Hartz IV-Ausschluss für arbeitsuchende EU-Ausländer rechtmäßig

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LSG Stuttgart bestätigt Gesetzesverschärfung aus 2016

Mehrere Landessozialgerichte halten den Ausschluss arbeitsuchender EU-Ausländer von Sozialhilfe- und Hartz-IV-Leistungen für verfassungsgemäß. Mit einem am Samstag, 21. Dezember 2019, veröffentlichten Beschluss hat dies auch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart gegen eine Frau aus Polen entschieden (Az.: L 7 SO 3873/19 ER-B).

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Nach EU-Recht darf sich jeder EU-Bürger für bis zu drei Monate in einem anderen EU-Land aufhalten, um dort Arbeit zu suchen. Schon länger sind auch EU-Ausländer aber von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen, wenn sie sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten.

Mit einem viel beachteten Urteil hatte am 3. Dezember 2015 der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel entschieden, dass EU-Bürger bei längerem Aufenthalt zwar keinen Anspruch auf Hartz IV, wohl aber auf Sozialhilfe haben (Az.: B 4 AS 44/15 R und weitere; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag; dem folgend am 20. Januar 2016 der 14. BSG-Senat, Az.: B 14 AS 35/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).

Zur Begründung hatte das BSG auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum für Asylbewerber verwiesen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 18. Juli 2012, Az.: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11). Danach sei ein gesichertes Existenzminimum ein Menschenrecht, das unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus allen Menschen zustehe, die sich „verfestigt” in Deutschland aufhalten.

Die Kasseler Urteile waren auf heftige Kritik auch in der Politik gestoßen. Mit einer am 29. Dezember 2016 in Kraft getretenen Änderung wurde daher auch in das die Sozialhilfe regelnde Sozialgesetzbuch XII eine entsprechende Ausschlussklausel eingefügt. Danach werden allenfalls in Härtefällen Sozialhilfeleistungen für bis zu einen Monat bis zur Ausreise gezahlt.

2017 hatte das BSG zwar erneut zum alten Recht zu entscheiden, es hatte aber betont, dass die Rechtsprechung, wegen des gesetzlichen Hartz-IV-Ausschlusses Sozialhilfe zu zahlen, auf verfassungsrechtlichen Erwägungen beruht (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 30. August 2017, Az.: B 14 AS 31/16 R). Dies kann zumindest so verstanden werden, dass die obersten Sozialrichter den generellen Ausschluss arbeitsuchender EU-Bürger von Hartz-IV- wie auch Sozialhilfeleistungen für verfassungswidrig halten.

In einem Eilverfahren hat nun das LSG Stuttgart die gegenteilige Auffassung vertreten. Auch das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewähre keinen Anspruch auf Sozialleistungen, wenn Betroffene selbst Abhilfe schaffen können. Das sei hier durch eine Ausreise in das Herkunftsland möglich. Mit der Neuregelung habe der Gesetzgeber seine Erwartung bekräftigt, dass EU-Bürger, wenn sie keine Arbeit in Deutschland finden, „zur Vermeidung eines inländischen Sozialhilfebezuges ausreisen, insbesondere in ihr Heimatland zurückkehren”.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum sei in einem Kontext getroffen worden, in dem dies gerade nicht möglich ist, betonte das LSG. Dabei verweisen die Stuttgarter Richter auch auf da Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 5. November 2019, Az.: 1 BvL 7/16). Darin hätten die Verfassungsrichter bekräftigt, „dass der Gesetzgeber die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz binden, die Gewährung staatlicher Hilfe also davon abhängig machen darf, dass sich die Betroffenen nicht selbst helfen können, und dass der Gesetzgeber verlangen darf, dass die Betroffenen an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten lassen”.

Nach dem Stuttgarter Beschluss vom 27. November 2019 haben, ebenfalls in Eilverfahren, mehrere LSGs bereits entsprechend entschieden, so das LSG Bayern (Beschluss vom 13. Februar 2017, Az.: L 23 SO 30/17 B ER), das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 7. Januar 2019, Az.: L 23 SO 279/18 B ER), das LSG Hessen (Beschlüsse vom 20. Juni 2017, Az.: L 4 SO 70/17 B ER und vom 27. März 2019, Az.: L 7 AS 7/19) sowie das LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 22. Mai 2018 – L 11 AS 1013/17 B ER).

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