Bürgergeld: Sozialgerichte dürfen nicht ins Blaue ermitteln

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Bei fehlender Mitwirkung der Antragsteller müssen Gerichte auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht ins Blaue hinein ermitteln
Bezieher von Bürgergeld können beim Gericht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellen.

Das Gericht kann in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung).

Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, in der ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung schlechthin unzumutbaren Folgen für den betreffenden Antragsteller verbunden wäre, gegeben.

Antrag auf Bürgergeld im Eilverfahren hatte in der Sache hier keinen Erfolg

Denn die Antragstellerin hat das Bestehen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat einstweiligen Rechtsschutzverfahren das Bestehen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund für die Bewilligung von Regelbedarfsleistungen und Kosten der Unterkunft nach dem SGB II gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Das Gericht bat um Vorlage folgender Unterlagen

1. Vollständige Kontoauszüge der vergangenen 4 Monate, vollständige Lohnbescheinigungen der vergangenen 4 Monate, vollständige Nachweise über erfolgte Reisen, Auslandsaufenthalte mit Nachweisen über die Zahlungen der Flüge (Flugtickets), wer hat diese bezahlt, wie viel haben diese gekostet, wie oft;

2. Nachweise über etwaige Zahlungen/Darlehen von Dritten/anderen Personen,

3. Vorhandene Nachweise über etwaige Mietrückstände/Kündigung/Schreiben des Vermieters etc.,

4. Nachweise über weiteres Einkommen z.B. aus Kindergeld oder Unterhalt.

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Des weiteren hat das Gericht die Antragstellerin erneut auf das Schreiben des Jobcenters hin um Stellungnahme zu den ausführlichen Ausführungen des Jobcenters gebeten. Eine Stellungnahme liegt nicht vor. Auch liegen die dort genannten Nachweise nicht vor.

Bei fehlender Mitwirkung der Antragsteller müssen Gerichte auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht ins Blaue hinein ermitteln

Zu weiteren Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte (“ins Blaue hinein”) besteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9.10.2007 – 2 BvR 1268/03 -).

Das gilt grundsätzlich, wenn Antragsteller im gerichtlichen Verfahren bei einer weiteren Überprüfung des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs oder Anordnungsgrunds nicht mitwirken.

Anmerkung vom Bürgergeld Experten Detlef Brock

Wer das Gericht um Klärung seines Bürgergeld Anspruchs bittet, ist gut beraten, die geforderten Unterlagen des Gerichts vorzulegen, ansonsten besteht im Eilverfahren kein Anspruch auf die gewünschte Leistung.

Denn ein Anordnungsgrund liegt nur vor, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, in der ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung schlechthin unzumutbaren Folgen für den betreffenden Antragsteller verbunden wäre.

Wenn Antragsteller im gerichtlichem Verfahren – nicht mitwirken, – liegt kein Anordnungsanspruch sowie Anordnungsgrund vor.

Praxistipp

Jobcenter dürfen nicht “ins Blaue ermitteln”, sondern müssen bei ihren Nachfragen einen konkreten Anlass haben und eine Zielsetzung verfolgen. Dies bedeutet, dass das Jobcenter bei Verdachtsmomenten oder unklarer Sachlage ermitteln muss, aber nicht auf Basis reiner Vermutungen eine umfassende Datensuche oder eine Überprüfung ohne Anhaltspunkte durchführen darf.

Rechtsquellen: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2024 – L 32 AS 39/24 B ER und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.07.2025 – L 12 AS 422/25 B ER –