Bürgergeld: Fehlende Nutzung der Wohnung muss vom Jobcenter nachgewiesen werden

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Die Einstellung der Kosten der Unterkunft und Heizung für eine Bürgergeld- Empfängerin ist rechtswidrig, wenn das Jobcenter nicht beweisen kann, dass sich die Leistungsempfängerin nicht in ihrer Wohnung aufhält – sprich sie tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt.

Auffassung des Jobcenters: Bewohne ein Bürgergeld – Empfänger die Wohnung nicht tatsächlich, seinen die Mietkosten nicht übernahmefähig – wird vom Gericht als rechtswidrig eingestuft.

Geringe Verbrauchswerte bei Heizung, Strom und Wasser sprechen nicht gegen die Nicht- Nutzung einer Wohnung.

So entschieden vom SG Frankfurt (Oder),Beschluss v. 26.06.2024 – S 14 AS 214/24 ER –

Begründung:

Nicht – Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung seit mehreren Bewilligungsbescheiden

Das Jobcenter gewährte der Bürgergeldbezieherin keine Kosten der Unterkunft und Heizung ( KdUH ).

Bürgergeldempfängerin klagt im einstweiligem Rechtsschutz – Eilverfahren um ihre Kosten der Unterkunft auch rückwirkend

Das Jobcenter meint, die Antragstellerin müsse nachweisen, dass sie die Wohnung zu Wohnzwecken nutzt.

Geringe Verbrauchswerte beim Wasser, Strom und Heizung würden nach Auffassung des Jobcenters den Rückschluss zu lassen, dass sie die Wohnung nicht nutzt.

Auffassung des Jobcenters: Bewohne ein Bürgergeld – Empfänger die Wohnung nicht tatsächlich, seinen die Mietkosten nicht übernahmefähig!!!

Im Eilverfahren hat das Gericht dem Jobcenter eine Nachhilfestunde gegeben, denn

Antragstellerin hat Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II

Denn diese Kosten entstehen der Antragstellerin aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarung mit ihrem Vermieter, welche sie auch monatlich zahlt und der Vermieter dies gegenüber dem Gericht bestätigt hat.

Bedarfsfeststellungsdienst war zum Hausbesuch bei der Leistungsempfängerin

Nach Auffassung des Gerichts wurde keine ” mustergültige Wohnung ” vorgefunden. Aber aus dem Bericht des Hausbesuches kann man entnehmen, dass die Wohnung – bewohnt wird.

Geringe Verbrauchswerte bei Heizung, Strom und Wasser sprechen nicht gegen die Nicht- Nutzung der Wohnung

Denn im Eilverfahren kommt es nicht so sehr auf die Feststellung der Häufigkeit und Nutzung und deren Bewertung an, so das Gericht.

Das Gericht betont in besonderer Weise gegenüber dem Jobcenter:

Da das Jobcenter wohl schon in der Vergangenheit der Bürgergeldempfängerin immer wieder keine Kosten der Unterkunft bewilligte aufgrund der angeblichen Nicht – Nutzung ihrer Wohnung und immer auf ein Gerichtsurteil zur Anerkennung der KdUH für die Antragstellerin bestand,

betont das Gericht noch mal ausdrücklich:

Bei Zweifel der Nutzung einer Wohnung einer Bürgergeldbezieherin wird die Frage des ständigen Aufenthalts im Bereich des Grundsicherungsträgers berührt.

Heißt auf deutsch:

Hält sich der Bürgergeld – Empfänger tatsächlich im Bereich des Jobcenters auf – verneint das das Jobcenter, trägt es die Beweislast dafür.

Der Nachweis zur Berücksichtigung der tatsächlichen Mietkosten wurde erbracht, so dass für das Gericht keine Zweifel mehr bestehen.

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock:

Ganz großes Kino und erstklassig. Die Entscheidung gleicht im Tenor LSG BB, Beschluss v. 17.06.2024 – L 20 AS 364/24 B ER –

Jobcenter: Bürgergeldbezieher müssen nicht ständig in ihrer Wohnung nächtigen

Mein Tipp für Euch:

Wenn die Kosten der Wohnung nicht vom Jobcenter bezahlt werden, sprich keine KdUH, muss sofort gehandelt werden.

1. Kurzer Widerspruch gegen die Nicht Bewilligung der KdUH mit Fristsetzung von max. 5 Tagen

2. Einstweiliger Rechtsschutz muss beim zuständigen Sozialgericht beantragt werden und zwar kurz nach dem Widerspruch, sonst seit ihr der Gefahr ausgesetzt, dass Mietschulden, Räumungsklage ect. Auflaufen.

3. Nehmt Euch einen guten Rechtsanwalt.

Fazit:

1. Geringe Verbrauchswerte bei Heizung, Strom und Wasser sprechen nicht gegen die Nicht- Nutzung der Wohnung ( vgl. LSG BB, Beschluss v. 17.06.2024 – L 20 AS 364/24 B ER -Bürgergeldbezieher müssen sich nicht ständig in ihrer Wohnung aufhalten bzw. nächtigen ).

2. Kosten der Unterkunft entstehen Leistungsbeziehern , wenn sie einer mietvertraglichen Pflicht ausgesetzt sind und diese auch monatlich finanziell bedienen, sprich Monat für Monat ihre Miete zahlen.

3. Nach § 22 Abs. 1 SGB II sind alle Zahlungsverpflichtungen umfasst, die sich aus dem Mietvertrag ergeben ( ständige Rechtsprechung BSG B 14 AS 2/10 R ).

Wann gilt eine Wohnung beim Bürgergeld als nicht bewohnt, d.h. nicht tatsächlich als aktuellen Lebensmittelpunkt genutzt wird und somit das Jobcenter keine miete zahlt

1. Die äußerst niedrigen Verbrauchswerte für Strom, Wasser u. Gas können nur ein Indiz sein, wenn aber der Leistungsbezieher nicht mal eine Abrechnung vorlegen kann, wirds schon enge.

2. Noch schlimmer wirds, wenn der Leistungsempfänger selbst einräumt, des öfteren bei der Mutter oder Schwester zu übernachten.

3. Eine gelegentlich stundenweise Anwesenheit in der Wohnung reicht nicht aus, um den Lebensmittelpunkt zu begründen, sprich hier wird die Wohnung wirklich nicht genutzt, so das LSG NRW, Beschluss v. 05.07.2023 – L 7 AS 93/23 –

Ohne Nutzung der Wohnung können – selbst bei zivilrechtlicher Zahlungsverpflichtung – keine Unterkunftsbedarfe beansprucht und ausgezahlt werden.

Orientierungssatz Sozialrechtsexperte Detlef Brock

1. Durch § 22 SGB II soll der existenzsichernde, persönliche Lebensbereich „Wohnung” geschützt werden, so dass der Leistungsanspruch grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für eine tatsächlich genutzte konkrete Wohnung, die den aktuellen räumlichen Lebensmittelpunkt bildet und den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt, umfasst (stRspr; vgl. BSG, Urteile vom 25.06.2015 – B 14 AS 40/14 R–; vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R und vom 30.03.2017 – B 14 AS 13/16 R–).

2. Nicht ausreichend ist die nur gelegentliche Nutzung einer Unterkunft (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R–; Urteil des erkennenden Senats vom 30.06.2022 – L 7 AS 1681/21–) oder eine reine Postadresse (LSG Bayern, Urteil vom 17.02.2011 – L 7 AS 49/08–).

Gutgemeinter Rat an alle Leistungsempfänger, bei denen das Jobcenter meint, die Unterkunft werde nicht tatsächlich bewohnt vom Leistungsbeziehern

Nehmt Euch einen guten Anwalt dafür, weist vor allem nach, dass Monat für Monat die Miete bezahlt wird, gelegentliche Aufenthalte bzw. Übernachtungen bei Dritten kann euch das Jobcenter nicht verbieten oder schon gar nicht behaupten, ihr bewohnt die Wohnung nicht.

Auch ein sparsamer Umgang mit Energiekosten muss nicht zwangsläufig heißen, die Wohnung wird nicht genutzt – Einzelfall entscheidend.