Kein Hartz IV Mehrbedarf wegen Erkrankungen, die mit einer diätischen Vollkost zu behandeln sind
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 12 B 57/09 SO, Urteil rechtskräftig) urteilte: Kein Hartz IV Mehrbedarf wegen Erkrankungen, die mit einer diätischen Vollkost zu behandeln sind.
2. Grundsätzlich neigt der Senat der Auffassung zu, dass es die Grundsätze der Beteiligtenöffentlichkeit und des fairen Verfahrens gebieten, einem Versicherten bzw. Leistungsempfänger zu ermöglichen, zu der gerichtlich angeordneten Untersuchung durch einen Sachverständigen einen Beistand hinzu zu ziehen. Dieses Recht besteht ggf aber nicht schrankenlos, sondern ist gegenüber den Erfordernissen der Amtsermittlung abzuwägen. Bestehen triftige Gründe, einen Beistand von der Untersuchung – oder Teilen davon – auszuschließen, so muss der Betroffene dies im Zuge seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hinnehmen (siehe zum Vorstehenden ausführlich Roller in: MedSach 2007, 30 (31)).
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind die Bestimmungen der ZPO über die Beweiserhebung im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden. § 404 a ZPO eröffnet die Möglichkeit der gerichtlichen Anordnung über die Art und Weise der Beweiserhebung durch den Sachverständigen.
Für den Fall bestehender Meinungsverschiedenheiten über die Begründetheit eines Ausschlusses des Beistandes ist insoweit die prozessleitende Entscheidung des Gerichtes zu suchen. Grundsätzlich unzulässig ist es hingegen, die Untersuchung zunächst ohne den Beistand durchführen zu lassen und sich dann anschließend – ggf erst in Kenntnis eines negativen Gutachtenergebnisses – auf die Verletzung des Beistandsrechts zu berufen. Dies stellt einen Verstoß gegen das prozessuale Verbot des widersprüchlichen Verhaltens dar.
Dahin stehen kann vorliegend, ob hieraus bereits der Ausschluss der Rüge abgeleitet werden kann, oder ob insoweit § 295 Abs. 1 ZPO zur Anwendung kommt, mit der Folge, dass der Kläger die Rüge noch rechtzeitig – nämlich vor der mündlichen Verhandlung – erhoben hat.
Denn wird dem Gericht die Möglichkeit der vorhergehenden Entscheidung über den Ausschluss des Beistandes von der Untersuchung genommen, so kann sich der Kläger jedenfalls nicht mehr darauf beschränken vorzutragen, ihm sei das Recht eines Beistandes genommen worden. Er muss insoweit unverzüglich nach der Begutachtung dartun, welche Fragen der Beistand gestellt und welche weitergehenden Hinweise er erteilt hätte.
Hieran fehlt es vorliegend. Der Kläger hat vielmehr mit Schreiben vom 20.04.2009 ohne nähere Begründung das Gutachten im dortigen Verfahren als unsubstantiiert abgetan. Erst nach Ladung zur mündlichen Verhandlung hat er mit Schriftsatz vom 24.06.2009 die Rüge der Verletzung des Beistandsrechts erhoben, wiederum ohne nähere Darstellung, welche Maßnahmen der Beistand ergriffen hätte.
Dem Kläger werden durch diese Betrachtungsweise nicht die sonstigen Möglichkeiten der prozessualen Einflussnahme genommen. Er kann sich, worauf Roller (a.a.O., 31) zutreffend verweist, mit dem Gutachten kritisch auseinander setzen und ggf nachfolgend sachdienliche Fragen an den Sachverständigen richten. Er kann den Sachverständigen ablehnen oder die Einholung eines vertrauensärztlichen Gutachtens nach § 109 SGG beantragen.
Selbst wenn man in dem Schriftsatz des Klägers vom 24.06.2009 einen Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen Dr. P entnehmen wollte, so wäre dieser seinerseits verfristet.
Ein Sachverständiger kann gemäß § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 406 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag gegenüber einem Sachverständigen spätestens binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Ergibt sich der Grund zur Ablehnung erst nach dessen Bestellung, ist der Ablehnungsantrag nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu stellen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes.
Wird ein Sachverständiger wegen der Umstände im Rahmen der ambulanten Untersuchung abgelehnt, so muss er unverzüglich nach dieser wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Der Antragsteller ist dabei nicht an eine kalendermäßige Frist gebunden. Ihm ist vielmehr jeweils eine den Umständen des Einzelfalles angepasste Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzubilligen. Dem liegt das Bestreben um eine beschleunigte Durchführung gerichtlicher Verfahren zu Grunde (vgl. nur Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 118 Rdnr. 12 l m.w.N.). Als angemessene Überlegungsfrist ist grundsätzlich eine Zeit von wenigen Tagen ausreichend, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes regelmäßig einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens gerade nicht bedarf (so zuletzt LSG NRW – L 17 B 13/09 U -). (Tacheles e.V. 20.11.2009)
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