Hartz IV: Rückzahlungen vor Bedarf ist Vermögen

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Urteil

Zuflusstheorie und wie die Argen dieses handhaben

Ein Erwerbsloser beantragt am 22.09.2005 Arbeitslosengeld II (ALG II) . Am 25.08.2005 ist dem Antragsteller eine Steuerrückerstattung in Höhe von 2289 Euro zugeflossen, am 13.09.2005 floß ihm eine Erstattung der Kirchensteuer in Höhe von 115 Euro zu.

Stellt nun die Steuerrückerstattung und die Erstattung der Kirchensteuer Einkommen oder Vermögen des Antragstellers dar , eine bisher nicht höchstrichterliche Entscheidung kann dazu nicht vorgebracht werden, denn in seinem Beschluss vom 23. November 2006 ( B 11b AS 17/06 B) hat das BSG zwar an dem Zuflussprinzip festgehalten. Zur Abgrenzung von Vermögen und Einkommen enthält diese Entscheidung indessen keine Ausführungen, insbesondere ist nicht problematisiert, ob vor dem Bedarfszeitraum zugeflossene Einnahmen als Einkommen oder als Vermögen anzusehen sind.

Jetzt wurde ein Urteil des LSG Bayern bekannt , wonach eine Steuerrückerstattung und eine Erstattung der Kirchensteuer im Antragsmonat auf ALG II dem Hilbedürftigen zugeflossen waren, dies Geldzuwendungen stellen kein anrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 SGBI dar, sondern gehören zum Vermögen des Antragstellers. (LSG Bayern L 7 AS 225/06)

1. Das SGB II und die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 20.10.2004 (BGBl.I S.2622) enthalten keine Definition, wie Einkommen im Sinne des § 11 SGB II einerseits und Vermögen im Sinne des § 12 SGB II andererseits voneinander abzugrenzen sind. Heranzuziehen sind die zur Abgrenzung von Einkommen im Sinne des § 76 Abs.1 BSHG einerseits und Vermögen im Sinne des § 88 Abs.1 BSHG andererseits von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, da der Einkommensbegriff im Recht der Sozialhilfe auf das SGB II übertragen worden ist (vgl. BT-Drs. 15/1516 S.53).

2. Gemäß § 2 Abs.3 Alg II-V in der bis 30.09.2005 geltenden Fassung sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Eine Berücksichtigung von Einnahmen kommt nur in Betracht, wenn Hilfebedürftigkeit besteht. Somit scheidet bei einem Zufluss zu einem Zeitpunkt, an dem Hilfebedürftigkeit nicht besteht bzw. nicht geltend gemacht wird, eine Berücksichtigung als Einnahme aus. § 2 Abs.3 Satz 1 Alg II-V enthält eine normative Zuflussregelung nur insoweit, als ein Einnahmezufluss rückwirkend ab dem Beginn des Zuflussmonats bzw. dem in diesem Monat einsetzenden Bedarfszeitraums anzurechnen ist.

Hinweis: Diese Betrachtungsweise führt in Deutschland bei den Leistungsträgern nicht gerade auf Wohlwollen, denn sie sind der Meinung, es handelt sich hierbei um anrechnungsfähiges Einkommen des Antragstellers, weil hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung sei nach dem Gegenwärtigkeitsprinzip grundsätzlich auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen. Dieser sei aber dann nicht maßgebend, wenn rechtlich – also normativ – ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt werde. Die Alg II-V spreche in ihrer amtlichen Begründung davon, dass Einkommen grundsätzlich all das sei, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte und Vermögen all das, was er in der Bedarfszeit bereits habe, es sei denn, der Zuflusszeitpunkt werde rechtlich anders bestimmt. Für die Steuererstattung gelte § 2 Abs.3 Alg II-V, wonach einmalige Einnahmen bei Überschreiten einer Bagatellgrenze von 50,00 EUR im Jahr von dem Monat des Zuflusses an zu berücksichtigen und über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen seien.

Die Meinung , wonach Geldzuflüsse im Antragsmonat auf ALG II anrechnungsfähiges Einkommen sind, wurde inzwischen von einigen Gerichten verworfen.

Leitsatz: Beginn des Bedarfszeitraumes ist der Zeitpunkt, an dem erstmals Hilfebedürftigkeit eingetreten und ein Antrag auf Leistungen gestellt ist. Auf unser Beispiel bedeutet das, dass der Bedarfszeitraum mit dem 22.09.2005 beginnt . Zu diesem Zeitpunkt waren die streitigen Steuererstattungen des Antragstellers aber bereits zugeflossen, so dass sie, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden waren, Teil des Vermögens waren.

Hinweis: Das LSG NRW – L 12 AS 14/06 hat mit rechtskräftigem Urteil vom 28.02.2007 bekannt gegeben, ob das in § 2 Abs. 2 ALG II-Verordnung normierte strikte Zuflussprinzip aus Verwaltungsvereinfachungsgründen noch mit der Verfassung im Einklang steht. Je nach Höhe des vorausgegangenen Arbeitslosengeldanspruchs und dem Datum der Auszahlung kann es in dem Übergangsmonat auch zu höheren Ungerechtigkeiten bis hin zum Leistungsausschluss kommen. Fälle der vorliegenden Art sind keine Einzelfälle und können sich laufend wiederholen. (veröffentl. am 27.06.07)