Fรผr den Kindergeldanspruch eines 25jรคhrigen behinderten Kindes mรผssen Eltern nicht zwingend einen Schwerbehindertenausweis oder ein รคrztliches Gutachten als Nachweis der Behinderung vorlegen.
Denn der Nachweis der Behinderung ist gesetzlich nicht geregelt, so dass auch รคrztliche Bescheinigungen รผber dauerhafte gesundheitliche Beeintrรคchtigungen ausreichen kรถnnen, stellte das Finanzgericht Hamburg in einem bekanntgegebenen und rechtskrรคftigen Urteil klar (Az.: 1 K 121/22). Dies gelte auch dann, wenn in den Bescheinigungen der Begriff โBehinderungโ gar nicht verwendet wird.
Kindergeld fรผr behindertes Kind ab 25
Nach den gesetzlichen Bestimmungen kรถnnen Eltern fรผr ihr behindertes Kind Kindergeld erhalten, wenn dieses 25 Jahre oder รคlter ist. Voraussetzung hierfรผr ist, dass das Kind wegen einer โkรถrperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auรerstande ist, sich selbst zu unterhaltenโ. Die Behinderung muss vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein.
Im Streitfall ging es um die 1987 geborene Tochter der Klรคgerin. Nach Begutachtungen durch den Sozialmedizinischen Dienst und Amtsรคrzten des Gesundheitsamtes besteht bei ihr seit 2009 eine eingeschrรคnkte dauerhafte Erwerbsminderung aufgrund einer seelischen Beeintrรคchtigung.
Diese รคuรere sich in Angststรถrungen, einem sozialen Rรผckzugsverhalten und einer depressiven Grundstimmung. Eine Erwerbstรคtigkeit von mindestens 15 Stunden pro Woche sei fรผr das erwachsene Kind nicht mรถglich, so die Amtsรคrzte, die auf eine โdrohende seelische Behinderungโ verwiesen. Die Deutsche Rentenversicherung bewilligte 2017 der Tochter eine befristete volle Erwerbsminderungsrente.
Behรถrde forderte amtlichen Nachweis รผber das Vorliegen der Behinderung
Die Familienkasse zahlte wegen der Behinderung zunรคchst Kindergeld fรผr die Tochter. Im Dezember 2021 verlangte die Behรถrde jedoch einen amtlichen Nachweis รผber das Vorliegen der Behinderung.
Sie berief sich dabei auf eine Dienstanweisung des Bundeszentralamts fรผr Steuern zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz. Danach kรถnne der Nachweis der Behinderung durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises oder einer รคrztlichen Bescheinigung erbracht werden.
Die Tochter der Klรคgerin gab an, keinen Schwerbehindertenausweis zu besitzen. Sie habe auch keine รคrztliche Bescheinigung รผber das Vorliegen ihrer Behinderung, da ihre Hausรคrztin psychische Erkrankungen nicht ernst nehme.
Familienkasse zahlte kein Kindergeld
Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung ab 2022 auf. Die Tochter habe ihre Behinderung nicht nachgewiesen. Eine anerkannte Behinderung liege nicht vor. Zwar sei im Laufe des gerichtlichen Verfahrens 2023 ein Grad der Behinderung festgestellt worden. Da die Tochter zu diesem Zeitpunkt bereits รผber 25 Jahre alt war, kรถnne sie kein Kindergeld mehr beanspruchen.
Seelische Behinderung liegt vor
Mit Urteil vom 12. Oktober 2023 sprach das Finanzgericht der Klรคgerin Kindergeld zu. Der Nachweis der Behinderung sei gesetzlich nicht geregelt. Die in der Dienstanweisung des Bundeszentralamtes fรผr Steuern enthaltenen Voraussetzungen seien nicht abschlieรend.
Im vorliegendenFall habe habe die Auswertung der amtsรคrztlichen Gesundheitszeugnisse und das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes ergeben, dass zumindest seit 2009 und damit noch vor Erreichen des 25. Lebensjahres eine seelische Behinderung vorgelegen habe.
Vorlage des Schwerbehindertenausweises nicht notwendig fรผr Kindergeld
Fรผr den Nachweis einer Behinderung sei die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises oder einer รคrztlichen Bescheinigung, in der die Behinderung ausdrรผcklich festgestellt werde, nicht zwingend erforderlich.
Auch kรถnne ein รคrztlicher Sachverstรคndiger nicht abschlieรend feststellen, ob eine Behinderung vorliege. Dies mรผsse letztlich das Gericht entscheiden.