Rentenpanne: Millionenfach falsche Abzüge bei der Rente

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Viele Rentnerinnen und Rentner haben sich in den vergangenen Wochen irritiert die Augen gerieben: Die Netto­zahlung war spürbar niedriger, die Pflegeversicherungsbeiträge dagegen höher als gewohnt.

Auslöser ist eine Änderung, die die Bundesregierung zur Jahresmitte beschlossen hat — mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat die neuen Sätze nicht nur in der laufenden Zahlung umgesetzt, sondern zugleich Nachholbeträge für die Monate Januar bis Juni eingezogen. Das führte bei Millionen von Rentnerinnen und Rentnern zu überraschend hohen Abzügen im Juli und teils auch im August.

Was genau sich geändert hat

Inhalt der Reform ist ein höherer Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung. Für Versicherte mit Kindern beträgt der allgemeine Beitrag nun 3,6 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose zahlen zusätzlich einen gesetzlichen Zuschlag von 0,6 Prozentpunkten, also insgesamt 4,2 Prozent.

Für Rentnerinnen und Rentner wird dieser Beitrag — wie bisher — direkt von der Bruttorente einbehalten und an die Pflegekasse abgeführt.

An einem einfachen Rechenbeispiel lässt sich die Größenordnung verdeutlichen: Bei einer monatlichen Bruttorente von 1.500 Euro ergibt der Satz von 3,6 Prozent eine laufende Belastung von 54 Euro, der Satz von 4,2 Prozent eine Belastung von 63 Euro.

Welche Differenz sich im Einzelfall ergibt, hängt davon ab, von welchem alten Satz man kam — die Nachzahlung für das erste Halbjahr summiert sich aus genau dieser Differenz, multipliziert mit der Zahl der rückwirkend betroffenen Monate.

Rückwirkung und Nachzahlung: warum der Juli so weh tat

Besonders spürbar war die Umstellung, weil die DRV die rückwirkenden Beträge in kurzer Frist eingezogen hat.

Wer im Juli seine Rentenzahlung erhielt, fand darauf nicht nur den neuen, höheren Monatsbeitrag, sondern zusätzlich die Nachforderung für die Monate Januar bis Juni.

Je nach Rentenhöhe und Familienstand ergab das einen zusätzlichen zweistelligen Betrag pro Monat, der gebündelt vom Juli-Zufluss abging. In etlichen Fällen kam es darüber hinaus zu Rechen- und Zuordnungsfehlern, sodass Summen vom Konto abflossen, die mit den zuvor verschickten Informationsschreiben nicht übereinstimmten.

Fehler bei der Umstellung: was die Rentenversicherung einräumt

Die DRV hat offen zugegeben, dass es in der kurzen Umstellungsphase zu Fehlern gekommen ist. Hintergrund sind die schiere Menge der Fälle — rund 22 Millionen laufende Renten — und die technische Aktualisierung der Berechnungsprogramme.

In der Folge wurden teilweise zu hohe Beiträge abgebucht oder alte und neue Sätze versehentlich gleichzeitig verrechnet. Für Betroffene bedeutete das: Abzüge, die über der rechtlich geschuldeten Höhe lagen. Auch wenn es im Einzelfall „nur“ um einige Euro geht, ist die Erwartung klar: Der Einzug muss korrekt sein, Differenzen sind zu erstatten.

Reaktionen und Zuständigkeiten

Im Bundestag ist das Vorgehen nicht ohne Widerspruch geblieben. Abgeordnete haben per Kleiner Anfrage Auskunft verlangt, warum die höheren Pflegebeiträge rückwirkend erhoben wurden, welche Gesamtsumme zusätzlich eingezogen wurde und wie die Bundesregierung sicherstellt, dass Fehler zügig korrigiert werden.

Oppositionsstimmen fordern nun eine rasche, unkomplizierte Erstattung zu viel abgebuchter Beträge.

Das federführende Ressort verweist auf den gesetzlichen Auftrag: Gilt eine Änderung ab Januar, muss sie in der laufenden Zahlung umgesetzt und für das erste Halbjahr nacherhoben werden. Parallel arbeitet die Rentenversicherung an Korrekturen, wo es zu fehlerhaften Lastschriften kam.

Was Betroffene jetzt tun sollten

Wer eine Rentenzahlung für Juli oder August erhalten hat, sollte die Abzüge zur Pflegeversicherung mit der Zahlung im Juni vergleichen und prüfen, ob zusätzlich eine Nachforderung ausgewiesen wurde.

Stimmen die Beträge nicht mit der Mitteilung der DRV überein oder erscheint die Summe überhöht, empfiehlt sich die umgehende Kontaktaufnahme mit der Rentenversicherung. Sinnvoll ist es, Kontoauszüge, Rentenbezugsmitteilungen und ggf. den Nachweis über die Kinderzahl bereitzuhalten.

So lassen sich Unstimmigkeiten schneller klären. Auch wenn es „nur“ um wenige Euro geht: Es ist Ihr gutes Recht, eine korrekte Abrechnung zu verlangen.

Der Fall zeigt Schwächen

Der Fall zeigt, wie komplex und fehleranfällig die Schnittstelle zwischen Gesetzgebung, IT-Umsetzung und Massenverwaltung ist. Das mindert die Akzeptanz notwendiger Reformen.

Behörden müssen Umstellungen so planen, dass Rechenfehler die Ausnahme bleiben, und sie brauchen Verfahren, die Erstattungen schnell auf den Weg bringen. Die Politik wiederum ist gut beraten, Rückwirkungen maßvoll zu gestalten und Übergänge so zu timen, dass Betroffene nicht durch gebündelte Nachforderungen überrumpelt werden.

Für Menschen in Rente zählt jeder Euro. Wer seine Abrechnungen aufmerksam prüft, Unstimmigkeiten meldet und auf Korrekturen besteht, stärkt nicht nur die eigenen Ansprüche, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Systems. Fehler können passieren — sie müssen aber korrigiert werden.