Kommune verweigerte Unterkunft einer Erkrankten – Gericht zwang zur Hilfe

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VGH Mannheim nimmt Kommunen fรผr Obdachlose in die Pflicht: Bei fehlender Einsichtsfรคhigkeit keine freiwillige Obdachlosigkeit

Kommunen mรผssen psychisch Erkrankte schรผtzen, wenn diese aufgrund ihres Leidens Obdachlos werden. Denn sind die Betroffenen krankheitsbedingt nicht in der Lage ihre Situation realistisch einzuschรคtzen, muss Hilfe gewรคhrt werden. Die zustรคndige Kommune darf dann nicht einfach behaupten, die betroffene Person habe ihre Obdachlosigkeit aus freien Stรผcken gewรคhlt. Das Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Wรผrttemberg musste nunmehr ein Machtwort sprechen.

Kommunen dรผrfen bei psychisch kranken Menschen nicht einfach behaupten, sie hรคtten ihre Obdachlosigekeit freiwillig gewรคhlt, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit ihre Lage nicht realistisch einschรคtzen kรถnnen, betonte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Wรผrttemberg in einem verรถffentlichten Beschluss (Az.: 1 S 2192/19). Darin nahmen die Mannheimer Richter auch die Sozialhilfe in die Pflicht. Diese mรผsse Hilfen gegebenenfalls auch ohne Antrag anbieten.

Obdachlose sollte Unterkunft verlassen

Die Antragstellerin hat seit รผber zehn Jahren in Obdachlosenunterkรผnften gewohnt. รœblich sind solche Unterkรผnfte nicht als Dauerunterkunft, sondern nur vorรผbergehend fรผr hรถchstens sechs bis zehn Monate gedacht. Hilfsangebote zur Suche einer Wohnung oder zur Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung hatte die Frau aber abgelehnt.

Daraus folgerte die Kommune, die Frau sei freiwillig obdachlos. An einer normalen Unterkunft habe sie offenbar kein Interesse. Die Obdachlosenunterkรผnfte habe sie aber nun schon viel zu lange in Anspruch genommen. Daher hob die Kommune die Zuweisung einer solchen Unterkunft auf.

Nach dem jetzt schriftlich verรถffentlichten VGH-Beschluss vom 27. November 2019 darf sie nun bis Ende April 2020 bleiben.

Obdachlose nicht zur Selbsthilfe in der Lage

Zwar mรผssten Obdachlose sich bemรผhen, ihre Situation zu รคndern. Hier sei die Frau krankheitsbedingt aber gar nicht in der Lage, ihre Situation realistisch einzuschรคtzen. Auch wenn sie Hilfen bislang abgelehnt habe, dรผrfe die Kommune daher nicht von einer freiwilligen Obdachlosigkeit ausgehen. Die begrenzte Bleibedauer in Obdachlosenunterkรผnften kรถnne es deshalb auch nicht rechtfertigen, die Frau auf die StraรŸe zu setzen.

Ihrem Wunsch, dauerhaft in einer Obdachlosenunterkunft unterzukommen, kam der VGH aber nicht nach. Er begrenzte den Anspruch auf die Zeit bis Ende April 2020.

Zur Begrรผndung verwiesen die Mannheimer Richter hier auf den Vorrang der Sozialhilfe. Diesem komme ein besonderes Gewicht gerade bei solchen Personen zu, โ€žbei denen besondere Lebensverhรคltnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind”. Fรผr die Wohnungsversorgung sei die Sozialhilfe dann zu Hilfeleistungen verpflichtet, die รผber die Zahlung von Geld fรผr eine Wohnung hinausgehen.

Solche Hilfen seien nicht von einem Antrag abhรคngig, betonte der VGH. Vielmehr setzte die Leistungspflicht der Sozialhilfe ein, sobald der Behรถrde Lebensumstรคnde bekannt werden, die zu entsprechenden Ansprรผchen fรผhren.

Im konkreten Fall sei es zudem offenbar sachgerecht, dem Antrag des Betreuers der Frau zu folgen und ihr die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung zu bewilligen, heiรŸt es abschlieรŸend in dem Mannheimer Beschluss. mwo