVdR-Pflicht: Was bei Antrรคgen zu beachten ist

Rentenbezieher, die an sich pflichtversichert wรคren, dรผrfen sich unter bestimmten Voraussetzungen befreien lassen. Das ist primรคr fรผr Personen interessant, die privat versichert und gegebenenfalls beihilfeberechtigt sind. Sie kรถnnen so ihre bestehende private Krankenversicherung weiterfรผhren.

Allerdings muss innerhalb einer dreimonatigen Frist bei einer gesetzlichen Kasse der Befreiungsantrag gestellt werden. Zu bedenken ist, dass diese Entscheidung meist endgรผltig ist und eine Rรผckkehr in die KVdR dadurch dauerhaft ausgeschlossen werden kann.

Freiwillige Versicherung: Optionen fรผr Rentenbezieher ohne KVdR

Wer die 9/10-Vorversicherungsregel nicht erfรผllt, aber dennoch gesetzlich versichert bleiben mรถchte, kann sich freiwillig weiter versichern. Zwar galten frรผher bestimmte Vorversicherungszeiten, inzwischen ermรถglichen Gesetze und deren Auslegung eine unkomplizierte Fortfรผhrung der Mitgliedschaft โ€“ selbst wenn die eigene Pflicht oder Familienversicherung endet und gewisse Mindestzeiten formal nicht erfรผllt sind.

Bei geringen Einkรผnften kann eine Familienversicherung infrage kommen, sofern die Voraussetzungen erfรผllt sind.

Selbststรคndige im Ruhestand: Keine automatische Pflichtversicherung

Rentenbezieher, die im Haupterwerb selbststรคndig arbeiten, werden durch den Rentenbezug nicht automatisch pflichtversichert. Die bisherige Versicherungsform bleibt vorrangig. Wer jedoch nur nebenberuflich als Selbststรคndiger agiert, kann durch die gesetzliche Rente pflichtversichert werden, wenn sonst alle Kriterien erfรผllt sind.

Beitragshรถhe in der gesetzlichen Krankenversicherung

Grundsรคtzlich werden Beitrรคge fรผr folgende Einnahmen fรคllig:

  • Gesetzliche Rente (auch fรผr Leistungen aus dem Ausland, sofern anrechenbar)
  • Versorgungsbezรผge (z. B. Betriebsrenten)
  • Arbeitseinkommen (Gewinn aus selbststรคndiger Tรคtigkeit)

Es gilt รผberwiegend der allgemeine Beitragssatz und eine Bemessungsgrenze von aktuell 5.157 Euro im Monat. Die Rentenversicherungstrรคger tragen bei Pflichtmitgliedern die Hรคlfte der Beitrรคge, die direkt von der Rente einbehalten werden. Fรผr Versorgungsbezรผge und Arbeitseinkommen fรคllt der Beitrag in voller Hรถhe an.

Wer freiwillig versichert ist, zahlt zusรคtzlich Beitrรคge auf Kapitalertrรคge, Mieteinnahmen und weitere relevante Einnahmen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das Einkommen des privat versicherten Ehepartners Einfluss auf die Beitragshรถhe haben.

Fรผr freiwillige Mitglieder gibt es einen Zuschuss vom Rentenversicherungstrรคger. Er wird anteilig auf Basis der gesetzlichen Rente berechnet.

Hinweis zu Zusatzbeitrรคgen:
Krankenkassen kรถnnen einkommensabhรคngige Zusatzbeitrรคge verlangen.
Bei Erhรถhung oder Neueinfรผhrung entsteht ein Sonderkรผndigungsrecht.
Werden die Beitrรคge direkt von Rentenversicherungstrรคgern oder Zahlstellen an die Kasse weitergeleitet, greift eine zweimonatige Verzรถgerung bei der Anpassung.

Private Krankenversicherung im Alter: Zuschรผsse und Gestaltungsmรถglichkeiten

Privatversicherte erhalten ebenfalls einen Beitragszuschuss von ihrem Rentenversicherungstrรคger, wenn ein Anspruch auf eine gesetzliche Rente vorliegt. Allerdings wird der Beitrag zur Privaten in voller Hรถhe fรคllig, unabhรคngig von den Einkรผnften.

Bei steigenden Prรคmien kann ein Tarifwechsel innerhalb des Versicherers helfen, die Kosten zu senken. Dabei lassen sich Leistungen reduzieren oder eine hรถhere Selbstbeteiligung vereinbaren. Vorsicht jedoch bei ร„nderungen, die den Wechsel in bestimmte Sondertarife verhindern kรถnnten.

Fรผr Personen, deren Beihilfeanspruch sich mit dem Ruhestand verรคndert, besteht binnen sechs Monaten die Mรถglichkeit einer Anpassung des Versicherungstarifs ohne erneute Gesundheitsprรผfung.

Direktversicherungen und Betriebsrenten: Wann Beitrรคge anfallen

Kapitalauszahlungen, die der betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung dienen, sind in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig. Das Kapital wird zur Berechnung auf zehn Jahre umgelegt, sodass sich ein monatlicher Betrag ergibt, von dem ggf. ein Freibetrag (bei derzeit 164,50 Euro pro Monat) abzuziehen ist.

Diese Regel gilt allerdings nur fรผr Personen, die pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sind; freiwillig Versicherte zahlen fรผr nahezu alle privaten Einkรผnfte Beitrรคge.

Rechtslage laut Bundesverfassungsgericht:

Wenn in eine eigentlich betriebliche Altersvorsorge nach dem Ende des Arbeitsverhรคltnisses privat weiter eingezahlt wird, ist zumindest der privat finanzierte Teil nicht mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrรคgen zu belasten (Az. 1 BvR 1660/08).

Dies setzt voraus, dass die betroffene Person fรผr den Zeitraum nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb als Versicherungsnehmer im Vertrag eingetragen war.
Vergleichbar urteilte das Bundesverfassungsgericht auch zu Pensionskassenvertrรคgen (Az. 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15).

Freiwillig Versicherte profitieren von diesen Urteilen nur bedingt, da sie grundsรคtzlich auch auf sรคmtliche privaten Einnahmen Beitrรคge leisten mรผssen.