Eltern können nicht in jedem Fall verlangen, dass ihr zweites Kind einen Betreuungsplatz in derselben Einrichtung erhält wie das erste Kind. Bei der Beurteilung, ob die angebotenen Plätze für die Eltern zumutbar sind, müssen allerdings die dadurch entstehenden Wegezeiten berücksichtigt werden.
Das entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem am Montag, 25. September 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 12 S 790/23). Im Streitfall waren diese Voraussetzungen nach Ansicht der Mannheimer Richter erfüllt.
Der konkrete Fall
Das erste Kind der Eltern wurde in einer Kindertageseinrichtung für unter Dreijährige betreut. Als das zweite Kind folgen sollte, bot die Kommune eine andere Einrichtung an. Die Eltern verlangten, dass ihre Kinder gemeinsam in dieselbe Einrichtung gehen können.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab dem in erster Instanz zwar nicht statt, stellte aber fest, dass die angebotene Einrichtung innerhalb von 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein müsse.
In seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 8. September 2023 widersprach der VGH Mannheim in beiden Punkten.
Anspruch auf Kindergartenplatz – aber nicht in der selben Einrichtung
Nach dem Gesetz hätten Eltern zwar einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder, nicht aber auf einen Platz in einer bestimmten Einrichtung.
„Dementsprechend haben auch Geschwisterkinder grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in derselben Einrichtung, auch wenn dies für die betroffenen Kinder und ihre Familien organisatorisch sinnvoll sein mag (…)“, heißt es in dem Beschluss.
VGH Mannheim: Wegezeiten aber im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen
Die dadurch entstehenden Wegezeiten sind dann aber bei der Frage zu berücksichtigen, ob die von der Gemeinde zugewiesenen Einrichtungen für die Eltern zumutbar sind. Maßstab sind laut VGH aber nicht allein die öffentlichen Verkehrsmittel, sondern die Verkehrsmittel, die den Eltern zur Verfügung stehen und die sie üblicherweise benutzen.
Hier hätten die Eltern ein Auto, außerdem werde viel mit dem Fahrrad gefahren. Beide Einrichtungen seien mit dem Fahrrad in jeweils 20 bis 25 Minuten zu erreichen. Da beide Eltern derzeit nicht berufstätig sind, sondern nach eigenen Angaben die Gründung einer Arztpraxis planen, sei es ihnen auch zumutbar, sich das Bringen und Abholen der Kinder aufzuteilen.
Aber auch das Bringen und Abholen durch einen Elternteil nacheinander würde mit dem Auto 18 Minuten und mit dem Fahrrad 40 Minuten dauern. Auch das sei zumutbar. Dass Fahrräder eine Reifenpanne haben und Eltern auch mal erkältet sein können, sei „Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos“ und ändere daran nichts.
Die Wege von den Einrichtungen zur Arbeit seien zwar grundsätzlich auch zu berücksichtigen, hier sei aber noch völlig offen, wo die geplante Arztpraxis angesiedelt werden solle. mwo