Kein Entschädigungsanspruch trotz Schwerbehinderung – Urteil

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Ein Bewerber mit Schwerbehinderung hatte gegen einen öffentlichen Arbeitgeber geklagt, weil er trotz gesetzlicher Einladungspflicht nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Grund war die verspätete Bewerbung. Das Landesarbeitsgericht MecklenburgVorpommern entschied, dass keine Diskriminierung wegen der Behinderung vorlag.

Hintergrund des Falls

Im Frühjahr 2020 suchte ein Amt mit etwa 30 Beschäftigten über das Portal „Interamt.de“ eine neue Leitung für die Bereiche Zentrale Dienste und Finanzen. Die Bewerbungsfrist endete am 8. Mai 2020. Der Kläger, ein diplomierter Verwaltungswirt und Master of Public Administration, bewarb sich erst am 11. Mai – also nach Fristende. Trotz seiner anerkannten Schwerbehinderung (GdB 50) wurde er nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen.

Der Kläger berief sich auf § 165 SGB IX, der öffentlichen Arbeitgebern auferlegt, schwerbehinderte Bewerber zum Gespräch einzuladen, sofern sie nicht offensichtlich ungeeignet sind. Da keine Einladung erfolgte, forderte er eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern.

Argumentation der Parteien

Der Kläger argumentierte, die geringe Fristüberschreitung sei unerheblich und es sei gesetzlich vorgesehen, schwerbehinderte Menschen zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, um Chancenungleichheiten auszugleichen. Die Ablehnung ohne Einzelfallprüfung verletze seine Rechte.

Das beklagte Amt verwies darauf, dass es eine ständige Verwaltungspraxis gebe, verspätete Bewerbungen generell abzulehnen – unabhängig von einer Schwerbehinderung. Zudem sei der Bewerber bereits mehrfach durch verspätete Bewerbungen bei anderen Behörden aufgefallen. Nach Ansicht der Behörde habe keine Diskriminierung stattgefunden, da allein die Fristüberschreitung ausschlaggebend gewesen sei.

Gerichtliche Bewertung

Das Landesarbeitsgericht (Az. 5 Sa 3/23) schloss sich der Argumentation des Amts an. Zwar liege grundsätzlich eine Benachteiligung vor, wenn schwerbehinderte Bewerber nicht eingeladen werden. Allerdings konnte das Amt überzeugend darlegen, dass die Entscheidung nichts mit der Behinderung zu tun hatte.

Das Gericht hob hervor, dass die Überschreitung der Bewerbungsfrist ausschlaggebend gewesen sei und nicht die Schwerbehinderung. Die Bewerbung sei nicht weiter geprüft worden, da bereits der verspätete Eingang als Ausschlusskriterium galt. Zudem existierte keine Schwerbehindertenvertretung, die hätte eingeschaltet werden können.

Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

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Relevante Rechtsgrundlagen

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Bewerber vor Diskriminierung wegen Behinderung. Arbeitgeber tragen die Beweislast, wenn eine Benachteiligung vermutet wird (§ 22 AGG). Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn ein sachlicher Grund – wie im vorliegenden Fall die Fristüberschreitung – vorliegt.

Zudem stellt § 165 SGB IX klar, dass schwerbehinderte Bewerber eingeladen werden müssen, sofern sie fachlich geeignet sind. Eine Ausnahme ist möglich, wenn objektive Umstände – wie eine erhebliche Fristversäumung – vorliegen.

Was Arbeitgeber beachten sollten

Öffentliche Arbeitgeber müssen jede Bewerbung sorgfältig prüfen, auch wenn sie verspätet eingereicht wurde. Dennoch dürfen sie Bewerbungen ausschließen, wenn objektive Kriterien wie Fristversäumnisse systematisch und diskriminierungsfrei angewendet werden.

Für schwerbehinderte Bewerber bedeutet das, dass Bewerbungsfristen dringend einzuhalten sind. Kommt es dennoch zu einer Verspätung, sollte diese plausibel begründet und frühzeitig kommuniziert werden.

Warum dieses Urteil wichtig ist

Das Urteil schafft Klarheit: Eine unterbliebene Einladung kann zwar den Anschein einer Diskriminierung erwecken, führt aber nicht automatisch zu einem Entschädigungsanspruch. Arbeitgeber, die nachweislich allgemeine Regeln anwenden und keine diskriminierenden Motive erkennen lassen, müssen keine Entschädigung zahlen.

Für schwerbehinderte Bewerber bleibt jedoch der Hinweis wichtig: Rechtzeitige und vollständige Bewerbungen verbessern die Erfolgschancen und schützen besser vor Missverständnissen.