Hartz IV: Kleidergeld nach Haftentlassung

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Anspruch auf Geld für Kleidung nach der Entlassung aus der Haft

14.10.2012

Weil er nach seiner Strafhaft kaum mehr Kleidung besaß, muss das Jobcenter Erzgebirge einem Hartz-IV-Bezieher 175,00 EUR für die Anschaffung der nötigsten Kleidungsstücke zahlen. Das hat das Sozialgericht Chemnitz in einem Eilbeschluss entschieden.

Der 28-jährige Antragsteller im Eilverfahren war 18 Monate in Haft. Während dieser Zeit wurde seine Wohnung geräumt, wobei seine alte Kleidung abhanden kam. Das zuständige Jobcenter Erzgebirge in Annaberg-Buchholz lehnte es ab, dem arbeitslosen Haftentlassenen einen Zuschuss zur Anschaffung von Kleidung zu gewähren. Es hatte anlässlich eines Hausbesuchs im Mai 2012 einige Kleidungsstücke in dessen Besitz festgestellt und war der Meinung, dass er weitere Bekleidungsteile nach und nach aus der Regelleistung beschaffen kann. Außerdem sei der Bekleidungsbedarf erst neun Monate nach der Haftentlassung im Juli 2011 angemeldet worden.

Das Gericht verpflichtete das Jobcenter vorläufig zur Zahlung von 175,00 EUR. Es stützte sich dabei auf § 24 Abs. 3 SGB II, wonach Bedarfe für die Erstausstattung von Bekleidung nicht vom Arbeitslosengeld II Regelsatz umfasst sind, sondern gesondert erbracht werden. Das Gericht konnte in den wenigen vorgefundenen Kleidungsstücken keine Grundausstattung im Sinne eines „Starterpakets“ erkennen. Wichtige Kleidungsstücke, die zu einer Erstausstattung gehören, waren nicht vorhanden. Insbesondere fehlte es fast vollständig an Übergangs- und Winterbekleidung (z.B. Winterstiefel) für die nahe kalte Jahreszeit. Dazu mangelte es an Leibwäsche wie Unterwäsche, Strümpfen und einem Schlafanzug. Eine Grundausstattung muss einem Hilfeempfänger das mehrfache Wechseln der Kleidung innerhalb einer Woche und zwar entsprechend der Witterungsverhältnisse ermöglichen, argumentierte das Gericht. Als unschädlich sah es an, dass der Bekleidungsbedarf erst geraume Zeit nach der Haftentlassung angemeldet wurde. Solange der Bedarf nicht gedeckt ist, kommt es auf den Zeitablauf nicht an, so das Gericht. Verwirkt habe der Antragsteller den Anspruch jedenfalls nicht. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob den Hilfebedürftigen ein Verschulden an dem Verlust der Kleidung trifft, wie es das Jobcenter nahe gelegt hatte. Sofern ein akuter Bedarf besteht, ist dieser zu decken. Die Sicherung der grundlegenden Lebensbedürfnisse kann dem Betroffenen nicht wegen eines etwaigen Verschuldens an seiner Notsituation vorenthalten werden. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar und damit rechtskräftig.

Der Wortlaut der anzuwendenden Vorschrift des § 24 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – lautet:

Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für:
1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2. Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3. Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.“

Eine Richtlinie des Erzgebirgskreises sieht bezüglich der Erstausstattung für Bekleidung derzeit eine Pauschale von 350,00 EUR vor. Bei den zugesprochenen 175,00 EUR hat das Gericht berücksichtigt, dass beim Antragsteller einige Kleidungsstücke vorhanden waren und es zunächst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erst einmal darum ging, die in Anbetracht des nahenden Winters notwendige Winterkleidung zu beschaffen. (pm)

Bild: HHS / pixelio.de

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