Bürgergeld: Das Jobcenter darf Leistungen in diesem Fall sofort beenden

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Das Hessische Landessozialgericht (Az. L 7 AS 442/23) hat entschieden: Nimmt ein Leistungs­beziehender eine Arbeit auf und liegt sein bereinigtes Einkommen über dem Regelbedarf, darf das Jobcenter die Zahlung ab dem Folgemonat komplett einstellen. Gleichzeitig ist eine Aufforderung zur Mitwirkung – etwa die Bitte, Gehaltsnachweise einzureichen – kein eigenständiger Verwaltungsakt.

Gegen dieses Schreiben hilft also kein Widerspruch, sondern nur fristgerechte Vorlage der Unterlagen.

Hintergrund: Mitwirkungsaufforderung ist meist nur „Vorbereitung“

§ 60 Sozialgesetzbuch I verpflichtet Leistungs­empfänger, Änderungen schnell zu melden und Nachweise nachzureichen. Gerichte werten solche Schreiben in der Regel als „verfahrenstechnische Schritte“. Sie begründen noch kein eigenes Recht oder eine Pflicht, die gerichtlich überprüft werden könnte. Widersprüche werden deshalb häufig als unzulässig verworfen. Wird nicht reagiert, kann das Jobcenter die Leistung mindern oder aufheben (§ 66 SGB I).

Fallskizze: Warum der Kläger verlor

Der 48jährige Kläger erhielt seit November 2022 Hartz IV. Ab 22. März 2023 verdiente er netto 861 € monatlich bei einer Sicherheitsfirma. Nach Abzug der Freibeträge blieben 562 € anrechenbar. Damit überstieg sein Einkommen den Regelbedarf von damals 502 €. Da er keine Unterkunftskosten geltend machte, entfiel die Hilfebedürftigkeit vollständig. Das Jobcenter beendete die Zahlung ab 1. Mai 2023.

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Der Mann wehrte sich gegen zwei Punkte:

  • die Mitwirkungsaufforderung (Gehaltsnachweise),
  • den Aufhebungsbescheid.

Beide Klagen scheiterten vor dem Sozialgericht Frankfurt und nun vor dem Landessozialgericht. Das Gericht hielt auch seine Befangenheitsanträge gegen mehrere Richter für offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Prozesskostenhilfe lehnte es mangels Erfolgsaussicht ab. Eine Revision ließ es nicht zu.

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Was Betroffene aus dem Urteil lernen

Wer Nachweise nicht fristgerecht einreicht, riskiert Leistungskürzungen – und das sogar ohne einen gesonderten Bescheid. Liegt das bereinigte Nettoeinkommen über dem Gesamtbedarf aus Regelbedarf und anerkannten Unterkunftskosten, beendet das Jobcenter die Bürgergeld-Zahlung ab dem Folgemonat vollständig.

Formelle Patzer wie eine falsche Anschrift oder pauschale Befangenheitsanträge ziehen das Verfahren nur in die Länge, verbessern aber nicht die Chancen. Bevor Betroffene klagen, sollte deshalb eine unabhängige Sozialberatungsstelle prüfen, ob das gewünschte Vorgehen Aussicht auf Erfolg hat.

Einordnung: Gilt das Urteil bundesweit?

Entscheidungen eines Landessozialgerichts binden nur innerhalb des jeweiligen Bundeslands direkt. Andere Gerichte orientieren sich jedoch häufig an solchen Urteilen, wenn die Argumentation überzeugt.

Auch das Bundessozialgericht hat in früheren Entscheidungen ähnliche Grundsätze bestätigt – etwa dass Mitwirkungsaufforderungen keine anfechtbaren Bescheide sind und dass Einkommen oberhalb des Bedarfs die Hilfebedürftigkeit beendet. Die Linie ist daher bundesweit gut abgesichert.

So reagieren Sie richtig

Sie erhalten Post vom Jobcenter und sollen Unterlagen nachreichen? Senden Sie Kopien fristgerecht zurück. Fehlen Unterlagen, erklären Sie schriftlich, wann Sie diese nachreichen können. Kommt ein Aufhebungs oder Sanktionsbescheid, können Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Einen Beratungsschein für eine anwaltliche Erstberatung erhalten Berechtigte beim Amtsgericht.

Ausblick: Reformbedarf bei Mitwirkungspflichten?

Sozialverbände kritisieren seit Jahren, dass Jobcenter oft umfangreiche Unterlagen anfordern, die für die Leistungsberechnung kaum Relevanz haben. Das Bundesministerium für Arbeit prüft seit 2024, ob die Mitwirkungspflichten klarer gefasst werden müssen. Ziel ist, unnötige Bürokratie abzubauen und zugleich Missbrauch effektiv zu verhindern. Konkrete Gesetzesvorschläge liegen noch nicht vor.