Bürgergeld: Übernahme der Wohnkosten – Bundessozialgericht schafft endlich mehr Klarheit

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Jobcenter müssen die Unterkunft von Bürgergeld-Leistungsberechtigten bezahlen, bis zur Grenze einer “Angemessenheit”. Diese “Angemessenheit” zu bestimmen, ist Sache der Kommunen / Behörden vor Ort, die Kriterien sind oft kaum zu durchschauen, häufig fragwürdig und erscheinen bisweilen gezielt nach unten korrigiert. Vor allem stehen sie immer wieder in krassem Gegensatz zum realen Wohnungsmarkt.

Dr. Utz Anhalt erläutert alle Fakten in diesem Video

Pandemie: Wohnkosten nicht zu übernehmen war rechtswidrig

Während der Corona-Pandemie war das Prüfen der Angemessenheit ausgesetzt. Viele Jobcenter ignorierten diese Vorschrift und handelten gegen geltendes Recht. Ein Urteil des Bundessozialgerichts bestätigt, dass das Nicht-Übernehmen der tatsächlichen Wohnkosten von Leistungsberechtigten illegal war. (B 4 AS 4/23 R)

Sonderregeln und Änderungen

In dem Urteil erkannte das Bundessozialgericht, dass das Ignorieren der Sonderregeln während der Pandemie sowie Änderungen von Hartz IV zum Bürgergeld wesentlich die Fehlentscheidungen von Jobcentern beeinflussten.

Die Angemessenheitsfiktion während der Corona-Pandemie

So galt während der Pandemie, dass die Jobcenter in dieser Zeit die Angemessenheitsprüfung aussetzen mussten, also keine Miet- und Nebenkosten überprüfen durften und keine Kostensenkungsverfahren einleiten.

Unterkunfts- und Heizkosten der Leistungsberechtigten bei damals Hartz IV zwischen dem 1. März 2020 und dem 31.12.2022 gewöhnlich als ganzes zu übernehmen.

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Ausnahme nur bei Missbrauch

Eine Ausnahme galt nur, wenn Leistungsberechtigte diese Sonderregel missbrauchten, um in eine teurere Wohnung zu ziehen, sich also einen Vorteil zulasten anderer verschafften. Auch in diesem Fall musste aber erst einmal ein Kostensenkungverfahren eingeleitet werden.

Jobcenter ignorieren die Vorschrift

Diese Vorschrift wurde von Jobcentern in zahlreichen Fällen missachtet, und sie weigerten sich, Wohnkosten zu übernehmen, als ob es die Pandemie nicht gegeben hätte.

Die Karenzzeit

Eine weitere Regelung, die von Jobcentern oft missachtet wurde, ist die Karenzzeit beim Bürgergeld. Seit dem 1. Januar 2023 wird im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges die Angemessenheit der Wohnung nicht geprüft.

Trotzdem weigerten sich Jobcenter oft, die vollständigen Kosten in der Karenzzeit zu übernehmen.

Für viele kommt das Urteil zu spät

Für diejenigen, die zu Corona-Zeiten Opfer des rechtswidrigen Urteils der Jobcenter wurden, kommt das Urteil des Bundessozialgerichtes zu spät. Nur bei Bescheiden, die ab dem Januar 2023 erlassen wurden, gibt es die Chance, diese im Nachhinein zu korrigieren, und das auch nur, wenn die Betroffenen einen Überprüfungsantrag stellten.

In diesen Fällen sind rückwirkende Erstattungen möglich.

Wann gibt es eine Chance auf Erstattung?

Eine Möglichkeit, die verweigerten Unterkunfstkosten rückwirkend erstattet zu bekommen besteht erstens, wenn nach sechs Monaten der Angemessenheitsfiktion die Kostenübernahme der Wohnung und Heizung ohne Kostensenkungsverfahren erfolgte.

Zweitens kann ein Überprüfungsantrag erfolgreich sein, wenn es zwar ein Kostensenkungsverfahren vor dem Kürzen der Leistungen gab, dieses aber nicht geltendem Recht entsprach.