Kommune verweigerte Unterkunft einer Erkrankten – Gericht zwang zur Hilfe

Lesedauer 2 Minuten

VGH Mannheim nimmt Kommunen für Obdachlose in die Pflicht: Bei fehlender Einsichtsfähigkeit keine freiwillige Obdachlosigkeit

Kommunen müssen psychisch Erkrankte schützen, wenn diese aufgrund ihres Leidens Obdachlos werden. Denn sind die Betroffenen krankheitsbedingt nicht in der Lage ihre Situation realistisch einzuschätzen, muss Hilfe gewährt werden. Die zuständige Kommune darf dann nicht einfach behaupten, die betroffene Person habe ihre Obdachlosigkeit aus freien Stücken gewählt. Das Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg musste nunmehr ein Machtwort sprechen.

Kommunen dürfen bei psychisch kranken Menschen nicht einfach behaupten, sie hätten ihre Obdachlosigekeit freiwillig gewählt, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit ihre Lage nicht realistisch einschätzen können, betonte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 S 2192/19). Darin nahmen die Mannheimer Richter auch die Sozialhilfe in die Pflicht. Diese müsse Hilfen gegebenenfalls auch ohne Antrag anbieten.

Obdachlose sollte Unterkunft verlassen

Die Antragstellerin hat seit über zehn Jahren in Obdachlosenunterkünften gewohnt. Üblich sind solche Unterkünfte nicht als Dauerunterkunft, sondern nur vorübergehend für höchstens sechs bis zehn Monate gedacht. Hilfsangebote zur Suche einer Wohnung oder zur Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung hatte die Frau aber abgelehnt.

Daraus folgerte die Kommune, die Frau sei freiwillig obdachlos. An einer normalen Unterkunft habe sie offenbar kein Interesse. Die Obdachlosenunterkünfte habe sie aber nun schon viel zu lange in Anspruch genommen. Daher hob die Kommune die Zuweisung einer solchen Unterkunft auf.

Nach dem jetzt schriftlich veröffentlichten VGH-Beschluss vom 27. November 2019 darf sie nun bis Ende April 2020 bleiben.

Obdachlose nicht zur Selbsthilfe in der Lage

Zwar müssten Obdachlose sich bemühen, ihre Situation zu ändern. Hier sei die Frau krankheitsbedingt aber gar nicht in der Lage, ihre Situation realistisch einzuschätzen. Auch wenn sie Hilfen bislang abgelehnt habe, dürfe die Kommune daher nicht von einer freiwilligen Obdachlosigkeit ausgehen. Die begrenzte Bleibedauer in Obdachlosenunterkünften könne es deshalb auch nicht rechtfertigen, die Frau auf die Straße zu setzen.

Ihrem Wunsch, dauerhaft in einer Obdachlosenunterkunft unterzukommen, kam der VGH aber nicht nach. Er begrenzte den Anspruch auf die Zeit bis Ende April 2020.

Zur Begründung verwiesen die Mannheimer Richter hier auf den Vorrang der Sozialhilfe. Diesem komme ein besonderes Gewicht gerade bei solchen Personen zu, „bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind”. Für die Wohnungsversorgung sei die Sozialhilfe dann zu Hilfeleistungen verpflichtet, die über die Zahlung von Geld für eine Wohnung hinausgehen.

Solche Hilfen seien nicht von einem Antrag abhängig, betonte der VGH. Vielmehr setzte die Leistungspflicht der Sozialhilfe ein, sobald der Behörde Lebensumstände bekannt werden, die zu entsprechenden Ansprüchen führen.

Im konkreten Fall sei es zudem offenbar sachgerecht, dem Antrag des Betreuers der Frau zu folgen und ihr die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung zu bewilligen, heißt es abschließend in dem Mannheimer Beschluss. mwo

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...