Das Bundessozialgericht hat eine Trennlinie fรผr die Dauer des Krankengeldes gezogen (Az.: B 1 KR 15/10 R): Endet eine Arbeitsunfรคhigkeit und tritt anschlieรend eine andere, eigenstรคndige Erkrankung auf, beginnt mit dieser Zweiterkrankung eine neue Blockfrist.
Diese Blockfrist umfasst โ gerechnet ab Beginn der neuen Arbeitsunfรคhigkeit โ maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Der Entscheidung kommt in der Praxis weiterhin hohes Gewicht zu, weil Krankenkassen die Aussteuerung von Versicherten nicht selten auf frรผhere Krankheitszeitrรคume stรผtzen und dabei die rechtlich relevante Zรคsur zwischen erster und zweiter Erkrankung รผbersehen.
Der Fall: Herzkrankheit, spรคter Handverletzung โ und die Frage nach dem โNeustartโ
Die Klรคgerin war zunรคchst wegen einer Herzkranzgefรครerkrankung arbeitsunfรคhig und hatte Krankengeld erhalten. Nach einer Phase der Arbeitsfรคhigkeit verletzte sie sich an der Hand, wurde erneut arbeitsunfรคhig und erhielt wiederum Leistungen.
Im Zuge von Reha- und Klinikaufenthalten kam es spรคter erneut zu kardialen Beschwerden und zu einer Operation. Die Krankenkasse beendete kurz darauf die Krankengeldzahlung mit der Begrรผndung, der Anspruch sei bereits โaufgebrauchtโ, weil die 78-Wochen-Grenze aus der frรผheren, herzbedingten Blockfrist erreicht sei.
Die Gerichte gaben der Versicherten recht: Maรgeblich war die Handverletzung als neue, eigenstรคndige Erkrankung nach einer arbeitsfรคhigen Phase; mit ihr hatte eine neue Dreijahresfrist begonnen, die nicht auf die frรผhere Herz-Blockfrist angerechnet werden durfte.
Rechtlicher Kern: โdieselbe Krankheitโ versus โhinzugetretene Krankheitโ
ยง 48 Absatz 1 SGB V begrenzt das Krankengeld wegen derselben Krankheit auf lรคngstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren; wird wรคhrend laufender Arbeitsunfรคhigkeit eine weitere Krankheit hinzutreten, verlรคngert das die Leistungsdauer nicht. Das Bundessozialgericht prรคzisiert diese Zweiteilung: Tritt eine neue Erkrankung erst nach Ende der vorherigen Arbeitsunfรคhigkeit auf, handelt es sich nicht um ein Hinzutreten, sondern um einen eigenstรคndigen Entstehungstatbestand mit eigener Blockfrist.
Entscheidend ist damit die zeitliche Linie zwischen Ende der ersten und Beginn der zweiten Arbeitsunfรคhigkeit.
Ein Hinzutreten liegt demgegenรผber nur vor, wenn zwei Diagnosen mindestens an einem Tag innerhalb derselben laufenden Arbeitsunfรคhigkeit nebeneinander bestehen; die zweite Diagnose โdocktโ dann an die bereits laufende Blockfrist an und verlรคngert sie nicht.
Praktische Relevanz: Zรคhlweise, Ruhenszeitrรคume und die Systementscheidung des Gesetzes
Die 78 Wochen entsprechen 546 Kalendertagen; fรผr die Berechnung ist wichtig, dass Ruhenszeitrรคume wie Entgeltfortzahlung oder รbergangsgeld grundsรคtzlich wie Krankengeldtage mitzรคhlen. Der rechtliche Hintergrund dieser Begrenzung liegt im Sozialrecht:
Das Krankengeld soll typischerweise vorรผbergehende Erwerbsausfรคlle infolge behandelbarer Erkrankungen absichern, wรคhrend bei dauerhafter Erwerbsminderung die Rentenversicherung greift.
Umso wichtiger ist die korrekte Einordnung, ob im Einzelfall eine neue Blockfrist ausgelรถst wurde oder ob die Leistungsdauer innerhalb einer bereits laufenden Blockfrist verbraucht wird.
Warum das Urteil bis heute trรคgt
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist keine historische Fuรnote, sondern bildet noch immer die Referenz fรผr die tรคgliche Verwaltungspraxis.
Fachliche Rundschreiben der Kassen und neuere landessozialgerichtliche Entscheidungen orientieren sich an derselben Linie: Eine eigenstรคndige Zweiterkrankung nach arbeitsfรคhiger Phase setzt den Zรคhler neu, ein bloรes Hinzutreten wรคhrend bestehender Arbeitsunfรคhigkeit nicht.




